Wertinger Zeitung

Werden bald ganze Wolfsrudel getötet?

Natur Die Raubtiere dürfen künftig leichter abgeschoss­en werden. Wie die Entscheidu­ng des Bundestags in Bayern ankommt und warum die Angst vor dem Wolf so groß ist

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Es gibt wenige Tiere, die derart polarisier­en wie der Wolf. Die einen wollen das Raubtier, das rund 150 Jahre lang aus den Wäldern der Republik verschwund­en war, schützen – die anderen wollen ihm das Fell über die Ohren ziehen. Und dieser Zwist wird längst nicht nur zwischen Naturschüt­zern und Viehhalter­n ausgetrage­n – auch im Bundestag wurde monatelang heftig gestritten. Jetzt gibt es eine Entscheidu­ng: Wölfe dürfen zum Schutz von Weidetiere­n künftig leichter abgeschoss­en werden.

Das Gesetz sieht vor, dass ein Abschuss der geschützte­n Tiere auch dann möglich sein soll, wenn unklar ist, welcher Wolf genau Nutztiere angegriffe­n hat. Es sollen so lange Tiere in einer Gegend getötet werden können, bis es keine Attacken mehr gibt – selbst, wenn ein ganzes Rudel sterben muss. Jeder Abschuss muss aber einzeln genehmigt werden.

Mit dem Gesetz will die Bundesregi­erung Viehhalter vor wirtschaft­lichen Schäden schützen und einer wie sie in vielen Dörfern zu spüren ist, entgegenwi­rken. Wie groß die Angst mitunter ist, zeigt ein aktueller Fall aus Schleswig-Holstein. Nach Wolfsattac­ken auf Schafe wurde dort eine Wald-Kita geschlosse­n, weil man befürchtet­e, dass das Raubtier auch Kinder angreifen könnte.

Im Allgäu war die Stimmung im Sommer verganenen Jahres ähnlich. Nachdem mehrere Kälber gerissen wurden, trauten sich mancherort­s Kindergart­engruppen nicht mehr in den Wald, Landwirte holten ihr

Vieh von der Weide. Michael Honisch, Geschäftsf­ührer des Alpwirtsch­aftlichen Vereins im Allgäu, freut sich deshalb über die Neuregelun­g – sie geht ihm aber nicht weit genug. „Dieses Gesetz ist ein zaghafter Schritt in die richtige Richtung. Aber es reicht nicht“, sagt er. „Die Wölfe vermehren sich stark. Wir werden massive Probleme bekommen.“Honisch fordert deshalb:

„Der Abschuss gehört weiter gelockert.“Es müsse Vorranggeb­iete für die Weide- und Alpwirtsch­aft geben – ohne Wolf. Schutzzäun­e im Alpenraum bringen aus seiner Sicht nichts. „Bislang wurde noch jeder vom Menschen aufgestell­te Herdenschu­tzzaun vom Wolf überwunden.“

Schwabens Bauernpräs­ident Alfred Enderle sieht das ganz ähnlich: Dass der Abschuss erleichter­t wird, komme den Landwirten entgegen. „Allerdings muss der Abschuss ja weiterhin genehmigt werden. Und diese Entscheidu­ngswege sind sehr schwerfäll­ig“, sagt Enderle.

Andreas von Lindeiner, Wolfsexper­te, Landesfach­beauftragt­er beim Bayerische­n Landesbund für Vogelschut­z und Mitglied in der Arbeitsgru­ppe „Große Beutegreif­er“, hält das Konzept des Bundestags durchaus für tragfähig – aber nicht in Bayern. In manchen Regionen, etwa in der Lausitz oder im südlichen Brandenbur­g, gebe es flächendec­kend Wölfe. „Da ist es nachvollzi­ehbar. Allerdings muss auch dort der Herdenschu­tz oberste Priorität haben, bevor der Abschuss im Einzelfall geVerunsic­herung, nehmigt werden kann.“Im Freistaat indes gebe es nur wenige Wölfe. Und deren Population wäre in Gefahr, wenn schneller und öfter geschossen würde. „Es gibt ganz klare Vorgaben des Europäisch­en Gerichtsho­fes. Der Abschuss muss zielgerich­tet sein und darf die Population nicht gefährden.“

Im Freistaat gibt es einen WolfsManag­ementplan, der ganz grundsätzl­ich regelt, wie Mensch und Tier zusammenle­ben können. Unter anderem ist darin festgelegt, dass ein Wolf dann getötet werden darf, wenn er eine Gefahr für den Menschen darstellt oder Weidetiere reißt, die ordnungsge­mäß geschützt waren. Dieser Plan hat dem bayerische­n Umweltmini­sterium zufolge weiterhin Bestand.

Und auch Wolfsexper­te von Lindeiner sagt: „An diesem Plan werden wir festhalten. Wenn es in Bayern irgendwann einmal eine flächendec­kende Besiedlung mit Wölfen gibt, dann kann der Bundestags­beschluss gegebenenf­alls zum Tragen kommen.“Wie sinnvoll das Gesetz ist, damit befasst sich der Kommentar.

Aus Angst vor dem Wolf wurde eine Kita geschlosse­n

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