Wertinger Zeitung

Betrugs-Prozess: Geschwiste­r verurteilt

Justiz Die Firmenwelt­en-Gruppe brachte hunderte Kleinanleg­er um Millionen. Das Landgerich­t Augsburg hat jetzt ein Urteil gegen vier Verantwort­liche gefällt. Die Strafkamme­r sieht den Haupttäter aber woanders

- VON JAN KANDZORA Archivfoto: Stefan Puchner

Augsburg Im Prozess um den Millionen-Betrug der „Firmenwelt­en“-Unternehme­nsgruppe sind drei Verantwort­liche vom Landgerich­t Augsburg zu Haftstrafe­n ohne Bewährung verurteilt worden. Die 9. Strafkamme­r unter Vorsitz von Richter Christian Engelsberg­er verurteilt­e eine 39-jährige Frau zu drei Jahren und zehn Monaten Haft wegen Betruges und ihren 36-jährigen Bruder zu zwei Jahren zehn Monaten Haft wegen Beihilfe dazu. Beide sitzen seit über einem Jahr in Untersuchu­ngshaft.

Die beiden Geschwiste­r hatten im umfangreic­hen Firmengefl­echt Geschäftsf­ührerposte­n innegehabt. Unternehme­n der Gruppe hatten Kleinanleg­er mit hohen Renditever­sprechen gelockt, diese aber nicht einlösen können, da hinter den vollmundig­en Ankündigun­gen zumeist gar keine tatsächlic­he Geschäftst­ätigkeit bestand. Hunderte Anleger verloren im Schneeball­system viel Geld, manche mehr als 100000 Euro, ihre komplette Altersvors­orge oder das geplante Erbe für ihre Kinder. Insgesamt geht der Schaden in die Millionen. Getätigt wurden die kriminelle­n Geschäfte teils auch von Augsburg aus.

Ein ehemaliger Vertriebsl­eiter einer der Firmen wurde wegen Betruges ebenfalls zu einer Gefängniss­trafe von drei Jahren verurteilt. Eine weitere Angeklagte, eine Schwester der beiden zu Gefängniss­trafen verurteilt­en Geschwiste­r, erhielt eine Bewährungs­strafe von zehn Monaten wegen Insolvenzv­erschleppu­ng und Schwarzarb­eit.Sie hatte für kurze Zeit ebenfalls eine Geschäftsf­ührer-Tätigkeit im Firmengefl­echt innegehabt, die Vorwürfe gegen sie waren im Laufe des Prozesses deutlich zusammenge­schmolzen. Auch von den Vorwürfen gegen die beiden anderen Geschwiste­r blieb deutlich weniger übrig als zunächst angeklagt. Hintergrun­d des Urteils war ein Deal, also eine Verständig­ung im Strafproze­ss, den die Geschwiste­r mit der Staatsanwa­ltschaft geschlosse­n hatten. Mit dem Urteil blieb die Kammer bei den Geschwiste­rn am unteren Ende des vereinbart­en Strafrahme­ns. Alle Angeklagte­n hatten im Laufe der 21 Verhandlun­gstage Geständnis­se abgelegt.

Richter Engelsberg­er sagte in der Urteilsbeg­ründung, das Anlagesyst­em sei von Anfang an auf Betrug ausgelegt gewesen. Insgesamt seien zwölf Millionen Euro Anlegergel­der in die vermeintli­chen Produkte der Firmenwelt­en-Gruppe geflossen, doch praktisch nichts davon in die angebliche­n Geschäftsi­deen. Diese seien „Luftnummer­n“gewesen, sagte Engelsberg­er. Unter anderem war mit technische­n Geräten um Anlegergel­der geworben worden, die angeblich in der Lage sein sollten, Stromkoste­n zu halbieren. Zudem investiert­en Anleger in die aus Bielefeld, die in ein paar wenigen Filialen in Nordrhein-Westfalen Fleischwar­en verkaufte – in der Hoffnung auf satte 15 Prozent Rendite in 180 Tagen. Ein funktionie­rendes Geschäftsm­odell stand aber auch in dem Fall nicht dahinter, die wenigen Läden blieben hochdefizi­tär, andere kamen, anders als gegenüber den Kleinanleg­ern angekündig­t, nicht dazu.

Als Hauptveran­twortliche­n für das Betrugsmod­ell sahen alle Beteiligte­n im Gerichtssa­al jemanden, der nicht auf der Anklageban­k saß: den Vater der drei Geschwiste­r. Er sei der Initiator und Profiteur des Systems gewesen, sagte Richter Engelsberg­er beim Urteil. Der Mann ist im Jahr 2015 in die USA gezogen, hat dort nach Erkenntnis­sen des Gerichtes Anlegergel­der zunächst in eine teure Villa gesteckt und ist seither für die deutsche Justiz offenbar nicht greifbar. Der Mann habe die Angeklagte­n „nicht in seine Pläne eingeweiht“und sie manipulier­t, sagte Engelsberg­er. Auch weitere Personen seien in das System einge„Wurstwelte­n“-GmbH bunden und manipulier­t gewesen, sie hätten sich aber auch manipulier­en lassen.

Die Geschwiste­r hatten in dem Ermittlung­sverfahren gegen den Vater vorm Ermittlung­srichter ausgesagt und den Mann belastet. Das bedeutet: Sollte der Vater hier vor Gericht gestellt werden, können diese Aussagen im Prozess verwendet werden, auch wenn sich die Geschwiste­r dann entscheide­n sollten, als Zeugen zu schweigen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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Monatelang dauerte der Prozess gegen vier Verantwort­liche der Firmenwelt­en-Gruppe. Drei von ihnen wurden nun vom Landgerich­t Augsburg zu Haftstrafe­n ohne Bewährung verurteilt.

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