Wenn der Sessel plötzlich vibriert
DJONATHAN MAYER ie Zukunft ist jetzt! Zumindest wenn man vielen Filmbranchenkennern Glauben schenken will. Denn nach dem längst wieder schwächelndem 3D-Hype der vergangenen Jahre, in dem sich dem Zuschauer plötzlich selbst so manche Kussszene mittelmäßiger Romanzen dreidimensional aufzwängte, haben die Branchen-Gurus die neue Zukunftstechnologie gefunden: Der Motion Seat.
Seit ein paar Jahren lässt sich auf ihm Kino neu erleben. Zumindest, wenn man dem Werbesprech glaubt. Wer bereit ist, sechs Euro Aufpreis zum normalen Kinoticket zu zahlen, bekommt auf dem Motion Seat einen Platz an der digitalen Sonne: Mehr Beinfreiheit, zwei eigene (!) Armlehnen und das Vergnügen, bei jeder Actionszene panisch zu erschrecken, wenn plötzlich ungehemmt der Sitz unterm Hintern zu vibrieren beginnt.
Zu schade für alle schreckhaften Menschen oder solche mit Herzproblemen. Denn für die sind die plötzlichen Ruckler des Kinosessels von heute und morgen wohl eher ungeeignet. Kurios ist das Erlebnis auf jeden Fall: Bei „Fast and Furious“neigt sich der Sessel passend zu den engen Kurven auf der Leinwand abwechselnd nach links und rechts, bei „John Wick“und „Rambo“vibriert der Motion Seat im Takt des Gewehrfeuers. Und in Horrorfilmen á la „Es“oder „Annabelle“lehren die plötzlichen und meist viel zu starken Vibrationen den Zuschauer, was echter Horror ist.
Fragt man sich nur, was als nächstes kommt. Wenn sich nun schon der Sessel mitbewegt, schauen wir Filme bald vielleicht nur noch mit Virtual-Reality-Brille auf dem Kopf. Der Kuss der mittelmäßigen Romanze wird aus nächster Nähe und mit vibrierendem Untersatz sicher noch erlebenswerter. Einen Vorteil hat die VR-Brille allerdings: Im Zweifel kann man einfach wegschauen.