Eine Insel und ein Mädchen
Karen Köhlers etwas knarzendes Debüt
Frauen, die entrechtet werden, sich verhüllen müssen, abends die Straße nicht mehr betreten dürfen, denen das Lesen und Schreiben verwehrt ist... Davon liest man in diesem Herbst bei Margaret Atwood und ihren „Die Zeuginnen“, aber auch in Karen Köhlers Debütroman „Miroloi“, Spitzentitel im Hanser-Verlag. Auch da erlebt man wie bei Atwood eine Befreiungsgeschichte: Ausgerechnet das Findelkind mit den wenigsten Rechten von allen, nicht einmal ein eigener Name wird ihm zugestanden, begehrt gegen das Patriarchat auf. Wo aber findet das statt? Die Insel, kalkweißes Dorf, Olivenhaine, lässt sich irgendwo in der Ägäis verorten, aber zu welcher Zeit? Köhler be- schreibt eine ar- chaisch strukturierte Gesellschaft im Nirgendwo, ein Gottesstaat im Kleinen, abgekoppelt von der Gegenwart, der Drübenwelt, von der ab und zu ein Händler kommt, und von der Plastikmüll an den Strand geweht wird. Eigentümliches Setting also, eigentümlicher Roman, mit einer Protagonistin, die in 128 Strophen ihr eigenes Miroloi, ein Totenlied, singt, sich in dieser Dorfgemeinschaft mit ihrer Art zu denken tatsächlich fremd ausnimmt und nicht zur stimmigen Heldin werden kann. Karen Köhler begrenzt sich gewissermaßen selbst mit ihrer Idee, nicht aus jeder Insel wird eine spannende Welt. Aber was dieses Debüt hat, was auch ihre Erzählungen auszeichnet: ein ganz eigener, sprachlicher Zugriff.
Hanser, 464 S., 24 ¤