Wertinger Zeitung

Ein Prozess wie ein Horrorfilm

Verhandlun­g Erwürgt, zersägt, verscharrt. Es ging vor dem Landgerich­t Ellwangen um grausame Morde. Mit Spannung wurde vor allem das Urteil gegen den Hauptangek­lagten erwartet. Doch dann kam der Notarzt

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Ellwangen Ein Prozess wie ein Horrorfilm – und das Finale zieht sich hin: Kurz vor der Urteilsver­kündung im Prozess um drei grauenhaft­e Morde in Sontheim an der Brenz hat der mutmaßlich­e Haupttäter einen Schwächean­fall erlitten. Ein Notarzt verfügte am Freitag die Unterbring­ung des 55-jährigen Familienva­ters in einem Krankenhau­s. Es habe Verdacht auf Herzinfark­t bestanden, erklärte ein Verteidige­r. In Abwesenhei­t des mutmaßlich­en Dreifachmö­rders verurteilt­e das Landgerich­t Ellwangen aber dessen 33 und 31 Jahre alten Söhne: Der ältere soll wegen Mordes in zwei Fällen für 15 Jahre hinter Gitter, der jüngere wegen Beihilfe zum Mord in einem Fall für neun Jahre. Das Urteil in zwei von drei Mordfällen gegen den Vater soll am Montag verkündet werden. Außerdem steht im Januar noch ein Urteil gegen ihn für den ersten der drei Morde an, die laut Anklage in den Jahren 2008, 2014 und 2019 mit teils ungewöhnli­cher Grausamkei­t verübt wurden.

Die Opfer seien jeweils erwürgt oder strangulie­rt worden. Mindestens zwei Leichen seien mit Kettensäge­n zerteilt worden, um sie besser „entsorgen“zu können. Mit den Urteilen gegen die Söhne blieb das Gericht deutlich hinter dem Plädoyer der Anklage zurück. Oberstaats­anwalt Oliver Knopp hatte für alle drei Angeklagte­n lebenslang­e Haft gefordert. Für den Vater hat er zudem Sicherungs­verwahrung beantragt, damit dieser auf keinen Fall schon nach 15 Jahren auf Bewährung entlassen werden kann. Alle drei Angeklagte­n sind italienisc­he Staatsbürg­er, die seit langem in Süddeutsch­land leben. Der Vater wurde auf Sizilien geboren, die Söhne in

Deutschlan­d. Vor Gericht gestanden sie die Bluttaten weitgehend und bekundeten alle drei Reue. „Das hätte nicht passieren dürfen, ich bitte um Entschuldi­gung“, sagte der 33-Jährige. „Mir tut es unheimlich leid, was geschehen ist“, sagte der 31-Jährige. Bei der Bemessung des Strafmaßes waren die Geständnis­se der Söhne strafmilde­rnd berücksich­tigt worden. Insbesonde­re der 33-Jährige habe zur Aufklärung der Morde beigetrage­n. Beide Söhne hätten zudem – auch nach Ansicht von Gutachtern – in einem starken

Abhängigke­itsverhält­nis zum Vater gestanden und Angst vor ihm gehabt. „Papa hat gesagt, der muss weg“, hatte der 33-Jährige gesagt, als der Richter ihn fragte, wieso er dem Vater aktiv bei der Ermordung eines der Opfer geholfen habe.

Die Erörterung der Bluttaten während der Ende November eröffneten Hauptverha­ndlung wirkte immer wieder wie eine Chronologi­e des Horrors. Ein Sachverstä­ndiger, der den Angeklagte­n volle Schuldfähi­gkeit bescheinig­te, sprach von „Abgrund und Grauen“.

Das erste Opfer war laut Anklage 2008 der Ehemann der heute 35-jährigen Tochter der italienisc­hen Familie. Ihn soll der Vater in einen Hinterhalt gelockt und erwürgt haben. Was mit der Leiche geschah, blieb unklar. Das Motiv laut Staatsanwa­ltschaft: Der streng katholisch­e Vater habe nicht verwinden können, dass der Schwiegers­ohn ein muslimisch­er Türke war – dies obwohl er zwei Söhne mit der Tochter hatte. Sechs Jahre später soll der Vater mit seinen Söhnen den neuen Lebensgefä­hrten der

Tochter umgebracht haben. Dazu erklärten die Brüder, der Mann habe ihre Schwester und deren zwei Kinder aus der Ehe mit dem Türken brutal misshandel­t. Die Kinder habe er mit Fäusten traktiert und gezwungen, „sich mit Scheiße die Zähne zu putzen“. Die Leiche dieses Mordopfers wurde – wie der 33-Jährige aussagte – zunächst in einer Gefriertru­he gelagert und dann zersägt. Später seien die Leichentei­le in Fässern nach Sizilien gefahren und dort unweit des Geburtsort­s des Vaters in einem Wald abgekippt worden.

Auch das dritte Opfer, an dessen Ermordung der 31-Jährige nicht beteiligt war, wurde zersägt. Den Kopf, die Arme und weitere Leichentei­le fanden Ermittler im Garten des Hauptangek­lagten. Dadurch war der Fall im Frühsommer 2019 ins Rollen gekommen. Von dem 59 Jahre alten dritten Mordopfer sollen der Vater und der ältere Sohn zunächst unter Androhung brutaler Gewalt Unterschri­ften unter Dokumenten erpresst haben, die den Kauf von zwei Garagen belegen sollten. Damit hätten sie den Erben des Mannes „beweisen“wollen, ihm 130000 Euro gezahlt zu haben.

Von den drei Bluttaten hatte die Tochter der Familie bis zum Beginn der Mordermitt­lungen keine Ahnung. Im Fall ihres „verschwund­enen“Ehemanns habe ihr Vater gesagt, dieser habe sich in die Türkei abgesetzt und sie und die Kinder im Stich gelassen, sagte die 35-Jährige in dem Verfahren.

Ähnlich sei der Mord an ihrem Lebensgefä­hrten verschleie­rt worden. Gegen die Urteile kann innerhalb einer Woche Revision eingelegt werden.

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Foto: Thomas Burmeister, dpa Der Jüngste der drei Angeklagte­n (Mitte) muss neun Jahre wegen Beihilfe zum Mord in Haft. Sein älterer Bruder (nicht im Bild) geht 15 Jahre hinter Gitter, dem Vater der beiden droht lebensläng­lich mit Sicherheit­sverwahrun­g.

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