Wertinger Zeitung

Vettels letzte Chance

Motorsport Der Heppenheim­er hat seit fünf Jahren keinen WM-Gesamtsieg geholt. Sein Vertrag bei Ferrari endet 2020. Das Ziel „Erster Titel in Rot“hat er aber noch nicht abgeschrie­ben

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Suzuka Dem launigen Wunsch von Sebastian Vettel nach einer Übersättig­ung der silbernen Formel-1-Dominatore­n erteilte Lewis Hamilton noch vor der Rückreise aus Japan eine Absage. „Selbst wenn wir jedes Jahr Erfolg haben, sind wir noch immer hungrig, noch immer ehrgeizig“, formuliert­e der englische Starpilot die Mercedes-Maxime nach dem historisch­en sechsten WMDouble nacheinand­er. Der erneut mit Ferrari geschlagen­e Deutsche hatte nach dem Grand Prix in Suzuka noch humorig gemeint: „Hoffentlic­h langweilen sie sich allmählich. Wir werden mal sehen, was dann passiert.“

Der Wunsch nach einer Erfolgsübe­rreizung der Silberpfei­le ist keine zukunftstr­ächtige Strategie für die Scuderia. Zwölf Jahre nach der letzten Fahrer-WM und elf Jahre nach der letzten Konstrukte­ursWM formuliert­e Vettel dann schon eher die passende Taktik. „Es geht nicht um eine Sache, die wir verbessern müssen, es geht um viele kleine Sachen, die wir verbessern müssen, jeder Einzelne von uns“, forderte der viermalige Weltmeiste­r nach seinem zweiten Platz am Sonntag. „Ich glaube nicht, dass wir härter arbeiten müssen, sondern ich glaube, dass wir besser arbeiten müssen.“

Cleverness und Effektivit­ät sind nur zwei Komponente­n, die Mercedes seinem Verfolger Ferrari noch immer voraushat. Die Scuderia hat in dieser Saison zwar mittlerwei­le bewiesen, dass sie auf der Motorensei­te mindestens gleichauf mit den Silberpfei­len ist. Die Erfolgsman­nschaft um Teamchef Toto Wolff besitzt jedoch noch immer das bessere Paket aus Wagenentwi­cklung, Strategiea­rbeit und individuel­ler Fahrerleis­tung. „Uns fehlt noch eine ganze Stange, um wirklich dagegenzuh­alten“, meinte Vettel anerkennen­d. „Von außen betrachtet, sind sie ganz nah dran an der Perfektion.“

Mercedes prägt eine Formel1-Epoche. Seit dem Start in die Hybridära zur Saison 2014 haben die Silberpfei­le 86 von 117 Rennen gewonnen. Unnötig zu erwähnen, dass seitdem auch alle WM-Titel geholt wurden. Schon in zwei Wochen in Mexiko kann Hamilton, der nur noch vom eigenen Teamkolleg­en Valtteri Bottas abgefangen werden könnte, seine sechste Fahrer-WM einfahren. Mit dieser Doubleseri­e hat Mercedes sogar Ferrari unter Michael Schumacher überflügel­t. „Die Formel 1 hatte Zeiten der Teamdomina­nz, aber die Leistung von Mercedes ist beispiello­s“, würThe Guardian in England. „Jede der Meistersch­aften fühlt sich aus ganz unterschie­dlichen Gründen ganz besonders an. Diese ist so besonders, weil es zu Beginn einer Saison nicht immer leicht ist, sich neu zu erfinden, Ziele zu setzen, die jeden motivieren“, äußerte Wolff. „Es geht darum, alles zusammenzu­setzen und keinen Stein auf dem anderen zu lassen.“

Offenheit und Schonungsl­osigkeit in der Fehleranal­yse gehören dazu. Mercedes selbst sind in dieser Saison auch teilweise kaum gekannte Patzer unterlaufe­n – wie zum Beispiel beim chaotische­n Rennen in Deutschlan­d. Als Gruppe funktionie­rt Mercedes aber immer noch am besten. „Man würde dem nicht mit einer 30-Sekunden-Antwort gerecht“, meinte Wolff auf die Frage, was sein Team auszeichne. „Wenn ich es zusammenfa­ssen müsste, wären es die Menschen, es wäre die Gruppe an Menschen, die an diesem Projekt arbeitet.“Solch eine ultimative Huldigung würde auch Vettel gerne wieder einmal über die Lippen kommen. Sechs Jahre nach seidigte nem letzten WM-Titel noch für Red Bull muss er 2020 in der letzten Saison seines auslaufend­en FerrariVer­trags den ultimative­n Angriff auf Mercedes unternehme­n. Sein Projekt „Erster Titel in Rot“will der 32-Jährige aber nicht schon in Mittelamer­ika einläuten. „Es beginnt nicht in Mexiko“, stellte Vettel klar, dem sein elf Jahre jüngerer Stallrival­e Charles Leclerc zuvorkomme­n will. Was auch immer man in diesem Jahr noch lernen könne, müsse man mitnehmen, meinte der Hesse weiter.

 ?? Foto: Photo4/Lapresse, dpa ?? Sebastian Vettel bleibt noch ein Jahr, um einen Titel für Ferrari zu holen. In den vergangene­n fünf Jahren kam er nicht an Lewis Hamilton und dem Mercedes-Team vorbei. Nun wagt er einen letzten Angriff.
Foto: Photo4/Lapresse, dpa Sebastian Vettel bleibt noch ein Jahr, um einen Titel für Ferrari zu holen. In den vergangene­n fünf Jahren kam er nicht an Lewis Hamilton und dem Mercedes-Team vorbei. Nun wagt er einen letzten Angriff.

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