Gemeinsam statt einsam
Initiative Der frühere Manager Gerhard Brecht will zusammen mit der Stadt in Dillingen eine Seniorengemeinschaft gründen. Welche Vorteile eine solche Einrichtung für ältere Menschen haben soll
Gegenseitige Hilfe im Alter ist genau das, was Senioren brauchen. Deshalb ist Gerhard Brechts Initiative, in Dillingen eine Seniorengemeinschaft zu gründen, Erfolg zu wünschen. Die Idee dahinter überzeugt: Was einer allein nicht schafft, das können mehrere Senioren gemeinsam erreichen. Wer gesundheitliche Probleme hat und nicht mehr Rasen mähen kann, ist vielleicht in der Lage, Hemden zu bügeln. Und wer nicht weiß, wie man mit dem Computer umgeht, kennt vielleicht die Lösung für die streikende Spülmaschine. Rüstige Senioren können für andere Aufgaben übernehmen und sich diese Leistungen entweder ausbezahlen oder auf einem Zeitkonto gutschreiben lassen. Wenn sie selbst später nicht mehr in der Lage sein sollten, bestimmte Arbeiten zu erledigen, können sie wiederum Hilfe der Seniorengemeinschaft in Anspruch nehmen. Großes Ziel ist es, dass ältere Menschen so möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung zu Hause wohnen können. Dies ist ein Stück Lebensqualität.
Die Seniorengemeinschaft hat ein weiteres großes Plus: Sie vertreibt die Einsamkeit, die viele Menschen im Alter heimsucht. Gemeinsam statt einsam, so lautet das Motto – in Dillingen wie schon seit längerem in Wertingen und Buttenwiesen.
Dillingen Als Gerhard Brecht im Dillinger Stadtsaal mit seinem Vortrag beginnt, ist er sichtlich fasziniert. „Ich bin etwas erschlagen von dem, was in Dillingen alles passiert“, sagt der Hausener. Oberbürgermeister Frank Kunz hat in der Bürgerversammlung zuvor über die vielen Millionenprojekte in der Kreisstadt gesprochen – vom Neubau der Mittelschule bis zum Haus der Wirtschaft. Wenn das kommen sollte, wofür sich Brecht engagiert, könnte das ebenfalls ein Mehr an Lebensqualität in Dillingen bringen: Der einstige Manager eines Münchner Unternehmens will im kommenden Jahr in Dillingen zusammen mit der Stadt eine Seniorengemeinschaft gründen. Und das Ziel zeigt der 64-Jährige exemplarisch mit dem letzten Foto seiner Präsentation: lächelnde Senioren, die ganz offensichtlich zufrieden in einer Gemeinschaft ihren Lebensabend verbringen.
Brechts Planung wirkt sehr fundiert. Der ehemalige Geschäftsführer hat sich, wie er unserer Zeitung mitteilt, Gedanken gemacht, wie er sich nach einem erfüllten Berufsleben weiter sinnvoll in der Gesellschaft einbringen kann. Und beim Nachdenken ist Brecht mit seiner Frau und den beiden Söhnen auf das Thema Senioren gekommen. Der 64-Jährige zeigt Folien zur demografischen Entwicklung in der Kreisstadt. „2030 wird jeder dritte Dillinger über 65 Jahre alt sein“, erläutert der Referent.
Die Ansprüche der älteren Mitbürger seien im Gegensatz zu früheren Zeiten gestiegen. „Senioren wollen heute möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden wohnen“, sagt Brecht. Und sie wollen nicht einsam sein, sondern aktiv sein und Kontakte haben.
Zu einem selbstbestimmten Leben im Alter könne eine Seniorengemeinschaft beitragen, ist der Hausener überzeugt. In diesem Verein sollen sich Mitglieder in einem verbindlich organisierten Rahmen gegenseitig Unterstützung bieten. „Der Verein bietet Senioren die ein selbstbestimmtes Leben zu führen, auch wenn sie auf Hilfen angewiesen sind“, sagt der 64-Jährige.
Vorbild für Brecht ist die Seniorengemeinschaft Wertingen-Buttenwiesen, die hervorragend funktioniere. Die Vorteile lägen auf der Hand. In einer Seniorengemeinschaft bieten Mitglieder eines Vereins kostengünstig alltagsnahe Hilfen an. Das erfülle den Anbieter der Leistung und helfe dem Empfänger, der dadurch länger in seinem heimischen Umfeld bleiben könne. Die Leistungen reichen vom Fahrdienst über handwerkliche Hilfen bis zum Straße kehren und Winterdienst
(siehe Info-Kasten).
Auch Auskünfte zur Organisation des Alltags, zu Steuerfragen und staatlichen Unterstützungsleistungen sollen gegeben werden. Die gemeinsame Freizeitgestaltung mit sportlichen Aktivitäten und geselligem Beisammensein soll ebenso eine Rolle spielen wie die Weiterbildung zu Themen wie Internet und Gesundheit.
Die Seniorengemeinschaft arbeite ohne Gewinnabsicht, eine Arbeitsleistung könne nur von Mitgliedern für Mitglieder erbracht werden, erläutert der Ex-Manager. Wer über das einzurichtende Büro des Vereins eine Leistung in Anspruch nimmt, bezahlt nach dem derzeitigen Modell zehn Euro pro Stunde. Davon gehen acht Euro an das Mitglied, das die Leistung erbracht hat. Und zwei Euro behält die Seniorengemeinschaft für die Organisation. Der Leistungserbringer könne sich das Geld auszahlen lassen – oder seine Arbeit als Guthaben für Zeiten anMöglichkeit, sammeln, in denen er selbst auf die Hilfe anderer angewiesen sein wird. Am Schluss zeigt Brecht das Foto mit glücklichen, älteren Menschen. „Mein Ziel ist eine lebensfrohe Seniorengeneration in Dillingen“, sagt der Initiator, der mit Helga Hipp und Sigrid Mack bereits zwei Mitstreiterinnen gefunden hat. Und er fordert Besucher der Bürgerversammlung auf, dass sie sich mit ihren Talenten bei der Seniorengemeinschaft einbringen sollen. Brecht, der für seinen Vortrag am Ende Beifall erhält, sagt: „Machen Sie mit, Sie haben selbst etwas davon.“
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Interessierte, die bei der Gründung der Dillinger Seniorengemeinschaft mitwirken wollen, treffen sich am Donnerstag, 24. Oktober, um 14.30 Uhr im Café Holzbock in Dillingen. Fragen beantworten Helga Hipp, Telefon 09071/3355, Sigrid Mack, 09071/8378, und Gerhard Brecht, 09071/8871.
2030 ist jeder dritte Dillinger über 65 Jahre alt