Illegale Geschäfte im Kemptener Krematorium
Gericht Zahngold und Medizin-Implantate wurden verkauft statt bestattet. Jetzt fiel in Augsburg das Urteil
Kempten/Augsburg Der Betreiber des Kemptener Krematoriums und sein Betriebsleiter haben illegale Geschäfte mit Zahngold, Eheringen, künstlichen Titangelenken und Herzschrittmachern von Toten gestanden. Zwischen 2014 und 2017 verkauften sie Edelmetalle im Wert von knapp 1,9 Millionen Euro an Recyclingfirmen, räumten sie am Mittwoch vor dem Schöffengericht Augsburg ein. Die Erlöse ließ sich der Geschäftsführer teilweise in Bar auszahlen und kaufte sich nach Worten der Staatsanwältin „Luxusgüter“, statt sie zu versteuern.
Das Geschäft mit den Überresten von Verstorbenen hatte makabre Züge: Im Zuge der Ermittlungen fanden Steuerfahnder im Haus des verschuldeten Betriebsleiters nicht nur 40000 Euro Bargeld, sondern auch einen Sack mit 2,3 Kilogramm Zahngold. Der Krematoriumsbesitzer wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, sein Betriebsleiter wegen Beihilfe zu neun Monaten.
Eigentlich ging es bei dem Prozess um Steuerhinterziehung. Die Staatsanwaltschaft warf den Angeklagten vor, 340000 Euro hinterzogen zu haben. Bei der Beweisaufnahme ging es aber nicht nur um die dubiosen Geschäftspraktiken, sondern auch um den Umgang mit den Toten im Krematorium. Verstorbene werden in eigens für Einäscherungen vorgesehenen Särgen bei 800 Grad verbrannt. Anschließend kämen alle Überreste auf einen „Sortiertisch“, sagte ein Steuerfahnder aus. Große Teile wie künstliche Gelenke werden von Hand aussortiert. Um Gold und Edelmetalle verkaufen zu können, wurden danach allerdings lange Zeit mithilfe von Magneten Metallteile abgesondert, schließlich Goldreste über ein Sieb gesammelt. Die Staatsanwältin sprach von einer bewussten „Manipulation“und einer „Störung der Totenruhe“.
Als das Finanzamt durch anonyme Anzeigen auf illegale Praktiken aufmerksam gemacht wurde, konfrontierte es den Krematoriumsbetreiber damit. Dieser, sagte der Steuerfahnder aus, gab sich „erstaunt“und bestritt das Sammeln von werthaltigen Gegenständen mit dem Ziel, sie zu verkaufen. Doch die Steuerfahnder ließen nicht locker. Unter anderem deshalb, weil auch andere deutsche Finanzämter illegale Zahngoldverkäufe nachgewiesen hatten. Die Ermittler vernahmen die Mitarbeiter in Kempten. Bei einer Aussage wurden sie hellhörig: Der Geschäftsführer habe nach Übernahme des Krematoriums angeordnet, werthaltige Überreste zu sammeln, wurde gesagt. Das Finanzamt prüfte zunächst weit zurückliegende Vorgänge, stieß aber auch auf spätere Unkorrektheiten. Während des Prozesses kamen auch die Geschäftspraktiken der holländischen Recyclingfirma zur Sprache, die sich auf die Verwertung des Zahngoldes von Toten spezialisiert hat. Der Verteidiger des Krematoriumsbetreibers sprach von dubiosen Abrechnungsmethoden.
Der Prozess war zunächst über mehrere Verhandlungstage angesetzt. Kurz nach Beginn zogen sich Richter, Verteidiger und Staatsanwältin aber zurück. Danach sagte der Richter den Angeklagten für den Fall von Geständnissen ein reduziertes Strafmaß zu, das den Geschäftsführer „nicht direkt ins Gefängnis“bringen würde. Beide Angeklagten räumten daraufhin „vollumfänglich“die Vorwürfe ein.
Sie hatten die gesammelten Edelmetalle in Containern selbst nach Holland gebracht. Innerhalb von vier Jahren zahlte die Recyclingfirma knapp 1,9 Millionen Euro aus. 1,2 Millionen Euro versteuerte der Krematoriumsbetreiber, 569000 Euro nicht. Er machte sich mit diesem Geld laut Staatsanwältin, „ein schönes Leben“. Die Steuerschulden hat er bereits zurückgezahlt.
Der Richter sprach von einer „verwerflichen Dreistigkeit“des Krematoriumsbetreibers. Bei seiner GmbH und ihm persönlich werden jetzt knapp eine Million Euro aus den Geschäftsgewinnen abgeschöpft. Beim Betriebsleiter werden die gefundenen 40000 Euro eingezogen. Der Krematoriums-Betreiber hatte angekündigt, dass er das Unternehmen weiter betreiben will.