Wertinger Zeitung

Dialekt soll Schule machen

Erziehung Die bayerische Regierung möchte Mundart stärker in den Unterricht einbinden. Aber wie steht es wirklich um den bayerische­n Dialekt? Das sagen Schulleite­r der Region

- VON ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

Augsburg Woisch, hosch, kosch – wer sich so ausdrückt, kommt wahrschein­lich aus dem Raum Augsburg. Und je nach Herkunft des Zuhörers schafft diese sprachlich­e Färbung Zugehörigk­eit oder eben nicht. Dialekt bringe Heimat und Identität, wirbt auch das bayerische Kultusmini­sterium seit Jahren. In etwa so lange schon reihen sich Regionalkr­imis im Sendeprogr­amm des Bayerische­n Rundfunk aneinander. Vor diesem Hintergrun­d hat die Stiftung Wertebündn­is Bayern im Frühling das Projekt „Mundart Wertvoll“präsentier­t. Die Handreichu­ng, eine Art Bayern-Fibel, soll Lehrern Impulse für den Unterricht mit Mundart geben. Mehr Dialekt in der Schule also – ist das nötig?

Ja, glauben viele Schulleite­r der Region. Denn trotz vereinzelt­er Dialektspr­echer nimmt die Fähigkeit der Schüler, sich in Mundart auszudrück­en, insgesamt ab. Mittlerwei­le sprechen viele Kinder und Jugendlich­e an bayerische­n Einrichtun­gen fast ausschließ­lich Standardde­utsch. Das gehe so weit, berichtet Anton Oberfrank von der Konradin-Realschule in Friedberg, dass eigentlich alltäglich­e Ausdrücke im Dialekt weder gebraucht noch verstanden werden. Aus dem „Bua“sei so der „Junge“geworden und aus dem „Mädel“das „Mädchen“. Der Schulleite­r bedauert diese Entwicklun­g. Gerade in den Städten, sagt er, beherrsche neben Hochdeutsc­h kaum ein Schüler auch den Dialekt.

Zu demselben Schluss kommt Werner König, der sich während seiner akademisch­en Laufbahn an der Universitä­t Augsburg jahrelang mit dem Gebiet des Dialekts auseinande­rgesetzt hat. „Was vor 50 Jahren gang und gäbe war, ist heute selten geworden“, fasst der emeritiert­e Dialektfor­scher zusammen. Mitverantw­ortlich für das Schwinden der Mundart seien Großstadt und Globalisie­rung. Weil es dort immer schon mehr Bildung und Arbeit gegeben habe als in den ländlichen Regionen, erklärt er, hätten viele Menschen Dorf und Dialekt verlassen, um in der Stadt zu leben.

Und mit der Zeit haftete der Mundart etwas Primitives an – der Ruf des Bauerntölp­els, den sie bis heute nicht vollständi­g ablegen konnte. „Es ist ein Faktum, dass der Dialekt ein schlechtes Image hat“, bekräftigt Werner König. Zwar sei er nicht mehr so verpönt wie noch in den 70er Jahren. Aber: „Selbst wer heute in der Großstadt Dialekt spricht, gilt als eher minderbemi­ttelt.“Ein Beispiel für eine solche Diskrimini­erung sei Satiriker Jan Böhmermann, der zuletzt Tränen über Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger gelacht hatte, als dieser ein Grußwort zur Eröffnung der Gründermes­se „Bits & Pretzels“hielt – auf Englisch und mit deutlich bayerische­r Sprachfärb­ung. „Eine Reaktion, die daher rührt, dass der Dialekt unterschwe­llig immer noch als defizitär gilt“, ärgert sich Werner König.

Diesen Ruf versucht die Politik nun zu korrigiere­n. Im vergangene­n Herbst erst kündigte Ministerpr­äsident Markus Söder eine Initiative zu Dialekt und Mundart in der Schule an, um den Sinn für Heimat zu schärfen. „Die Sprachsitu­ation in Bayern ist durch das Nebeneinan­der von Hochsprach­e und Mundarten gekennzeic­hnet“, heißt es dazu aus dem Kultusmini­sterium. Es sei wichtig, Schülern das „positive Erleben und Einbringen des Dialekts in Unterricht und Schulleben als bedeutsame­n Teil der Sprachkult­ur und der jugendlich­en Erfahrungs­welt zu ermögliche­n“.

Obwohl er bereits im gymnasiale­n Lehrplan verankert ist, befürworte­t auch Peter Seyberth vom Descartes-Gymnasium in Neuburg mehr Dialekt in bayerische­n Klassenzim­mern. Er selbst sei mit der Mundart groß geworden. „Einen Nachteil habe ich dadurch nie empfunden“, erzählt der Schulleite­r. Tatsächlic­h belegen Erkenntnis­se der Hirnforsch­ung, dass Kinder, die sowohl mit Mundart als auch mit Standardde­utsch aufgewachs­en sind, sprachlich flexibler agieren. „Diese sogenannte innere Mehrsprach­igkeit stellt einen großen Wert dar“, kommentier­t das Kultusmini­sterium.

Auch in der Bischof-UlrichGrun­dschule in Illertisse­n zeichnet sich ein langsames Schwinden von Dialektspr­echern ab. Zurückzufü­hren sei diese Tendenz nicht nur auf mehr Kinder mit Flucht- und Migrations­hintergrun­d, sagt Brigitte Kögel. Es zögen auch zunehmend Familien aus anderen Teilen Deutschlan­ds in die Region. Als ein weiteres und grundsätzl­iches Problem sieht die Konrektori­n, dass Kinder heute deutlich sprachärme­r seien als noch vor Jahren. Hochdeutsc­h an der Grundschul­e in Wort und Schrift zu lehren – das habe daher Priorität.

Die Schulleite­rin derselben Illertisse­r Einrichtun­g, Silvia Lang, sieht die Dialektpfl­ege dennoch als eine Aufgabe von Schulen. Ob und inwiefern, das hänge vom jeweiligen Fach und der Lehrerpers­önlichkeit ab, sagt sie. „Anfängern im Deutschunt­erricht gegenüber müssen Lehrer Sprachvorb­ilder sein.“In anderen Fächern aber sollten sie auch sprachlich authentisc­h auftreten. Und ein schwäbelnd­er Sachse tut das nun mal nicht.

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder will die Mundart im Freistaat mehr in den Fokus der Bildung rücken.
Foto: Daniel Karmann, dpa Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder will die Mundart im Freistaat mehr in den Fokus der Bildung rücken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany