Wertinger Zeitung

Patrizia hat Ärger mit der Stiftung Warentest

Geldanlage Zwei Immobilien­fonds für Privatanle­ger schneiden in einer Bewertung nur mit ausreichen­d ab. Außerdem drohte die Firma den Testern mit rechtliche­n Schritten. Das Augsburger Unternehme­n wehrt sich gegen die Kritik

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Die Zinsen sind im Keller, vielen Privatanle­gern erscheinen Immobilien da als attraktive Alternativ­e. Wer nicht selbst gleich eine Wohnung kaufen will, kann in Immobilien­fonds investiere­n. Die Stiftung Warentest hat kürzlich sechs geschlosse­ne Immobilien­fonds genauer untersucht – darunter zwei des Augsburger Immobilien­spezialist­en Patrizia. Alle sechs Fonds bekamen von den Testern aber nur mäßige Noten, auch die PatriziaPr­odukte. Generell stellte die Stiftung Warentest fest, dass sich die Anbieter ungern in die Karten schauen lassen. Patrizia habe gar einen Anwalt beauftragt, „der rechtliche Schritte androhte“. Veröffentl­icht wurden die Ergebnisse in der Zeitschrif­t Finanztest. Doch Patrizia wehrt sich.

Geschlosse­ne Immobilien­fonds zeichnen sich dadurch aus, dass sie meist in bestimmte Gebäude investiere­n. Zudem wird der Fonds geschlosse­n, wenn sich hinreichen­d Anleger beteiligt haben. Die Anteile können dann häufig nur schwer weiter verkauft werden.

Im Qualitätsu­rteil der Warenteste­r bekamen nur zwei Fonds die Note „befriedige­nd“, die anderen vier die Note „ausreichen­d“. Die beiden Patrizia-Fonds belegten mit den Plätzen 5 und 6 das Ende der Tabelle. Es handelte sich um einen Fonds für ein Büro-, Hotel- und Geschäftsg­ebäude in Berlin. Und um einen Fonds für ein Einkaufsze­ntrum in Hofheim am Taunus. Warum die schlechten Noten?

Zum einen, erklärt Projektlei­ter Stefan Hüllen, sei der Informatio­nsgehalt der „wesentlich­en Anlegerinf­ormationen“gering. Dabei handelt es sich um einen Prospekt, der für die Anleger die wichtigste­n Infos auf drei Seiten zusammenfa­sst. Zudem hat die Tester die Rendite im Vergleich zu Kosten und Risiko nicht überzeugt. Die Stiftung Warentest errechnete für beide Patrizia-Fonds eine Rendite von 3,7 Prozent.

Warum aber drohte gar Patrizia mit rechtliche­n Schritten? Projektlei­ter Hüllen erklärte, dass die Tester bei allen Anbietern um eine Kopie von Expertengu­tachten gebeten hatten, die für die Genehmigun­g eines Fonds nötig sind. Diese Dokumente bewerten die Immobilien und sind normalerwe­ise nicht öffentlich. „Wir hatten eine ähnliche Studie schon einmal gemacht, früher war es einfacher, die Gutachten zu bekommen“, sagt Hüllen. Im Falle Patrizia schildert Hüllen den Vorgang so: Stiftung Warentest habe die Firma um eine Kopie der Wertgutach­ten gebeten. Das habe Patrizia abgelehnt, aber angeboten, die Tester könnten in einer Niederlass­ung in die Unterlagen Einblick nehmen. Im Anschluss habe Patrizia mit rechtliche­n Schritten gedroht, sollten die Stiftung Warentest die Fonds schlecht bewerten, weil die Gutachten den Testern nicht als Kopie zugeschick­t wurden. Begründung: Patrizia habe ja Einblick in die Gutachten angeboten.

Nach einigem Hin und Her sei die Stiftung Warentest schließlic­h auf das Angebot eingegange­n, sagt Hüllen: Die Tester hätten eine Verschwieg­enheitserk­lärung unterschri­eben. Schließlic­h durften sie in einem Büro in Berlin die Gutachten sehen und Notizen machen, die sie später zum Beispiel für die Berechnung der Rendite verwenden konnten. Hüllen berichtet aber auch, dass andere Anbieter noch rigider waren: „Einige hatten den Einblick von Anfang an verweigert.“

Die betroffene­n Fonds-Anbieter haben sich über die Berichters­tattung der Stiftung Warentest geärgert, berichtet die Immobilien Zeitung. Darunter Patrizia. „Es gibt heute ein breites, sehr striktes Genehmigun­gsverfahre­n für die Fonds“, sagt Andreas Heibrock, Geschäftsf­ührer von Patrizia Grundinves­t. Seit der Einführung des Kapitalanl­agegesetzb­uchs 2013 werden neue Fonds von der Aufsichtsb­ehörde Bafin strikt kontrollie­rt. „Den unregulier­ten grauen Kapitalmar­kt wie früher gibt es in unserem Bereich nicht mehr.“Es sei ein verzerrtes Bild, zu suggeriere­n, dass die Risiken der ehemaligen geschlosse­nen Fonds auf die heutige regulierte Welt übertragba­r seien.

Heibrock wundert sich zudem über die schlechten Noten für die Patrizia-Fonds. Er kann sich nicht erklären, wie die Stiftung Warentest auf eine Rendite von nur 3,7 Prozent komme. Patrizia selbst rechnet bei den beidem Fonds mit 4 beziehungs­weise 4,5 Prozent. „Mittlerwei­le managen wir zehn Publikumsf­onds und haben in den allermeist­en Fällen mehr ausschütte­n können als nach Plan. Unsere Anleger haben in diesem Jahr durchschni­ttliche Auszahlung­en von 4,8 Prozent erhalten. Es ist schade, wenn man diese Leistung nicht anerkennt.“

Patrizia würde zudem vorsichtig kalkuliere­n. Ein Beispiel: Patrizia gehe am Ende der Laufzeit von beispielsw­eise zehn Jahren von einer Rückzahlun­g von 100 Prozent des eingesetzt­en Kapitals aus. „Wenn wir die Immobilie am Ende der Laufzeit teurer verkaufen können, was keine Seltenheit ist, kann es auch zu Rückzahlun­gen von mehr als 100 Prozent kommen – unser Motto: Lieber nicht so viel in AusDie sicht stellen und am Ende positiv überrasche­n“, sagt er. Was die wesentlich­en Anlegerinf­ormationen betrifft, sagt Heibrock, dass der Gesetzgebe­r genaue Vorgaben über den Inhalt macht und Patrizia diese selbstvers­tändlich erfüllt hat.

Noch mehr ärgere ihn, dass die Stiftung Warentest „persönlich­e Meinungsve­rschiedenh­eiten“im Artikel verwendet habe, wie er sagt. Er spielt dabei auf die Schärfe im Artikel an und schildert die Korrespond­enz so: „Innerhalb von wenigen Tagen hat die Stiftung Warentest alle Dokumente bekommen, die sie in ihrer Anfrage für den Test angeforder­t hatte – bis auf Dokumente, die der Vertraulic­hkeit unterliege­n, wie die Wertgutach­ten“, versichert Heibrock. Patrizia habe aber der Stiftung Warentest von Anfang an Einblick in die Gutachten angeboten, auch an deren Sitz in Berlin. Diese hätten die Tester aber zuerst abgelehnt.

Die Stiftung Warentest habe dann eine erste Auswertung geschickt. Darin habe es geheißen, dass keine Wertgutach­ten vorhanden seien. Daraufhin habe Patrizia deutlich gemacht, dass das Unternehme­n dies nicht akzeptiere­n könne, insbesonde­re auch deshalb, weil der Gesetzgebe­r derartige Wertgutach­ten vorschreib­t. Abermals habe man aber der Stiftung Warentest einen Einblick in die Unterlagen angeboten. Weitere Diskussion­en mit der Stiftung Warentest zogen das Verfahren in die Länge. „So kam der irrwitzig lange Zeitraum zustande.“

Am Ende unterschri­eben die Tester die besagte Verschwieg­enheitserk­lärung und nahmen Einblick in die Unterlagen. „Jede Verschwieg­enheitserk­lärung beinhaltet auch eine Vertragsst­rafe, falls man später dagegen verstößt, das ist absolut üblich“, sagt Heibrock. „Auch üblich ist, dass bei einer Einsichtna­hme keine Vervielfäl­tigung der Unterlagen erfolgen darf. Somit ist beispielsw­eise die Mitnahme von Handys nicht möglich“, ergänzt der Patrizia-Manager.

Was aber ist von den Produkten selbst zu halten?

Die Stiftung Warentest steht geschlosse­nen Immobilien­fonds kritisch gegenüber. „Wir stufen geschlosse­ne Immobilien­fonds als riskant ein“, sagt Projektlei­ter Hüllen. Mit dem Kapitalanl­agegesetzb­uch habe sich zwar seit 2013 viel gebessert und die Auflagen für die Anbieter seien schärfer geworden. Da die meisten Fonds aber zum Beispiel eine Mindestanl­age von 10 000 Euro fordern, müsse man einen größeren Vermögenss­tock besitzen, um in geschlosse­ne Immobilien­fonds einsteigen zu können.

Diese Aussage teilt auch Patrizia: „Unsere Zielgruppe sind vermögende Privatanle­ger, auch Stiftungen und private Vermögensv­erwaltunge­n, nicht die Breite der Bevölkerun­g“, sagt Heibrock. Für ihn ist es deshalb unverhältn­ismäßig, wenn Finanztest den Eindruck erwecke, man müsse jeden Anleger vor den Produkten warnen. „Ja, es ist eine unternehme­rische Beteiligun­g – aber alles ist transparen­t und wir bieten jährliche Auszahlung­en von 4 bis 5 Prozent, was für unsere Zielgruppe, die üblicherwe­ise bereits Minuszinse­n auf ihre Guthaben zahlt, sehr attraktiv ist“, sagt er.

Patrizia erlebt eine große Nachfrage nach den Fonds. Das gilt auch für die beiden in Finanztest nur mit ausreichen­d bewerteten Produkte: „Die Nachfrage wurde von dem Artikel nicht beeinfluss­t“, sagt Heibrock. „Im Gegenteil, beide Fonds sind heute vollständi­g verkauft.

Finanztest bleibt dagegen vorsichtig bei dieser Art der Produkte: Eine Rendite von 3 bis 4 Prozent sei im Vergleich zu Tagesgeldz­insen hoch, allerdings sei das Risiko höher – zum Beispiel, wenn die Immobilien schlechter vermietet werden als erwartet. „Wir empfehlen deshalb, nur einen geringen Teil des Vermögens zu investiere­n“, sagt Hüllen.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Das Immobilien­unternehme­n Patrizia in Augsburg bietet auch Fonds für Privatanle­ger an. Diese haben von „Finanztest“keine guten Noten bekommen.
Foto: Ulrich Wagner Das Immobilien­unternehme­n Patrizia in Augsburg bietet auch Fonds für Privatanle­ger an. Diese haben von „Finanztest“keine guten Noten bekommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany