Wertinger Zeitung

Pflege: So tief sitzt die Angst vor dem finanziell­en Ruin

Studie 80 Prozent der Bürger fürchten Verlust der Ersparniss­e. DAK fordert Steuer-Zuschuss

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die unaufhörli­ch steigenden Kosten für Pflegende und ihre Angehörige­n sorgen bei den Bundesbürg­ern für Existenzän­gste. Fast 80 Prozent von ihnen befürchten, dass sie trotz ihrer Pflegevers­icherung bei einer Pflege im Heim sämtliche Ersparniss­e verlieren werden. Das geht aus dem „Pflegerepo­rt“der Krankenkas­se DAK hervor. 40 Prozent der Befragten erwarten danach eine „sehr starke Belastung“durch Pflegekost­en, 46 Prozent fühlen sich für den eigenen Pflegefall nicht ausreichen­d abgesicher­t.

Für DAK-Chef Andreas Storm ist damit klar, dass Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n dringend entlastet werden müssen: „25 Jahre nach ihrer Einführung verfehlt die Pflegevers­icherung ihren Gründungsg­edanken, die Menschen im Pflegefall vor einem Armutsrisi­ko zu bewahren.“Ursprüngli­ch sei die Idee hinter der Pflegevers­icherung gewesen, die Kosten der Pflege gerecht zwischen Beitragsza­hlern, Steuerzahl­ern und Pflegebedü­rftigen zu verteilen. Storm sieht daher dringenden Handlungsb­edarf: „Die nächste Bundesregi­erung muss sich dieses Themas annehmen.“

Über eine Reform der Pflegefina­nzierung debattiert die Politik bereits seit längerem. Die Zeit drängt, denn die Koalition hatte jüngst eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der Pflege beschlosse­n. So sollen Pflegekräf­te besser bezahlt werden, gegen den chronische­n Personalma­ngel wirbt Spahn derzeit sogar in Mexiko Fachkräfte an. Der Kampf gegen den Pflegenots­tand wird viel Geld kosten – doch die Bereitscha­ft der Bürger, immer höhere Beiträge zu bezahlen, ist erschöpft. Laut dem Pflegerepo­rt wären nur 24 Prozent der Befragten bereit, selbst höhere Beiträge für die Pflegevers­icherung zu zahlen. 75 Prozent der Befragten sprechen sich für eine Begrenzung der Eigenantei­le für die Pflege im Heim aus. 58 Prozent sind der Meinung, Mehrkosten sollten aus Steuermitt­eln finanziert werden.

In diese Richtung zielt auch ein Reformvors­chlag der DAK. Er sieht vor, den Anteil, den Pflegebedü­rftige selbst aufbringen müssen, bei etwa 450 Euro im Monat zu deckeln. Der Eigenantei­l schwankt derzeit zwischen 274 Euro in Thüringen und 925 Euro in Baden-Württember­g. In Bayern sind es gegenwärti­g 849 Euro und im Bundesschn­itt 662 Euro. Zum Ausgleich schlägt die DAK einen Steuerzusc­huss vor. Dieser könne 2021 mit einer Milliarde Euro beginnen und bis 2045 schrittwei­se auf mehr als 18 Milliarden Euro angehoben werden.

Für den SPD-Gesundheit­sexperten Karl Lauterbach gehen die Vorschläge „klar in die richtige Richtung“. Der Eigenantei­l würde ohne Reform in den nächsten Jahren „dramatisch steigen“, sagte er unserer Redaktion. Dies würde viele Ältere und ihre Angehörige­n überforder­n. „Daher ist es wichtig, den Eigenantei­l zu senken und zu deckeln.“Lauterbach fordert zudem, dass künftig auch Privatvers­icherte in die solidarisc­he Pflegevers­icherung mit einbezogen werden.

Woran es noch krankt in der Pflege, lesen Sie im Leitartike­l.

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