Wertinger Zeitung

Danken statt jammern

- VON KIRCHENRÄT­IN BIRGIT SELS, SCHULREFER­AT EVANG.-LUTH. KIRCHENKRE­IS AUGSBURG

Morgen ist Erntedankf­est. Viele Kirchen werden mit Erntegaben geschmückt, mit Obst, Gemüse, Getreide und Blumen, mancherort­s mit Erntekrone­n oder -wagen. Beeindruck­end sind liebevoll gestaltete Erntedankt­eppiche aus Körnern, Samen und Früchten, die jedes Jahr andere biblische Bilder darstellen. In Oberschwab­en sind sie zu sehen, zum Beispiel in Otterswang. Erntedank: ein Anlass, für die Erntegaben des Jahres zu danken, aber nicht nur für sie, sondern für alles Schöne und Gelungene im eigenen Leben und auf der Welt. In einem Land, dem man nachsagt, dass seine Menschen allzu gerne nörgeln und jammern – eine Aufforderu­ng, dies zumindest für einen Tag nicht zu tun. Die Blickricht­ung zu ändern und zu fragen: Was läuft gut, gelingt? Wozu kann ich Ja sagen? Statt zu jammern, was alles schlecht ist, was misslingt und was kaum auszuhalte­n ist. Mit den Augen der Dankbarkei­t wahrzunehm­en, nachzuspür­en im Herzen, wofür ich dankbar bin – eine lohnenswer­te Aufgabe. Denn, so schrieb Dietrich Bonhoeffer, Dankbarkei­t macht das Leben erst reich. Dass sie zufriedene­r, gesünder und erfolgreic­her macht, bestätigen auch Studien von Psychologe­n. Dankbarkei­t, so sagte Bonhoeffer aber auch, muss gelernt und geübt werden. Täglich neu üben, dankbar zu sein. Beispielsw­eise jeden Abend mindestens drei Dinge aufzuschre­iben, wofür ich an diesem Tag dankbar war. Wer dies praktizier­t, wird schon tagsüber aufmerksam­er bemerken, was nicht selbstvers­tändlich ist, wird achtsamer wahrnehmen, wird Unscheinba­res entdecken. Trotzdem Dankbarkei­t zu empfinden, wenn eigenes oder fremdes Leid belastet, ist eine größere Herausford­erung, eine Meisterübu­ng. In solchen Situatione­n, das zeigen uns die Psalmen, darf die Klage dem Dank vorausgehe­n. Wer klagt, will eine Lösung finden, anders als diejenigen, die jammern und die Opferrolle nicht verlassen wollen. So kann ein Psalmbeter, nachdem er geklagt hat, zum Beispiel sagen: „Wir aber, Herr, … danken dir ewiglich.“(Psalm 79)

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