Wie Sie gegen ungerechte Bezahlung vorgehen
Arbeitswelt Über Geld spricht man nicht, oder? Wenn es um das Gehalt geht, ist man in deutschen Büros eher schweigsam. Doch wer sich ungerecht bezahlt fühlt, sollte das Gespräch suchen – und zwar gut vorbereitet
Berlin/Wiesbaden Wenn der Gehaltscheck mal wieder für Frust statt Freude sorgt, die anderen Kollegen aber Champagnerkorken knallen lassen, kann das ein Indiz für ungerechte Bezahlung sein. Zugegeben, das Szenario ist zugespitzt, doch wer weniger verdient als andere in gleichwertigen Positionen oder weniger, als für die geleistete Arbeit gerechtfertigt wäre, fühlt sich schnell ins Abseits gestellt.
Eine ungerechte Bezahlung beim Chef anzusprechen, trauen sich dabei die wenigsten, denn schnell ist man als Nörgler abgestempelt. Abhilfe schaffen soll das Entgelttransparenzgesetz, das seit Juli 2017 in Kraft ist. „Der Beschäftigte kann von seinem Arbeitgeber Auskunft zu den Kriterien und dem Verfahren der Entgeltfindung für seine oder eine vergleichbare Tätigkeit verlangen. Außerdem können Angaben zur Höhe der durchschnittlichen Bruttovergütung sowie zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangt werden“, erläutert Stefan Müller, Anwalt für Arbeitsrecht.
Der Auskunftsanspruch kann alle zwei Jahre geltend gemacht werden, wobei „während der ersten drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, bis 5. Januar 2021, eine Sperrfrist von drei Jahren gilt“, so Müller. Die Auskunft könne schriftlich verlangt und müsse in der Regel innerhalb von drei Monaten beantwortet werden. Doch das Gesetz greift längst nicht für jeden und ist lediglich für Arbeitnehmer und Beamte in Betrieben oder Dienststellen mit regelmäßig mehr als 200 Mitarbeitern anwendbar. Wer in kleineren Unternehmen tätig ist, kann gegebenenfalls den Kontakt zur angeschlossenen Gewerkschaft, dem Betriebsoder Personalrat suchen und dort bewerten und prüfen lassen, ob tarifgerecht vergütet wird. Wem all diese Anlaufstellen nicht zur Verfügung stehen, der muss auf eigene Faust für eine gerechtere Bezahlung kämpfen.
Doch was kann der Einzelne tun? Eine Frage, die Henrike von Platen, Gründerin des Fair Pay Innovation Lab, nervt: „Es ist immer die einzelne Person, die klagen und beweisen muss, dass ungerecht bezahlt wird. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wie schaffen wir es, die Strukturen so zu verändern, dass die Unternehmen gerecht bezahlen und alle sich darauf verlassen können?
Das Grunddilemma sei der Makel, der einem anhafte, wenn man die eigene Bezahlung infrage stellt. „In dem Moment, in dem ich den Verdacht äußere, schlecht bezahlt zu werden, mache ich mich sofort selbst verdächtig, ob als ewig Unzufriedener oder misstrauische Nörgeltante“, so von Platen.
Ist man bereits in einem Arbeitsverhältnis, bei dem die Bezahlung nicht stimmig zu sein scheint, empfiehlt die Expertin: „Sich nicht zu beschweren, dass man weniger bekommt als andere, sondern sich erklären zu lassen, warum man so viel hat, wie man hat.“Was gibt es für ein Entgeltsystem? Mit welcher Systematik werden Stellen berechnet? Das können dann zielführende Fragen sein. „Man sollte das Gegenüber nicht mit dem Vorwurf konfrontieren, unfair zu bezahlen, sondern sich erklären lassen, wie das eigene Gehalt zustande kommt.“
Ist das mulmige Gefühl von zu wenig Gehalt durch Recherchen und Gespräche bestätigt, steht möglicherweise bald eine Gehaltsverhandlung im Terminkalender. „Dabei sollte ich selbstbewusst und mit guten Argumenten überzeugen“, weiß Yvonne Skowronek vom Verein „BerufsWege für Frauen“. Klarheit über die eigenen Kompetenzen, Erfolge und den Mehrwert für das Unternehmen können dabei helfen. Aber auch Coachings oder die Erstellung einer Leistungsübersicht seien sinnvoll, um ein besseres Selbstbewusstsein aufzubauen. „Und unbedingt an der eigenen Performance arbeitet“, betont Skowronek mit Hinblick auf Stimme, Wortwahl und Körperhaltung. Vorsicht sei bei persönlichen und unsachlichen Argumenten à la „Ich will so viel Gehalt wie mein Kollege, sonst gehe ich“geboten. „Damit werden Sie nicht punkten können“, gibt Skowronek zu bedenken.