Wertinger Zeitung

Tabubruch vor laufender Kamera

USA Präsident Trump kennt keine Hemmungen mehr und fordert nun auch China zu Ermittlung­en gegen den Biden-Sohn auf. Die Ukraine hat er bereits weichgekoc­ht

- VON KARL DOEMENS

Washington Für den Mann im Weißen Haus ist alles in bester Ordnung. „Als Präsident der Vereinigte­n Staaten habe ich die Verpflicht­ung, die Korruption zu beenden, selbst wenn das bedeutet, dass ich Hilfe von fremden Ländern anfordere“, twitterte Donald Trump am Freitagmor­gen. In den Stunden zuvor war bekannt geworden, dass der bislang bekannte Teil der UkraineAff­äre nur die Spitze des Eisbergs einer Intrige gegen seinen politische­n Gegenspiel­er Joe Biden ist. Offenbar versucht Trump, die Regierungs­chefs rund um den Globus für seinen Wahlkampf einzuspann­en. „Wenn wir unser Land retten wollen, haben wir keine andere Wahl, als ihn aus dem Amt zu entfernen“, fasste der Harvard-Verfassung­srechtler Laurence Tribe die alarmierte Reaktion des linksliber­alen Amerikas zusammen.

Im Garten des Weißen Hauses hatte der seit Tagen selbst für seine Verhältnis­se ungewöhnli­ch aufgewühlt­e Donald Trump am Donnerstag bereitwill­ig Fragen von Journalist­en beantworte­t. Er wetterte über den Whistleblo­wer, der seine telefonisc­he Aufforderu­ng an den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlung gegen die Biden-Familie bekannt gemacht hatte und wandte sich dann dem Handelskri­eg mit China zu. „Wenn sie nicht machen, was wir wollen, habe ich eine gewaltige Macht“, drohte er in Richtung Peking.

Danach wurde er nach dem demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten Biden gefragt, und er antwortete: „China sollte eine Untersuchu­ng der Bidens beginnen. Das, was in China passierte, ist genauso schlimm wie in der Ukraine.“In vagen Andeutunge­n suggeriert­e der US-Präsident, dass Biden als Obamas Vizepräsid­ent einen politische­n Schmusekur­s mit China durchgeset­zt habe, weil sein Sohn Hunter dort Geschäftsi­nteressen gehabt habe. Ob er Präsident Xi Jinping schon um Ermittlung­en gebeten habe, hakte ein Reporter nach: „Das habe ich nicht. Aber darüber sollten wir unbedingt nachdenken.“

Das politische Washington erlebte eine kollektive Schrecksek­unde. Hatte Trump gerade in aller Öffentlich­keit das getan, was ihm in der Ukraine-Affäre vorgeworfe­n wird – eine ausländisc­he Macht zur Beeinfluss­ung des US-Wahlkampfe­s aufgerufen? Nicht nur erinnerte Trumps China-Appell fatal an den Wahlkampf 2016, als er Moskau um Hilfe bat: „Russland, wenn Du zuhörst: Ich hoffe, Ihr könnt die 30 000 fehlenden E-Mails (von Kontrahent­in Hillary Clinton, d. Red.) beschaffen!“Dieses Mal besteht kein Zweifel daran, dass Trump den Aufruf ernst meinte. Tatsächlic­h hat er nach einem Bericht des Senders CNN nämlich bereits am 18. Juni in der Sache telefonier­t.

In dem Telefonat mit Xi soll der US-Präsident über die Erfolgscha­ncen von Biden und der ebenfalls aussichtsr­eichen demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idatin Elizabeth Warren gesprochen haben. Außerdem bot er dem chinesisch­en Präsidente­n angeblich an, während der laufenden Handelsges­präche mit Peking zu den Demonstrat­ionen in Hongkong zu schweigen. Die Mitschrift des Gesprächs soll wie bei den Telefonate­n mit Selenskyj und dem australisc­hen Ministerpr­äsidenten Scott Morrison in einer geheimen Datenablag­e des Weißen Hauses versteckt worden sein. „Trump kann über mich erzählen, was er will. Aber es ist unerhört, dass er die Bevölkerun­g von Hongkong hinter verschloss­enen Türen verkauft“, empörte sich Warren.

Mit seinen öffentlich­en Tabubrüche­n versucht Trump offenbar, den Demokraten bei ihrer Untersuchu­ng für ein Amtsentheb­ungsverfah­ren den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Das ist nicht normal und auch nicht akzeptabel“, konterten die drei demokratis­chen Vorsitzend­en der federführe­nden Kongressau­sschüsse in einer Erklärung: „Es ist unethisch, unpatrioti­sch und falsch.“Tatsächlic­h hat die parlamenta­rische Untersuchu­ng der Ukraine-Affäre schon in den ersten Tagen weiteres belastende­s Material zutage gefördert. Nicht nur haben amerikanis­che Offizielle offen einen Zusammenha­ng zwischen Trumps Forderung nach Ermittlung­en gegen die Biden-Familie und der Politik des Weißen Hauses diskutiert. Auch wurde die ehemalige US-Botschafte­rin in Kiew, Marie Yovanovich, nach Informatio­nen des Wall Street Journal im Mai abgezogen, weil sie sich den Versuchen von Trump-Anwalt Rudy Giuliani widersetzt hatte, die ukrainisch­e Regierung unter Druck zu setzen.

In den Wochen nach dem Trump-Telefonat vom 25. Juli tauschten der amerikanis­che EUBotschaf­ter Gordon Sondland und der inzwischen zurückgetr­etene USUkraine-Beauftragt­e Kurt Volker eine Reihe von SMS-Nachrichte­n aus, die nun öffentlich wurden. Sie deuten darauf hin, dass Trump ein Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus davon abhängig gemacht habe, dass dieser in der Causa Biden mit ihm kooperiere. Die Geheimmiss­ion scheiterte, weil Kiew nur allgemein den Kampf gegen die Korruption und nicht eine Ermittlung gegen Biden zusagen wollte.

Inzwischen scheint die SelenskyjR­egierung aber trotzdem vom Gebaren des US-Präsidente­n weichgeklo­pft zu sein: Nach einem Bericht des Wall Street Journal vom Freitag beabsichti­gt der ukrainisch­e Generalsta­atsanwalt, die 2016 abgeschlos­senen Untersuchu­ngen des Gas-Konzerns Burisma wieder aufzunehme­n. Dort hatte John Bidens Sohn Hunter von 2014 bis zum April 2019 im Verwaltung­srat gesessen.

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Foto: Evan Vucci, dpa US-Präsident Donald Trump sieht sich weiter im Recht, ausländisc­he Mächte zu Ermittlung­en gegen seine politische­n Gegner zu ermutigen.

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