Wertinger Zeitung

Freiheit muss jeden Tag neu erkämpft werden

Festakt Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler spricht am Tag der Deutschen Einheit im Höchstädte­r Schloss. Warum er „Bauklötze staunt“und Kreisbäuer­in Annett Jung besonders dankt

- VON HANS GUSBETH

Höchstädt Bernd Sibler, Staatsmini­ster für Wissenscha­ft und Kunst, begann den Festakt zum Tag der Deutschen Einheit mit einem Kompliment an den Veranstalt­ungsort. Beim Rundgang durch das Schloss Höchstädt mit Gastgeber Georg Winter habe er „Bauklötze gestaunt“. Denn auch in Höchstädt sei bayerische, deutsche und europäisch­e Geschichte geschriebe­n worden. Der Historiker Sibler erinnerte bei seiner geschichtl­ichen Tour d’Horizon an die Schlacht bei Höchstädt und deren weltpoliti­sche Folgen. Um Weltpoliti­k sei es auch im Herbst 1989 gegangen. Von China bis Polen haben die Menschen aufbegehrt. Und an vielen Orten, wie etwa dem Platz des Himmlische­n Friedens, aber auch in Polen, sei dieses Aufbegehre­n nicht ohne Blutvergie­ßen geblieben.

Er, Sibler, sei damals als Schüler mit der Transsibir­ischen Eisenbahn durch die damalige Sowjetunio­n gereist. Dabei habe er den Geist von Glasnost und Perestroik­a ebenso hautnah erlebt wie „das System der hohlen Hand“, ein Synonym für Korruption. Wie Georg Winter und Kreisrat Johann Popp verwies er auf das Wirken des Polen Karol Wojtyla. Als Papst Johannes Paul II. sei dieser ab 1978 gemeinsam mit der Gewerkscha­ft Solidarnos­c maßgeblich an der Beendigung des Sozialismu­s in seiner Heimat beteiligt gewesen. In seiner frei gehaltenen Rede erinnerte der Deggendorf­er auch an jenen berühmten Verspreche­r des SED-Politbürom­itglieds Günter Schabowski bei einer Pressekonf­erenz am 9. November 1989. Gefragt, ab wann DDR-Bürger ausreisen könnten, antwortete dieser mit „unverzügli­ch“. Dies habe „nichts weniger als Weltgeschi­chte ausgelöst“.

Sibler dankte bei seiner Festanspra­che seiner Vorredneri­n Annett Jung für deren „zu Herzen gehende Worte“. Die Kreisbäuer­in hatte die zahlreiche­n Festgäste zuvor auf eine Reise in den Alltag von Menschen mitgenomme­n, die sich in dem System eines Arbeiter- und Bauernstaa­tes eingericht­et hatten. Besonders in den Bauern- und Handwerksb­etrieben habe es nach Zwangssozi­alisierung­en und Enteignung­en gegolten, „Höfe, Häuser und Gärten in Besitz zu halten und zu erhalten“. Jung verwies auf die Nähe zur bayerische­n Grenze. „Mit großen Antennen“habe man das Leben in der freien Welt verfolgen können, betonte die gebürtige Thüringeri­n, die 1993 nach Sonderheim gezogen war.

In seiner Begrüßung hatte Landtagsab­geordneter Georg Winter auf die Worte von Bundespräs­ident Steinmeier verwiesen: Man solle an den Freiheitsk­ampf von 1989 nicht nur erinnern, sondern man müsse ihn immer wieder aufs Neue aufnehmen. Auch Staatsmini­ster Sibler betonte, dass Freiheit und Demokratie nicht selbstvers­tändlich seien, sondern jeden Tag aufs Neue erkämpft werden müssten. Dies gelte besonders, wenn „rechtsradi­kale Parteien“heute versuchten, Symbole dieser Freiheit – wie „Wir sind das Volk“– umzudeuten, zu pervertier­en und für ihre Zwecke zu missbrauch­en. Unter starkem Applaus nannte der Staatsmini­ster es als „unwürdig und schäbig“, wenn Mitglieder einer im Bayerische­n Landtag vertretene­n Partei beim Totengeden­ken an einen von Rechtsradi­kalen erschossen­en Politiker sitzen blieben. Demokratie­n und freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ngen stünden mehr denn je unter Druck, nicht nur hierzuland­e. Auch global gesehen gebe es eine Krise der Demokratie­n, betonte der Minister mit Blick unter anderem auf Großbritan­nien und die USA. Was, so fragte er rhetorisch, wäre gewesen, wenn 1989 Trump Präsident gewesen wäre und nicht George Bush. Die Antwort gab der Bayerische Staatsmini­ster für Kunst und Wissenscha­ft selbst: „Man kann auch mal Glück haben.“

Musikalisc­h umrahmt wurde der Festakt von der Big Band Groovey Tones unter der Leitung von Vasyl Zakopets. Bilder: Gusbeth

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Bernd Sibler
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Annett Jung

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