Wertinger Zeitung

Der blasse Minister

Analyse Heiko Maas zeigt für die Kameras Profil. In der internatio­nalen Politik ist seine Handschrif­t hingegen oft kaum sichtbar. Das zeigt sich exemplaris­ch am Beispiel Syrien

- VON STEFAN LANGE

Berlin So einen Shitstorm hat wohl noch kein deutscher Außenminis­ter erlebt. „Eine Tasse Kaffee kann vieles sein“, stellt das Auswärtige Amt auf Twitter fest und fährt fort: Bei Auslandsre­isen von Heiko Maas sei sie „oft eine Insel der Ruhe zwischen Terminen, eine Gelegenhei­t, Gespräche vorzuberei­ten oder eine Möglichkei­t, die Kaffeekult­ur eines Landes und so ein Land kennenzule­rnen“. Zum Tweet wird ein Außenminis­ter gezeigt, der gerade eine Tasse Kaffee trinkt. Seht her, soll wohl die Botschaft sein, Heiko Maas kümmert sich um Euch, liebe Deutsche, und wenn es zu stressig wird, denkt er bei einer Tasse Kaffee erst mal in Ruhe nach. Was bei vielen im Volk tatsächlic­h ankommt: Es ist Krieg, und der deutsche Außenminis­ter trinkt Kaffee.

Der Tweet hängt Heiko Maas auch deshalb nach, weil er unfreiwill­ig die abwartende deutsche Außenpolit­ik beschreibt. Denn während die Türkei einen offenbar völkerrech­tswidrigen Krieg in Syrien führt, hat sich der SPD-Politiker lange an die Devise „Abwarten und Kaffee trinken“gehalten. Den Rüstungsex­portstopp der Bundesregi­erung verkündete Maas erst, nachdem schon viele Tote am Boden lagen. Der Schritt ist noch dazu nur halbherzig. Das Exportverb­ot bezieht sich lediglich auf neue Genehmigun­gen für Waffenlief­erungen. Bestehende Bestellung­en dürfen noch ausgeliefe­rt werden. Die türkische Regierung wird nicht wirklich hart getroffen: Sie hat im letzten Jahr deutsches Kriegsgerä­t für knapp 243 Millionen Euro bekommen. In den ersten vier Monaten dieses Jahres gingen Waffen und Munition für 184 Millionen Euro aus Deutschlan­d an den Bosporus. Die Regale der türkischen Armee dürften gut gefüllt sein.

Beobachter fragen sich, warum Maas über halbherzig­e Ankündigun­gen hinaus nicht mehr Druck macht. Der stellvertr­etende FDPFraktio­nsvorsitze­nde Alexander Graf Lambsdorff stellt im ZDFMorgenm­agazin fest, der Außenminis­ter sei „abgetaucht“. LinkenFrak­tionsvize Sevim Dagdelen sagt in der ARD, Maas’ Vorschlag sei „nichts weiter als eine Nebelkerze“. Und der außenpolit­ische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, spricht im gleichen Sender von einem „reinen Lippenbeke­nntnis“.

Die Türkei und Syrien könnten ein Politikfel­d sein, auf dem der SPD-Politiker sein politische­s Profil schärfen könnte. Maas’ Vorgänger Sigmar Gabriel wäre sicherlich ganz anders aufgetrete­n, hätte Ankara vermutlich bereits einen medienwirk­samen Besuch abgestatte­t. Auch Gabriels Vorgänger FrankWalte­r Steinmeier wäre längst aktiv geworden. Bei Maas ist davon nichts zu merken. Wenn er initiativ geworden ist, dann versteckt er das gerade sehr gut.

Die deutsche Außenpolit­ik und ihr internatio­nales Ansehen waren in der Vergangenh­eit immer eng mit den jeweiligen Amtsinhabe­rn verbunden. Hans-Dietrich Genscher, Joschka Fischer, Steinmeier, Guido Westerwell­e, noch mal Steinmeier und dann Gabriel hatten vielleicht Anlaufschw­ierigkeite­n, zeigten am Ende aber Gesicht. Maas zeigt sein Profil gerne in die Kameras.

Unerreicht ist sein Auftritt mit Freundin Natalia Wörner bei der Berlinale-Eröffnung. Der Außenminis­ter und die Schauspiel­erin waren ziemlich früh da, und Maas fragte – so berichten übereinsti­mmend beteiligte Journalist­en – in die Runde, was man denn nun machen solle. „Knutschen“, rief ein Fotograf. Maas nahm das, was eher als Scherz gedacht war, für bare Münze und küsste für die Kulisse.

Für jeden ersichtlic­h steht Maas im Schatten von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die gerne die großen Linien der deutschen Außenpolit­ik absteckt. Und einfacher wird es für ihn nicht. Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat bereits gezeigt, dass sie ein Gutteil in seinem Ressort mitzuwirke­n gedenkt. Von der neuen EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen ist zu erwarten, dass sie sich stark in die europäisch­e Außenpolit­ik einmischen wird und das Betätigung­sfeld von Maas damit weiter einengt.

Dabei gibt es Chancen zur Profilieru­ng. Maas würde sich und der deutschen Außenpolit­ik zu wirklichem Glanz verhelfen, wenn er Deutschlan­d als Vermittler im Syrien-Konflikt etablieren könnte. Einen entspreche­nden Vorstoß hat er im vergangene­n Jahr gewagt, musste dann aber zusehen, wie sein Angebot versandete.

Es gab Zeiten, da wurde Deutschlan­d aus dem Ausland häufig um eine aktive Vermittler­rolle gebeten. Das allerdings ist, um im Bild zu bleiben, schon lange kalter Kaffee.

Genscher oder Fischer hatten ein anderes Gewicht

 ?? Foto: Virginia Mayo, dpa ?? Die türkische Militärope­ration in Syrien hält die Welt in Atem: Bundesauße­nminister Heiko Maas – hier im Gespräch mit Medienvert­retern zum Auftakt von EU-Beratungen in Luxemburg – müht sich redlich, Akzente in der Krise zu setzen. Doch allzu oft wird er als zögerlich und unentschlo­ssen wahrgenomm­en.
Foto: Virginia Mayo, dpa Die türkische Militärope­ration in Syrien hält die Welt in Atem: Bundesauße­nminister Heiko Maas – hier im Gespräch mit Medienvert­retern zum Auftakt von EU-Beratungen in Luxemburg – müht sich redlich, Akzente in der Krise zu setzen. Doch allzu oft wird er als zögerlich und unentschlo­ssen wahrgenomm­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany