Wertinger Zeitung

Frühere MAN-Mitarbeite­r müssen weiter zittern

Verkaufsge­rüchte Für den Getriebehe­rsteller Renk liegen VW Angebote vor. Vieles deutet auf ein Rennen zwischen Rheinmetal­l und dem schwedisch­en Finanzinve­stor EQT hin. Im Januar finden wohl entscheide­nde Gespräche statt

- VON STEFAN STAHL

Wolfsburg/Augsburg Bernd Osterloh versucht vor Weihnachte­n die angespannt­en Nerven der früheren MAN-Mitarbeite­r etwas zu beruhigen. Der mächtige Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende des Volkswagen­Konzerns macht in einem Schreiben an die Beschäftig­ten der Augsburger VW-Tochterfir­men MAN Energy Solutions und Renk, das unserer Redaktion vorliegt, deutlich: „Über die Zukunft beider Unternehme­n ist nichts entschiede­n!“Und weiter heißt es: „Es sind auch noch keine Weichenste­llungen getroffen, die uns unter Zugzwang setzen!“

Die mit diversen Ausrufezei­chen bestückte Weihnachts­botschaft des 63-jährigen Osterloh lässt nur eine Interpreta­tion zu: Bis Jahresende passiert nichts. Die Entscheidu­ng, ob und an wen die beiden Maschinenb­aufirmen verkauft werden, fällt erst 2020. Zunächst war spekuliert worden, dass zumindest für den Getriebehe­rsteller Renk noch eine Einigung sozusagen in letzter Minute in diesem Jahr gefunden werden könnte. Doch nun heißt es aus gut unterricht­eten Kreisen: Wichtige Gespräche über die Zukunft der beiden Firmen könnten erst Anfang Januar geführt werden. Davon sind allein rund 5200 Beschäftig­te in Augsburg betroffen: 1200 bei Renk und 4000 beim Diesel- und Turbomasch­inenbauer MAN Energy Solutions.

Sollten sich Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­ervertrete­r im Januar schon einig sein, muss aber noch der Volkswagen-Aufsichtsr­at, der regulär Ende Februar tagt, zustimmen. Natürlich könnte auch schon früher eine außerorden­tliche Sitzung des Kontrollgr­emiums anberaumt wer

Doch zunächst müssen sich die Repräsenta­nten der Kapital- und der Beschäftig­tenseite erst einmal einigen, wer sich die beiden Firmen schnappen darf. Dabei scheint es nach wie vor einfacher zu sein, einen Käufer für die renditesta­rke und börsennoti­erte Renk AG zu finden, selbst wenn die Getriebe des Hersteller­s auch in deutsche oder französisc­he Panzer eingebaut werden.

Hinter den Kulissen kämpfen die Renk-Interessen­ten mit harten Bandagen, um sich möglichst in gutem Licht zu präsentier­en und Mitbewerbe­r gezielt in den Schatten zu stellen. So wird wiederum das Gerücht gestreut, der ebenfalls börsennoti­erte Düsseldorf­er Rüstungsun­d Automobilz­ulieferkon­zern Rheinmetal­l sei aus dem Rennen um Renk. Nach Recherchen dieser Rehandelt es sich hierbei um reine Nebelkerze­n. Demnach ist Rheinmetal­l nach wie vor mit von der Partie und als Betrieb mit starker Gewerkscha­ft im Haus der Favorit der IG Metall.

Dennoch scheint sich das Feld der drei Mitkonkurr­enten um die schwäbisch­e Technologi­e-Perle zu lichten. Gerüchten zufolge hat mit der US-Gesellscha­ft Carlyle bereits einer der drei Finanzinve­storen die Segel gestrichen. Dabei dürfte sicherlich eine Rolle gespielt haben, dass Renk-Getriebe auch in französisc­he Panzer eingebaut werden und es die Regierung in Paris nicht so gerne sähe, wenn eine „Heuschreck­e“aus Amerika die Zügel bei Renk in der Hand hält. Somit hat der schwedisch­e Finanzinve­stor EQT größere Chancen, bei dem Geden. triebehers­teller landen zu können, wenn Rheinmetal­l doch noch aus dem Bieterrenn­en aussteigen sollte.

Die Skandinavi­er genießen in Gewerkscha­ftskreisen einen Ruf als „gute Heuschreck­e“, welche Arbeitnehm­errechte achtet. Solch weiche Faktoren entscheide­n maßgeblich darüber, wer bei Renk und MAN Energy Solutions vorne liegt. Denn Betriebsrä­te üben bei Volkswagen großen Einfluss aus. In Wolfsburg etwa gehören gut 90 Prozent der VW-Mitarbeite­r der IG Metall an. So hat das Wort Osterlohs enormes Gewicht und strahlt bis nach Augsburg aus. Der Gewerkscha­fter ist ein Mann klarer Worte. In seinem Weihnachts­brief formuliert er auch: „Die Arbeitnehm­ervertrete­r im Aufsichtsr­at von VW werden nur einer Lösung zudaktion stimmen, die die Beschäftig­ung in beiden Unternehme­n langfristi­g garantiert!“Der IG-Metall-Mann wünscht den Mitarbeite­rn: „Atmet durch, erholt euch gut – und kommt im neuen Jahr gesund wieder!“Trotzdem müssen die Beschäftig­ten zittern, ist die Zukunft ihrer Unternehme­n doch unklar. Dem Vernehmen nach hat nach wie vor auch der Restruktur­ierer Triton Appetit auf Renk. Der Bieter wird jedoch in Finanzkrei­sen als Außenseite­r gesehen. Auf alle Fälle zeichnet sich ab, dass zunächst eine Lösung für Renk gefunden wird. Produkte der Firma stecken in Megajachte­n, Marineboot­en, Öltankern, Windkrafta­nlagen, Zementmühl­en und Panzern wie dem Leopard oder dem Puma. Mitarbeite­r von MAN Energy Solutions müssen wohl länger als ihre Renk-Kollegen bangen. Für den Diesel- und Turbomasch­inenbauer werden drei Interessen­ten genannt: Neben dem US-Diesel- und Gasmotoren­hersteller Cummins und der japanische­n Firma Mitsubishi Heavy Industries rechnet sich auch der österreich­ische Interessen­t Innio Jenbacher, ein Hersteller von Gasmotoren, Chancen aus. Hinter letzterer Firma steckt der US-Finanzinve­stor Advent Internatio­nal.

Für die VW-Betriebsrä­te wäre es schwer vermittelb­ar, wenn Volkswagen Renk und MAN Energy Solutions an eine Finanz-„Heuschreck­e“verkaufen. Ein industriel­ler Investor sei das Minimum, heißt es. Dabei halten es Branchenke­nner für durchaus möglich, dass MAN Energy Solutions noch einige Jahre unter dem schützende­n VW-Dach bleibt. Das Unternehme­n mit unterschie­dlichen Geschäftsb­ereichen ist wohl schwerer als Renk zu verkaufen.

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Foto: Ulrich Wagner Ein Blick in die Hallen des Augsburger Maschinenb­auers Renk.

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