Auf dem Sprung
Alle rechnen damit, dass Malaika Mihambo bei der Leichtathletik-WM Gold holt. Dabei schien ihre Karriere schon fast beendet. Die Geschichte einer Frau, die nicht aufgibt
Den ganzen Tag nur in eine Sandgrube zu hüpfen, ist Malaika Mihambo dann doch etwas zu wenig. Die Leichtathletin aus Heidelberg näht auch ganz gerne, sie meditiert, spielt Klavier, studierte neben ihrer Karriere Politikwissenschaften und macht derzeit ihren Master in Umweltwissenschaften an einer Fern-Uni. Im vergangenen Jahr reiste sie mit einem Rucksack quer durch Indien. „Ich bin allein als Frau in ein mir komplett fremdes Land gefahren. Das hat mich natürlich Überwindung gekostet. Aber ich stelle mir gerne solche Aufgaben und versuche, daran zu wachsen.“
Ihre aktuelle Aufgabe findet vor einem deutlich größeren Publikum statt. Denn die 25-Jährige ist mit 7,16 Metern im Weitsprung momentan die Nummer eins der Welt. Sie hat alle Wettkämpfe in dieser Saison gewonnen, teils mit großem Vorsprung. Das macht Mihambo, deren Vater aus Sansibar stammt, automatisch zur Favoritin, wenn bei der Leichtathletik-WM in Doha die Weitsprung-Qualifikation ansteht. Das weiß das Leichtgewicht mit der enormen Sprungkraft, lässt sich davon aber nicht beeindrucken. Ganz im Gegenteil. In gewisser Weise wäre sie sogar enttäuscht, wenn es mit Gold nicht klappt, sagte sie im Vorfeld. „Ich weiß, dass ich momentan die Stärkste bin.“Trotzdem lässt sie sich von außen keinen Druck auferlegen. „Ich habe gelernt, mich von Bildern und Konzepten über mich freizumachen“, sagt sie. Natürlich erwarte jeder inzwischen fast automatisch, dass sie über die magische Sieben-MeterMarke springt. „Wenn nun aber der Tag X in Doha kommt, an dem nichts zusammenläuft, wäre es schade, aber kein Weltuntergang“, sagte sie dem Sportbuzzer. Denn selbstverständlich sind diese Erfolge und Leistungen speziell für Mihambo nicht. Nach den Olympischen Spielen in Rio 2016, wo sie Vierte wurde, zog sie sich eine schwere Fußverletzung zu und musste sich in Gedanken schon mit dem Karriereende beschäftigen. Doch mit eisernem Willen meisterte sie die Situation und kehrte, was viele Athleten nicht schaffen, besser zurück als je zuvor. Im vergangenen Jahr holte sie bei der Heim-EM in Berlin Gold und ist jetzt dabei, für sich die Frage zu beantworten: „Wo liegt meine Grenze?“Momentan lautet die Antwort darauf: „Da ist schon noch einiges drin.“
Mit der WM in der Wüste kann sie abseits des sportlichen Wettbewerbs allerdings eher wenig anfangen. „Ich finde so etwas nicht gut, ich finde es fragwürdig. Ich finde, soziale, politische und die UmweltAspekte sollten bei der Vergabe mit einbezogen werden“, sagte die Sportlerin von der LG Kurpfalz.
Egal, wie das Abenteuer Doha endet, eines ist klar: Danach geht Mihambo wieder auf Entdeckungsreise, diesmal nach Thailand. Sie freue sich zwar sehr auf die WM, sehne aber auch eine Pause herbei. Körper und Geist benötigten dringend eine Auszeit. Andreas Kornes