Wertinger Zeitung

Die Frau, die niemals aufgibt

Biografie Elf Jahre ist es her, dass Frohnatur Gaby Köster einen Schlaganfa­ll erlitt. Mit viel Geduld und Humor kämpft sie sich zurück ins Leben. Das ist nicht immer einfach

- VON TILMANN P. GANGLOFF

Köln Nicht nur in Köln ist das Prädikat „Rheinische Frohnatur“ein Gütesiegel. Und wenn es je einen Menschen gegeben hat, auf den diese Bezeichnun­g zutrifft, dann ist das Gaby Köster. Nicht nur die Fans der Ur-Kölnerin und Titeldarst­ellerin der früheren RTL-Serie „Ritas Welt“waren erschütter­t, als bekannt wurde, dass sie 2008 einen Schlaganfa­ll hatte und ihre Karriere beendet schien. Äußerlich ist sie seither nicht mehr die Alte, aber bei den wenigen Fernseh-Auftritten, die sie absolviert, kann man sich zumindest davon überzeugen, dass die Komödianti­n nichts von ihrem Temperamen­t eingebüßt hat.

Auch deshalb ist die 57-Jährige ein Vorbild für viele Menschen, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben: weil sie sich nie unterkrieg­en ließ. Ihr Körper hat sich verändert, er ist teilweise gelähmt, der linke Arm ist zu nichts mehr zu gebrauchen, und für längere Strecken braucht sie einen Rollstuhl, denn auf das linke Bein ist kein Verlass mehr; aber ihre Lebensfreu­de hat sie sich durch den „drecksdris­seligen Schlaganfa­ll“nicht nehmen lassen.

Um das Erlebte zu verarbeite­n, hat Köster gemeinsam mit Till Hoheneder die Autobiogra­fie „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“(2011) geschriebe­n. Aus dem Buch ist schließlic­h ein ausgezeich­neter Film geworden. Vor vier Jahren hat Köster den biografisc­hen Roman „Die Chefin“veröffentl­icht, in dem eine Rocksänger­in einen Schlaganfa­ll hat; aus Rock’n’Roll wird „Rock’n’Rollstuhl“. Mit ihrem dritten Werk ist sie nun wieder ganz bei sich selbst: „Das Leben ist großartig“ist die Fortsetzun­g zum Schnupfenb­uch und berichtet, wie es ihr seit 2011 ergangen ist.

Erneut lässt Gaby Köster ihre Leser so nah wie möglich an sich ran. Natürlich steht ihr eigenes Leben im Mittelpunk­t; trotzdem kreist sie bei den Schilderun­gen nicht um sich selbst. Im ersten Kapitel, „Abschied vom Kind“, berichtet sie zwar freimütig vom Mutter-Blues, der sie überfiel, als sich Sohn Donald abgenabelt hat und für längere Zeit nach Südamerika gereist ist. Nach dem Schlaganfa­ll hatte sie nicht mehr weinen können; entspreche­nd verblüfft war sie, als sich beim Abschied ein regelrecht­er Staudamm öffnete. Umso euphorisch­er ist Kapitel zwei, als Köster 2018 nach New York fliegt, um die Verfilmung ihrer ersten Biografie zu feiern, und die Stadt in vollen Zügen genießt.

Ansonsten jedoch befasst sich die Komödianti­n mit Themen, die überhaupt nicht lustig sind – aber wenn sie beschreibt, wie schwierig es ist, mit nur einem funktionst­üchtigen Arm einen BH anzuprobie­ren, ist das eben trotzdem einfach saukomisch. Sie musste außerdem feststelle­n, dass das Leben auch für Prominente nicht barrierefr­ei ist und man in den meisten Geschäften mit einem Rollstuhl nicht weit kommt; vom Weihnachts­markt ganz zu schweigen.

Ein verärgerte­r, aber trotzdem amüsanter Seitenhieb gilt rücksichts­losen Mitmensche­n, die mit ihren „Stadtförst­erkutschen“gleich zwei Behinderte­nparkplätz­e blockieren, weil sie angeblich „nur kurz was abholen“wollen. Selbst die meisten Bühnen haben keine Rollstuhlr­ampe, wie die Kölnerin feststelle­n musste, als sie mit dem Programm „Sitcom“erstmals wieder auf Tour ging. Weil sie das alles dennoch gut gelaunt erzählt, sind selbst solche Erfahrunge­n eher witzig als motzig. Das gilt auch für die Beschreibu­ng ihres eigenen Zustands: Sie sei dem Teufel zwar noch mal von der Schippe gesprungen, „allerdings mit dauerhafte­m Dachschade­n“.

Jedes Kapitel beginnt mit einer Hommage von Freunden, Weggefährt­en und Kollegen; Mike Krüger tituliert Köster voller Respekt als „Naturgewal­t“. Alle schildern und schätzen sie als eine Frau, die nie aufgibt: „Sie hat sich entscheide­n weiterzule­ben, weil sie noch nicht fertig war mit dem Leben“, sagt Schauspiel­erin Anna Schudt. Diese Haltung bestätigt die Komödianti­n auch in ihrem Buch: „So lange man Träume noch leben kann, lohnt es sich, die Hoffnung, das Positive und den Glauben an die schönen Dinge des Lebens nicht aufzugeben.“Kein Mensch sei nutzlos, „nur weil er einen Arm oder ein Bein nicht mehr richtig bewegen kann“, niemand sollte sich sein Leben von einer Krankheit diktieren lassen.

Die Botschaft ist klar: Genießt euer Leben, macht das Beste draus! Wer zu viele Pläne schmiedet, verpasst den Augenblick! Das klingt banal, aber die Verpackung ihres Appells ist auch dank vieler witziger Kalauer nie verbittert, sondern ausschließ­lich heiter. Köster räumt allerdings ein, dass es auch in ihrem Leben Tage gibt, an denen alles in trostlosem Grau versinkt, weil eine behinderte Frau von Mitte 50 selbst mit Promi-Status auf dem Liebesmark­t nur schwer vermittelb­ar ist. Auf der Online-Plattform Tinder hat sie es probiert – aber davon kann sie nur abraten. „Ich kann dieses Portal absolut nicht empfehlen. Da sind meistens liierte Kerle, die nur das schnelle Abenteuer suchen“, sagte sie jetzt in einem Interview mit dem Kölner Express. „Für mich war das Erfahrung genug, ich suche jetzt wieder lieber analog.“Und schon geht der Blick wieder nach vorn, denn: „Not und Elend können auch kreativ und erfinderis­ch machen.“Deshalb notiert sie in ihrem Tagebuch all die schönen Dinge, die ihr passieren: weil es oft Kleinigkei­ten sind, die einem aus dem Dunkeln helfen können. Die Künstlerin hat ihr Schicksal angenommen. „Zum Aufgeben fehlen mir die Zeit und die Lust“, sagt sie.

 ?? Foto: Imago Images ?? Die Komikerin Gaby Köster hat trotz ihres Handicaps nicht aufgegeben. In ihrer neuesten Autobiogra­fie beleuchtet sie ihren Alltag mit Behinderun­g – und versucht dabei, die Lebensfreu­de nicht zu verlieren. Im Januar 2008 musste sie ihre Tournee „Wer Sahne will, muss Kühe schütteln“wegen eines Schlaganfa­lls abbrechen.
Foto: Imago Images Die Komikerin Gaby Köster hat trotz ihres Handicaps nicht aufgegeben. In ihrer neuesten Autobiogra­fie beleuchtet sie ihren Alltag mit Behinderun­g – und versucht dabei, die Lebensfreu­de nicht zu verlieren. Im Januar 2008 musste sie ihre Tournee „Wer Sahne will, muss Kühe schütteln“wegen eines Schlaganfa­lls abbrechen.

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