Danken statt jammern
Morgen ist Erntedankfest. Viele Kirchen werden mit Erntegaben geschmückt, mit Obst, Gemüse, Getreide und Blumen, mancherorts mit Erntekronen oder -wagen. Beeindruckend sind liebevoll gestaltete Erntedankteppiche aus Körnern, Samen und Früchten, die jedes Jahr andere biblische Bilder darstellen. In Oberschwaben sind sie zu sehen, zum Beispiel in Otterswang. Erntedank: ein Anlass, für die Erntegaben des Jahres zu danken, aber nicht nur für sie, sondern für alles Schöne und Gelungene im eigenen Leben und auf der Welt. In einem Land, dem man nachsagt, dass seine Menschen allzu gerne nörgeln und jammern – eine Aufforderung, dies zumindest für einen Tag nicht zu tun. Die Blickrichtung zu ändern und zu fragen: Was läuft gut, gelingt? Wozu kann ich Ja sagen? Statt zu jammern, was alles schlecht ist, was misslingt und was kaum auszuhalten ist. Mit den Augen der Dankbarkeit wahrzunehmen, nachzuspüren im Herzen, wofür ich dankbar bin – eine lohnenswerte Aufgabe. Denn, so schrieb Dietrich Bonhoeffer, Dankbarkeit macht das Leben erst reich. Dass sie zufriedener, gesünder und erfolgreicher macht, bestätigen auch Studien von Psychologen. Dankbarkeit, so sagte Bonhoeffer aber auch, muss gelernt und geübt werden. Täglich neu üben, dankbar zu sein. Beispielsweise jeden Abend mindestens drei Dinge aufzuschreiben, wofür ich an diesem Tag dankbar war. Wer dies praktiziert, wird schon tagsüber aufmerksamer bemerken, was nicht selbstverständlich ist, wird achtsamer wahrnehmen, wird Unscheinbares entdecken. Trotzdem Dankbarkeit zu empfinden, wenn eigenes oder fremdes Leid belastet, ist eine größere Herausforderung, eine Meisterübung. In solchen Situationen, das zeigen uns die Psalmen, darf die Klage dem Dank vorausgehen. Wer klagt, will eine Lösung finden, anders als diejenigen, die jammern und die Opferrolle nicht verlassen wollen. So kann ein Psalmbeter, nachdem er geklagt hat, zum Beispiel sagen: „Wir aber, Herr, … danken dir ewiglich.“(Psalm 79)