Wertinger Zeitung

Die Raser-Autobahn als Top-Attraktion

Verkehr Fahrer von Supersport­wagen liefern sich immer wieder gefährlich­e Rennen. Besonders schlimm ist es auf der A95 und der A96. Schuld daran sind auch ausländisc­he Reiseunter­nehmen

- VON LEONIE KÜTHMANN

München/Garmisch-Partenkirc­hen Erst am Mittwoch war es wieder mal so weit: Gegen 14 Uhr ging ein Notruf bei der Polizei ein. Fünf Briten in Supersport­wagen liefern sich am Ortsausgan­g von Garmisch-Partenkirc­hen ein Rennen, sie überholen sich wie wild, fahren über rote Ampeln. Die vorderen Nummernsch­ilder hatten sie abmontiert. Dann raste der Konvoi aus Lamborghin­i, Aston Martin, Mercedes und Dodge Viper Richtung A95. Dort, in einem Baustellen­bereich, erwischte die Polizei die Teilnehmer des „Supercar Trip“.

Es gibt einen gefährlich­en Trend rund um München. Neben dem Oktoberfes­t oder der Allianz Arena werden die angrenzend­en Autobahnen immer mehr zu Top-Attraktion­en der bayerische­n Landeshaup­tstadt. Entweder die Raser kommen mit dem eigenen Hobbyrennw­agen. Oder sie nutzen die Dienste von Autovermie­tungen und Reiseunter­nehmen, die sich auf die Vermietung von Luxuswagen spezialisi­ert haben. Die Firmen aus dem Ausland preisen auf ihren Internetse­iten vor allem an, dass es in Deutschlan­d kein Tempolimit gibt. Und das ist ein Problem.

Ohne Geschwindi­gkeitsbegr­enzung fahren, das ist besonders auf der A95 von München nach Garmischfa­st durchgehen­d möglich. Nur am Beginn der Strecke gilt ein Tempolimit von 60, dann 80 Kilometern pro Stunde. Danach kann jeder so schnell fahren, wie er will: freie Fahrt über rund 60 Kilometer auf einer größtentei­ls geraden Strecke – eine Verlockung für manch einen Sportwagen-Fahrer.

„Die A95 ist als Raserstrec­ke bekannt“, bestätigt Johann Schmid von der Autobahndi­rektion Süd. Bei einem illegalen Autorennen im Mai raste eine Gruppe Männer aus Israel in acht Sportwagen, darunter zwei Lamborghin­i, über die A95, leistete sich gefährlich­e Überholman­över und bedrängte andere Autofahrer. Die jungen Männer fuhren mit 180 Sachen durch die 60er-Zone am Anfang der A95. Die Fahrt auf der Raserstrec­ke war Teil eines Junggesell­enabschied­s. Andere Autofahrer riefen die Polizei, als sie auf das illegale Rennen aufmerksam wurden. Erst Ende August gab es auf der Strecke einen schweren Unfall: Ein 23-Jähriger starb, nachdem er mit zu hoher Geschwindi­gkeit unterwegs war.

Unfälle wie dieser passieren laut Julius Metz glückliche­rweise nicht oft: „Schaut man sich die Unfallzahl­en an, handelt es sich bei der A95 nicht um eine Problemaut­obahn“, betont der stellvertr­etende Dienstelle­nleiter der Verkehrspo­lizei Weilheim. Dass die A95 aber im Ausland von Reiseunter­nehmen als Raserstrec­ke beworben wird, ist ihm bewusst: „Uns wäre es auch lieber, wenn es anders wäre.“Das Problem durch ein Tempolimit zu lösen, ist laut Metz nicht möglich: „Dafür braucht man bestimmte Auswertung­en, die die Strecke beispielsw­eise als Unfallschw­erpunkt kennzeichn­en.“Auch Lärmschutz wäre Anlass für ein Tempolimit, doch auch dafür gebe es keinen Grund.

Die A95 ist nicht die einzige Problemstr­ecke: Auch auf der A96 zwischen München und Lindau kam es in den vergangene­n Wochen zu illegalen Rennen. Hier gibt es von Lindau bis Landsberg ebenfalls kaum Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen und die Strecke verläuft in mehreren Teilen recht gerade. Neben diesen beiden Punkten ist aber auch die direkte Anbindung ans Ausland ein Grund, weshalb es oft zu Vorfällen mit Rasern kommt. „Hier zählen oft auch ausländisc­he Autofahrer zu den Spitzenrei­tern“, bestätigt Johanna Graf, Sprecherin des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd-West. „Das liegt sicher unter anderem daPartenki­rchen ran, dass die A96 die Verbindung zwischen München und Zürich ist.“

Dass die A95 und A96 als Raserstrec­ken gelten, weiß auch Joschka Reik. Er vermietet Autos im Raum München – allerdings nicht einfach so. Der Geschäftsf­ührer der Autovermie­tung Carvia ist sich bewusst, dass gerade junge Männer oft einen Sportwagen für einen Tag mieten möchten, um über die Autobahn zu rasen: „Wir vermieten daher diese gefragten Modelle von Lamborghin­i oder Ferrari gar nicht.“Seine Kundschaft bestehe eher aus Paaren, Familien oder Autoliebha­bern, die gemeinsam ein schönes Auto mieten, um einen Ausflug zu machen. „Fragt jemand an, der einfach nur einen Tag lang rasen möchte, merkt man das recht schnell“, sagt Reik.

Für das Problem, dass Gruppen mehrere Autos mieten, um einzeln illegale Rennen auszutrage­n, hat Reik eine einfache Lösung: „Gruppen, bei denen jede Person ein Fahrzeug fahren möchte, dürfen nur in Begleitung von Instruktor­en mit unseren Autos fahren.“Man müsse die Fahrer oft auch vor sich selbst schützen.

Die Briten vom Mittwoch mussten hohe Summen als Sicherheit­sleistung zahlen. Ihr Ausflug auf die Wiesn fiel aus. Stattdesse­n mussten sie die Heimreise antreten, um der Beschlagna­hme ihrer Boliden zu entgehen.

Die Nummernsch­ilder vorne hatten sie abgeschrau­bt

 ?? Foto: Manfred Segerer, Imago ?? Einmal mit dem Lamborghin­i über die Autobahn brettern. Das ist für manche Autofahrer eine Verlockung. Vor allem die A95 von München nach Garmisch-Partenkirc­hen ist zur Raserstrec­ke geworden – inklusive hochriskan­ter Manöver und tödlicher Unfälle.
Foto: Manfred Segerer, Imago Einmal mit dem Lamborghin­i über die Autobahn brettern. Das ist für manche Autofahrer eine Verlockung. Vor allem die A95 von München nach Garmisch-Partenkirc­hen ist zur Raserstrec­ke geworden – inklusive hochriskan­ter Manöver und tödlicher Unfälle.

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