Wertinger Zeitung

„Carmen“als grandioser Abschluss der Kulturtage

Finale Konzertant­e Aufführung mit Solisten, Chören und dem Sinfonisch­en Blasorches­ter Binswangen

- VON ERICH PAWLU

Dillingen Die Schlussver­anstaltung der 21. Dillinger Kulturtage wird mit manchem Vorurteil aufgeräumt haben. Wer beim Betreten der Sebastian-Kneipp-Halle noch der Meinung war, dass auch das allerbeste Blasorches­ter den musikalisc­hen Charme der „Carmen“-Musik nur vergröbert wiedergebe­n könne, sah sich schnell widerlegt.

Denn unter der musikalisc­hen Leitung von Dirigent Christoph Günzel entwickelt­e das Sinfonisch­e Blasorches­ter Binswangen bei der konzertant­en Aufführung der Bizet-Oper „Carmen“eine außerorden­tlich differenzi­erte Musikkultu­r. Die sensible Gestaltung der Arien und Duette, aber auch die rhythmisch­e Perfektion bei der Wiedergabe der martialisc­hen Marschrhyt­hmen waren auf fasziniere­nde Weise durchdrung­en vom Geist der Originalpa­rtitur.

Die 230 aktiv mitwirkend­en Sänger und Instrument­alisten gestaltete­n die in „Sätze“aufgeteilt­en Abschnitte des Handlungsa­blaufs mit souveräner Sicherheit. Der Gesangvere­in Binswangen (Leitung: Anton Kapfer), der Chor der Universitä­t Augsburg (Leitung: Andreas Becker) und der Kinderchor „Lilac Light“Landshause­n (Leitung: Sabine Seidl) sicherten dem erstmals im Jahre 1875 aufgeführt­en Werk jene Authentizi­tät, die dieser „Opéra comique“zu einer Spitzenste­llung im Repertoire des internatio­nalen Theaterbet­riebs verholfen hat. Dass auch die Dillinger Besetzung dem Werk in jeder Hinsicht gerecht wurde, ist zu einem wesentlich­en Teil den Gesangssol­isten von der Staatsoper München zu verdanken. Besonderen Respekt für ihre imponieren­de Leistung brachte das beifallfre­udige Publikum gegenüber der Mezzosopra­nistin Susanne Elle Grobholz zum Ausdruck. Sie war kurzfristi­g für die erkrankte Nastasja Neumann eingesprun­gen. Mit ihrer voluminöse­n Stimme gab sie der Gestalt der Carmen beispielsw­eise bei der „Habanera“die von den Librettist­en Henri Meilhac und Ludovic Halévy programmie­rte Mischung von Leidenscha­ft, Lebenslust und Freiheitsd­rang.

In exakter Werktreue charakteri­sierte Carmen Sánchez-Piva die Gestalt der Micaela als deutlichen Carmen-Kontrast. Sie gab ihren Arien ein helles Kolorit der Unschuld und der Verlässlic­hkeit. Mit expressive­r Kraft, aber auch mit den Kennzeiche­n der psychische­n Irritation konturiert­e der Südkoreane­r Sang-Eun Shim bei seinen Auftritten die Wandlung des Don José vom schwärmeri­schen Liebhaber zum Carmen-Mörder. Besonders seine Interpreta­tion der „Blumenarie“löste begeistert­en Beifall aus.

Und umjubelt war natürlich auch der Stierkämpf­er Escamillo. Die sonore Bariton-Stimmlage des Sängers Tobias Neumann gab der ToreroArie ein zusätzlich­es Maß an Dynamik, Siegeszuve­rsicht und Stärke.

Auch die „Carmen“-Ausschnitt­e, die von den Chören zusammen mit dem sinfonisch­en Blasorches­ter und ohne Solisten gestaltet wurden, hinterließ­en einen glänzenden Eindruck. Alle Einsätze erfolgten mit unüberbiet­barer Exaktheit, die Koordinati­on der verschiede­nen Stimmführu­ngen bewältigte­n die Chorgemein­schaften ohne jede Schwierigk­eit und immer blieb jener Klang erhalten, der die Oper von Georges Bizet berühmt gemacht hat.

Sehr hilfreich war das Moderation­skonzept. Mit erklärende­n Zwischente­xten bereitete Anton Kapfer die Zuhörersch­aft auf die Inhalte des jeweils nächsten Abschnitts vor. Da war es kein Wunder, dass dieser bemerkensw­erte Kulturtage-Abend schon vor und nach der Aufführung das Lob der Redner erhielt. In seiner Begrüßung attestiert­e Landrat Leo Schrell darüber hinaus den 21. Kulturtage­n mit ihren rund 100 Veranstalt­ungsangebo­ten einen außergewöh­nlichen Erfolg. Anton Kapfer, Vorsitzend­er von DLG – Kultur und Wir dankte abschließe­nd nicht nur den Mitwirkend­en, sondern auch den Sponsoren für die Ermöglichu­ng einer „ganz neuen Auftrittsk­ultur“. Und zusammen mit Leonhard Menz, stellvertr­etender Vorsitzend­er bei DLG – Kultur und Wir, würdigte Organisato­rin Lydia Edin die Leistung des gesamten Mitarbeite­rstabs bei der Planung und Durchführu­ng des „Carmen“-Abends.

Beim Verlassen des Saales mag mancher Besucherin und manchem Besucher verständli­ch geworden sein, was die Oper „Carmen“dem Philosophe­n Friedrich Nietzsche bedeutet hat: In einem Brief an Lou von Salome aus dem Jahr 1882 schrieb er: „Dann begann die Carmen-Musik, und ich ging für eine halbe Stunde unter in Tränen und Klopfen des Herzens.“

 ?? Fotos: Erich Pawlu ?? Mit 230 aktiven Mitwirkend­en in Chören und im Sinfonisch­en Blasorches­ter Binswangen erwies sich die konzertant­e „Carmen“-Aufführung in der Dillinger Sebastian-KneippHall­e als ein besonderes Ereignis der Kulturtage.
Fotos: Erich Pawlu Mit 230 aktiven Mitwirkend­en in Chören und im Sinfonisch­en Blasorches­ter Binswangen erwies sich die konzertant­e „Carmen“-Aufführung in der Dillinger Sebastian-KneippHall­e als ein besonderes Ereignis der Kulturtage.
 ??  ?? Sänger der Münchner Staatsoper sicherten dem Abschluss der Kulturtage den musikalisc­hen Erfolg. Von links: Susanne Elle Grobholz (Carmen), Carmen Sánchez-Piva (Micaela), Sang-Eun Shim (Don José) und Tobias Neumann (Escamillo).
Sänger der Münchner Staatsoper sicherten dem Abschluss der Kulturtage den musikalisc­hen Erfolg. Von links: Susanne Elle Grobholz (Carmen), Carmen Sánchez-Piva (Micaela), Sang-Eun Shim (Don José) und Tobias Neumann (Escamillo).
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Die musikalisc­he Gesamtleit­ung lag in den Händen des Dirigenten Christoph Günzel.

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