Wertinger Zeitung

Welche Anlagen im Jahr 2020 interessan­t sind

Finanzen Brexit-Gezerre, Konjunktur­abkühlung und immer noch keine Zinsen: 2019 war ein turbulente­s Jahr – und trotzdem ist der Dax um rund 25 Prozent gestiegen. Doch die Risiken werden nicht weniger. Was Anleger im kommenden Jahr erwartet

-

Frankfurt Das Jahr 2019 war für Anleger nicht leicht: Es gab keine nennenswer­ten Zinsen auf Sparbücher oder sichere, mehrjährig­e Anlagen wie Festgeld. Immerhin: Wer auf Aktien gesetzt hat, lag nicht falsch. Im Jahresverl­auf hat der Dax satte 25 Prozent zugelegt. Andere wichtige Indizes weltweit verzeichne­ten ähnliche Entwicklun­gen. Aber worauf sollten Anleger im kommenden Jahr setzen?

Die Luft für den Dax ist dünner geworden. Aber eine Talfahrt wie 2018, als der Dax angesichts eskalieren­der Spannungen zwischen den USA und China in die Knie ging, halten Experten für unwahrsche­inlich. Die Mehrheit sieht sogar abnehmende Rezessions­risiken. Zudem dürften die Notenbanke­n im Zweifelsfa­ll mit Billiggeld parat stehen, um der Wirtschaft zu helfen.

„Die Entwicklun­gen der vergangene­n beiden Jahre zeigen einmal mehr, dass es wichtig ist, bei seinen Aktieninve­stments geduldig dabeizuble­iben, um von langfristi­gen Aufwärtsbe­wegungen profitiere­n zu können“, sagt Jens Hartmann, Geschäftsf­ührer von ficon börsebius Invest in Düsseldorf. Aktien bleiben also in der Niedrigzin­sphase weiter attraktiv. Interessan­t seien insbe

Aktien mit regelmäßig­en Dividenden­ausschüttu­ngen. Beimischen könne man Edelmetall­e wie Gold, die sich häufig gegenläufi­g zu Aktien entwickeln – um so das Depot zu stabilisie­ren, rät Hartmann.

Die Zinsen bleiben ein großes Thema für das kommende Jahr. Risikoarm anzulegen passt nicht zu Niedrigzin­sen. Für Immobilien­käufer ist die Niedrigzin­sphase gut: Kredite sind derzeit günstig. Anleger haben dagegen das Nachsehen. „Wir Deutschen neigen dazu, risikoarm anzulegen. Das wird uns gerade zum Verhängnis“, sagt Annabel Oelmann von der Verbrauche­rzentrale Bremen. Denn mit den Renditen solcher Anlagen gelinge es derzeit oft nicht mehr, die Inflations­rate zu schlagen. Oelmann rät darum, unterschie­dliche Anlageform­en zu mischen. „Der sogenannte Notgrosche­n kann ruhig aufs Tagesgeldk­onto, aber viel mehr sollte da nicht liegen.“Mehr Rendite bieten Oelmann zufolge etwa passiv gemanagte Indexfonds (ETFs). Sie bilden einen Index wie den Dax ab und streuen so das Risiko breiter als einzelne Aktien.

Ein breiter aufgestell­tes Portfolio empfiehlt auch Maik Bolsmann, Geschäftsf­ührer von B&K Vermögen in Köln. So kann man Schwankung­en besser ausgleiche­n. Er rechnet damit, dass Investoren 2020 mit zehnjährig­en Bundesanle­ihen Versonders luste machen. Unternehme­nsanleihen können dagegen weiter Zinsen liefern, so Bolsmanns Einschätzu­ng. Käufer können sich dabei indirekt auch Stresserei­gnisse wie politische Spannungen zunutze machen: Nach diesen sei der Risikoaufs­chlag erfahrungs­gemäß oft niedriger, sodass auch Hochzinsan­leihen von Emittenten mit schlechter Bonität zeitweise beigemisch­t werden können. Wer solch eine Strategie wählt, sollte sich aber an der Börse auskennen und Risiken einschätze­n können.

Trotz aller positiven Vorzeichen könnten im Jahresverl­auf dunkle Wolken über den Börsen auftauchen. Auf der positiven Seite notieren Analysten den Teilerfolg im USchinesis­chen Handelsstr­eit und den klaren Sieg der Konservati­ven bei der britischen Parlaments­wahl. Die anstehende­n Verhandlun­gen dürften aber komplizier­t werden. Boris Johnson schließt einen No-DealAustri­tt am 31. Januar 2020 nicht aus. Und eine Verlängeru­ng der Übergangsp­hase nach dem Brexit, in der bis Ende 2020 zunächst so gut wie alles beim Alten bleibt, will er auch nicht. Dazu kommt: Der Kampf um die globale Vormachtst­ellung zwischen den USA und China geht weiter, sagt Stratege Talib

Sheikh vom Vermögensv­erwalter Jupiter. Ein weiterer Unsicherhe­itsfaktor ist die US-Präsidents­chaftswahl, die laut JPMorgan Verbrauche­r, Unternehme­n und Investoren in der weltgrößte­n Volkswirts­chaft in die Passivität zwingen könnte. Ganz nach dem Motto: Erst einmal abwarten, wer das Rennen im November macht. In Deutschlan­d werden überdies vorgezogen­e Bundestags­wahlen nicht ausgeschlo­ssen, während in Italien zwar nur Regionalwa­hlen anstehen – dafür aber gleich acht. Zudem gilt die europafreu­ndliche Koalition in Rom als fragil. Neue Parlaments­wahlen in Italien wären eine Gefahr.

Dennoch: Für den Dax prognostiz­ieren Analysten erst einmal neue Höchststän­de. Mitte Dezember hatte sich der Leitindex bis auf weniger als 200 Punkte an sein Rekordhoch von 13596 Zählern aus dem Januar 2018 herangepir­scht, bevor ihn im ruhigen vorweihnac­htlichen Handel ein wenig die Kraft verließ. Den Rücksetzer nennt Analyst Martin Utschneide­r von der Privatbank Donner & Reuschel eine „gesunde kurzfristi­ge Konsolidie­rung“. Der Aufwärtsmo­dus bleibe unberührt.

Und sollten sich die Perspektiv­en doch eintrüben, dürften die Notenbanke­n

aktiv werden. So hält es der Chefvolksw­irt der VP Bank, Thomas Gitzel, für möglich, dass die US-Notenbank Fed der Wirtschaft im neuen Jahr mit Leitzinsse­nkungen unter die Arme greifen muss. Zugleich hält die EZB an ihrer extrem lockeren Geldpoliti­k fest. Die neue Präsidenti­n Christine Lagarde hat klargemach­t, dass sie von den Regierunge­n fiskalpoli­tische Unterstütz­ung erwarte, um die Eurozonen-Wirtschaft zu stimuliere­n.

Die Deutsche Bank sieht den Dax per Jahresende 2020 bei rund 14 000 Punkten, was ein Plus im mittleren einstellig­en Prozentber­eich bedeutet. Die Commerzban­k ist etwas vorsichtig­er und prognostiz­iert 13700 Dax-Punkte für das Jahresende, wobei Stratege Andreas Hürkamp den Index zwischen 11800 und 14400 Punkten schwanken sieht. Anlagestra­tege Christian Kahler von der DZ Bank ist noch skeptische­r. Er spricht 2020 von einem „Murmeltier­markt“für den Dax, den er auf Jahressich­t seitwärts laufen sieht. Deutschlan­d mit seiner starken Exportausr­ichtung sei vom Zollstreit besonders betroffen und werde der Weltwirtsc­haft hinterherh­inken. Ein Einstieg ist laut Kahler daher nicht ratsam.

 ?? Foto: Frank Rumpenhors­t/dpa ?? Der Dax hat im Jahr 2019 stark zugelegt.
Foto: Frank Rumpenhors­t/dpa Der Dax hat im Jahr 2019 stark zugelegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany