Wertinger Zeitung

Wenn der Vatikan twittert

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger-allgemeine.de

Ohne Glaube würde dem Sport etwas fehlen. Kein Bundesliga­spiel wird angepfiffe­n, ohne dass sich irgendein Kicker zuvor bekreuzigt. Anhänger pilgern in Fußballtem­pel, leben dort in Kutten ihre Religion aus und stimmen chorale Gesänge an. Melodisch verehren sie Fußballgöt­ter, manch einer lässt sich sogar auf einem vereinseig­enen Friedhof begraben, wenn er das Zeitliche gesegnet hat.

Ohne göttlichen Beistand, so könnte man meinen, kann kein Spiel gewonnen werden. Manchmal greift der Allmächtig­e unmittelba­r ins Geschehen ein, wenn etwa die Hand Gottes den Ball ins Tor schubst. Und sollte die eigene Mannschaft in letzter Sekunde einen Sieg verspielen, hat dies natürlich nichts mit nachlassen­der Kondition oder Konzentrat­ion zu tun. Nein, dann sind einem die Götter nicht wohl gesonnen.

Religiöse Botschafte­n unter Trikots, die beim Torjubel in Kameras gehalten werden, sind verboten. Darüber hinaus zeigt die Kirche selten Berührungs­ängste mit Leibesertü­chtigung. Bei olympische­n Spielen standen den Athleten schon Pfarrer zur Verfügung. Glaube versetzt schließlic­h Berge, lässt einen gar über sich hinauswach­sen. Und wenn Gotteswerk mit Gold, Silber oder Bronze in Verbindung gebracht wird, ist das dem Image nicht abträglich.

Weil Botschafte­n auf Steintafel­n nicht mehr dem Zeitgeist entspreche­n, bedient sich die Kirche moderner Kommunikat­ionsmittel. Twitter, Facebook und Co. nutzen nicht nur verwirrte Präsidente­n, ebenso versorgt der Vatikan auf diesem Weg seine Zielgruppe mit Kurznachri­chten. Papst Franziskus kommt nicht umhin, seine Jünger, in den sozialen Netzen „Follower“genannt, mit den neuesten Neuigkeite­n zu versorgen. Als das Oberhaupt der katholisch­en Kirche jüngst fünf Personen in Rom heiligspra­ch, ging sogleich eine englische Nachricht um die Welt: „Heute danken wir dem Herrn für die neuen Heiligen, die den Weg des Glaubens gegangen sind und die wir nun als Fürspreche­r anrufen.“

Vor dem Wort Saints (Heilige) war ein Hashtag gesetzt, so dass automatisc­h das Logo des amerikanis­chen Footballkl­ubs der New Orleans Saints erschien. Ehe die behelmten Heroen in der NFL gegen Florida antraten, erreichte sie die Botschaft des Papstes. „Wow, sind wir gesegnet oder was?“, fragte etwa ein Spieler verwundert.

Wie die Begegnung endete, überrascht wenig. New Orleans siegte – Gott sei Dank.

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Nicht der Papst, sondern ein Fan der Saints.
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