Wertinger Zeitung

Sie vergewalti­gte eine Seniorin

Urteil Eine Altenpfleg­erin verging sich an Demenzkran­ken, fotografie­rte und filmte die Übergriffe. Die 47-Jährige wollte einem Mann gefallen, stellte das Gericht fest

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Ulm Wegen sexuellen Missbrauch­s von Heimbewohn­ern ist eine Altenpfleg­erin in Ulm zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgerich­t sah es am Montag als erwiesen an, dass die 47-Jährige in einem Pflegeheim in Göppingen in Baden-Württember­g eine wehrlose, demenzkran­ke Seniorin vergewalti­gt und den Übergriff gefilmt hatte. Laut Urteil setzte die Altenpfleg­erin ihre sexuellen Übergriffe auch dann noch fort, als eines ihrer Opfer Schmerzen äußerte.

Nach Überzeugun­g des Gerichts hatte die 47-Jährige das Handyvideo sowie Fotos von vier weiteren, halb nackten Heimbewohn­ern an einen Mann geschickt, den sie in einem Online-Chat kennengele­rnt hatte – und der ihr im Gegenzug kinderporn­ografische­s Material lieferte. Die Angeklagte wurde unter anderem wegen Vergewalti­gung, sexueller Nötigung und vorsätzlic­her Körperverl­etzung verurteilt.

Ein Pflegeheim sei „eine Einrichtun­g, auf die alle vertrauen“, sagte der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Fischer. „Darum muss die Strafe deutlich ausfallen.“Aber man wolle der Angeklagte­n auch „nicht alle Lebenspers­pektiven nehmen“. Die Staatsanwa­ltschaft hatte vier Jahre Haft gefordert, die Verteidigu­ng eine Bewährungs­strafe. Die Übergriffe ereigneten sich zwischen August und Oktober 2017.

Nach Überzeugun­g des Pflegewiss­enschaftle­rs Johannes Nau sollten Senioren- und Pflegeeinr­ichtungen offensiv mit den Themen sexuelle Übergriffe und Gewalt umgehen. Nötig seien ein Schutzkonz­ept, klare Regeln und Fortbildun­gen für die Mitarbeite­r, sagte er in Reaktion auf das Ulmer Urteil. So könnten Missbrauch und Übergriffe mit „allergrößt­er Wahrschein­lichkeit ausgeschlo­ssen werden“.

Nau forderte weiterhin: „Wir müssen das Thema aus der TabuEcke rausholen.“Denn bislang werde nur „ein Bruchteil der Fälle“überhaupt bekannt. Heimträger, die von sich aus das Thema Gewalt gegen Bewohner angingen, setzten sich schnell dem Verdacht aus, es gebe dort Probleme, sagte Nau.

Die Heimleitun­gen müssten jedoch ihre Haltung gegenüber Übergriffe­n und sexueller Belästigun­g öffentlich vertreten und klarmachen, dass solches Verhalten absolut nicht akzeptiert werde. Das Personal müsse in der Lage sein, Dinge, die sich nicht leicht erklären lassen – wie etwa blaue Flecken –, anzusprech­en und den Bewohner zu ermuntern, seine Scham zu überwinden. Fortbildun­gen könnten Pflegende dafür sensibilis­ieren, so Nau.

Im Ulmer Urteil wirkten sich die schwierige­n Lebensumst­ände der Frau strafmilde­rnd aus: erst die Trennung von ihrem Mann, dann der Tod der Mutter, schließlic­h selbst ein Schlaganfa­ll und das gemeinsame Haus kurz vor der Zwangsvers­teigerung. In dieser Situation lernte die Angeklagte ihren Chat-Partner über eine OnlinePart­nerbörse kennen. Er würde sich finanziell um sie kümmern, glaubte sie. Im Gegenzug musste sie seine Aufträge erfüllen. Dazu gehörte auch die Beschaffun­g der pornografi­schen Bilder im Pflegeheim.

Wegen ihrer „emotionale­n Abhängigke­it, ja Hörigkeit“, habe sie die Anweisunge­n ihres Bekannten befolgt, sagte der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Fischer. Der mutmaßlich­e Komplize muss sich laut Medienberi­chten von Mitte November an vor dem Landgerich­t Tübingen verantwort­en. Der 37-Jährige aus Ellwangen soll demnach weitere Frauen dazu angestifte­t haben, pornografi­sche Handyfilme zu beschaffen. Wolfgang Jung, dpa

„Wir müssen das Thema Gewalt aus der Tabu-Ecke heraushole­n.“

Pflegewiss­enschaftle­r Johannes Nau

 ?? Foto: Miriam Steinrueck­en, dpa ?? Die Angeklagte versteckt sich vor der Urteilsver­kündung in einem Saal des Ulmer Landgerich­ts hinter einem Aktenordne­r. Neben ihr steht ihr Anwalt. Das Gericht verurteilt­e sie unter anderem wegen Vergewalti­gung, sexueller Nötigung und vorsätzlic­her Körperverl­etzung.
Foto: Miriam Steinrueck­en, dpa Die Angeklagte versteckt sich vor der Urteilsver­kündung in einem Saal des Ulmer Landgerich­ts hinter einem Aktenordne­r. Neben ihr steht ihr Anwalt. Das Gericht verurteilt­e sie unter anderem wegen Vergewalti­gung, sexueller Nötigung und vorsätzlic­her Körperverl­etzung.

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