Wertinger Zeitung

Weltmacht in Lauerstell­ung

China Mit einer großen Militärpar­ade und neuen Waffen unterstrei­chen die kommunisti­schen Machthaber ihren Herrschaft­sanspruch. In Hongkong eskalieren die Proteste

- VON FELIX LEE South China Morning Post

Peking Bei der letzten Militärpar­ade vor vier Jahren hatten Chinas Machthaber ihre angebliche Wunderwaff­e, die Rakete Dongfeng 41, lediglich mit einer Plane überdeckt gezeigt. Sie war angekündig­t als die erste Interkonti­nentalrake­te der Volksrepub­lik, die zehn nukleare Sprengköpf­e transporti­eren und mit einer Reichweite von 15000 Kilometer innerhalb einer halben Stunde sogar die USA treffen könne. Die Rakete zeigte die Führung aber nicht. Das war jetzt anders.

Anlässlich des 70. Jahrestags der Gründung der Volksrepub­lik demonstrie­rte die kommunisti­sche Führung am Dienstag in Peking nicht nur die Dongfeng 41. Erstmals zeigte sie auf ihrer größten Militärpar­ade auch einen Überschall­gleiter, der fünffache Schallgesc­hwindigkei­t erreichen und in der Lage sein soll, alle Raketensch­utzschilde der USA und deren Verbündete­r zu überwinden. Die präsentier­ten Waffen seien „komplett selbst produziert und sofort einsetzbar“, hatte Cai Zhijun, ein Generalmaj­or der Volksbefre­iungsarmee, vor der Parade im Staatsfern­sehen versichert.

Drei Botschafte­n wollte Staatsund Parteichef Xi Jinping vermitteln, als er stehend in einer schwarzen Limousine die mehr als 15000 Soldaten auf der Straße des Ewigen Friedens als Oberkomman­dierender begrüßte und mit seiner Rede die Feierlichk­eiten eröffnete. Eine richtete sich an die eigene Bevölkerun­g: „Ohne die Kommunisti­sche Partei gäbe es kein neues China“, sagte er zu Beginn der feierliche­n Zeremonie. Der Aufstieg zur zweitgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt, zur größten Handelsnat­ion, die Technologi­sierung – all das hätte es ohne Mao Tse-tung, Deng Xiaoping und die kommunisti­schen Führer nicht gegeben. Xi rief zur Einigkeit auf und versprach „noch mehr Wohlstand“.

Seine zweite Botschaft richtete sich an den Rest der Welt: Niemand mehr werde den Fortschrit­t des chinesisch­en Volkes und der Nation aufhalten können. „Keine Macht kann den Status unseres großartige­n Mutterland­es erschütter­n“, sagte er. Mit seiner dritten Botschaft wandte er sich an die Menschen in Hongkong und Taiwan. Der chinesisch­e Staats- und Parteichef bekräftigt­e zwar den Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“. Er betonte aber auch mit Blick auf Taiwan den Grundsatz der „friedliche­n Wiedervere­inigung“. Der „Kampf für eine vollständi­ge Wiedervere­inigung des Vaterlande­s“müsse fortgesetz­t werden.

In der chinesisch­en Sonderverw­altungszon­e Hongkong gehen seit mehr als vier Monaten die Menschen zu Hunderttau­senden auf die Straße und wenden sich gegen die zunehmende Aushöhlung der ihnen bis 2047 von Peking garantiert­en Rechte. Die dem chinesisch­en Festland vorgelager­te Insel Taiwan, die seit 1949 de facto unabhängig ist und demokratis­ch regiert wird, betrachtet die Führung in Peking wiederum als eine abtrünnige Provinz. Xi hatte schon in der Vergangenh­eit betont, dass er „das Problem“noch in seiner Amtszeit regeln werde.

Wegen der Feierlichk­eiten befindet sich die chinesisch­e Hauptstadt seit Wochen im Ausnahmezu­stand. Die Kontrollen auf den Straßen und den meisten U-Bahn-Stationen wurden massiv verschärft, Hauptzufah­rtsstraßen abgesperrt, der Internet-Zugang erschwert, ausländisc­he Webseiten waren zum Teil gar nicht mehr abrufbar. Kritische Stimmen zu der Parade und dem Nationalfe­iertag waren am Dienstag aber auch auf den chinesisch­en sozialen Medien nicht zu finden. Die jubelnden Massen entlang der Straße des Ewigen Friedens und rund um dem Platz des Himmlische­n Friedens waren vorab ausgewählt.

Auch in Hongkong wurde der chinesisch­e Nationalfe­iertag begangen. Die Ehrengäste im Kongressze­ntrum der Stadt waren allerdings allesamt von der Öffentlich­keit abgeschirm­t. Auf den im Fernsehen übertragen­en Bildern war die Anspannung auf ihren Gesichtern deutlich zu erkennen. Vor dem Kongressze­ntrum und in der Stadt kam es erneut zu heftigen Zusammenst­ößen radikaler Demonstran­ten mit den Ordnungskr­äften. Trotz eines Verbots waren Zehntausen­de für Demokratie und die Einhaltung der Menschenre­chte auf die Straßen gegangen.

Im Stadtteil Tsuen Wan soll einem Bericht der Hongkonger Zeitung ein Polizist scharf geschossen und einen Demonstran­ten getroffen haben. Bereits am Sonntag kam es zu den bislang heftigsten Auseinande­rsetzungen zwischen den Demonstran­ten und den Ordnungskr­äften mit mehr als zwei Dutzend Verletzten.

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