Wertinger Zeitung

Mit Sokrates und Ironie gegen die Unvernunft der Welt

Auftritt Mit satirische­m Witz sucht Bruno Jonas im Dillinger Stadtsaal nach vernunftbe­gabten Menschen. Es ist der Satiregipf­el der Landkreis-Kulturtage

- VON ERICH PAWLU

Dillingen In der Antike ging man zu den Philosophe­n, wenn man der Vernunft begegnen wollte. Heute geht man mit der gleichen Absicht ins Kabarett. Bruno Jonas verwandelt­e für 400 Besucher den Dillinger Stadtsaal in eine Insel der Vernunft im Meer der neuen Ideologien.

Brigitte Schöllhorn und Ulrich Demmer kündigten den Satiregipf­el der Dillinger Kulturtage als „Highlight“an, Anton Kapfer deklariert­e den Abend abschließe­nd als „Glanzlicht“. Das traf. Selten dürfte ein Publikum im Dillinger Stadtsaal eine höhere Pointendic­hte erlebt und genossen haben.

Bruno Jonas hatte seine Weltbetrac­htung mit dem Titel „Nur mal angenommen“überschrie­ben. Aber der intensive Gebrauch des Konjunktiv­s

Ein intellektu­elles Feuerwerk ohne jeden Rohrkrepie­rer

entfernte seine Überlegung­en nicht von der politische­n Realität. „Ist es falsch, wenn der Falsche das Richtige sagt?“, lautet ein Lenksystem auf seinen kabarettis­tischen Nah- und Fernstraße­n, die eine begeistert­e Zuhörersch­aft drei Stunden lang mitbefahre­n durfte.

Dass Bruno Jonas ein intellektu­elles Feuerwerk ohne jeden Rohrkrepie­rer veranstalt­en kann, hat viele Gründe. Oft wird eine scheinbar harmlose Bemerkung erst durch den Inhalt des nächsten Satzes zum Witz. Die Lust an der Wortspiele­rei erweist sich als analytisch­e Methode zur Entlarvung von begrifflic­hen Blödsinnig­keiten auf den sprachlich­en Mainstream­s dieser Welt. Der Kontrast, der durch die Mischung von niederbaye­rischer, hochdeutsc­her und englischer Spracheben­e entsteht, verdeutlic­ht die Phrasendre­scherei insbesonde­re auf den Argumentat­ionsfelder­n der Politik.

Auf dem Galopp durch die Kuriosität der Welt wurden die unterschie­dlichsten Ziele unter satirische­s Feuer genommen. Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Horst Seehofer kamen mit Streifschü­ssen davon. Donald Trump und vor allem Recep Tayyip Erdogan hatten Volltreffe­r hinzunehme­n. Als Katrin Göring-Eckardt ins Visier genommen wurde, kapitulier­te der Schütze: „Die pack ich nicht.“

Bruno Jonas setzt seine variable Stimme ein, wenn es um die Ausdeutung von Inhalten seiner Monologe geht. Mit unglaublic­her Vitalität wechselt er immer wieder vom reflektier­enden Gebrummel zum markanten Geschrei der ironischen Proklamati­on, von direkten Appellen an das mitgehende Publikum zu parodieren­den politische­n Statements. Begleitet wird diese kontrapunk­tische Kabarettmu­sik von einem akzentuier­enden Schniefen der Nase und gelegentli­ch von einem Pfiff. Mit dem „Klugscheiß­er“-Gitarrenso­ng „I muss immer alles besser wissen“und mit dem Gedicht „Angenommen, ich wär ein Konjunktiv“unterstrei­cht Bruno Jonas die Vielfalt seiner kabarettis­tischen Präsentati­onsvariant­en.

Das großartig Befreiende an diesem von der Sparkasse DillingenN­ördlingen gesponsert­en Abend aber lag an der Demonstrat­ion, dass sich der gesunde Menschenve­rstand eben doch gegen die ideologisi­erte Debattenun­kultur einsetzen lässt. Der vielfach ausgezeich­nete, durch TV-Serien wie „Scheibenwi­scher“und „Klugscheiß­er“bekannt gewordene Kabarettis­t agierte bei seinem Dillinger Auftritt zwischen einer Büste von Sokrates und einer Menge von DHL-Paketverpa­ckungen.

Das signalisie­rte sehr schön den Traum, dass sich die Banalität des modernen Alltags mit dem antiken Ideal verbinden lassen müsse, wonach der Mensch ein vernunftbe­gabtes Wesen sei.

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Foto: Erich Pawlu Mit Sokrates und Ironie gegen die Unvernunft der Welt - der Kabarettis­t Bruno Jonas begeistert­e im Dillinger Stadtsaal 400 Besucherin­nen und Besucher.

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