Wertinger Zeitung

„Ich will über mein Leben schmunzeln können“

Interview Der Augsburger Trainer und Manager Armin Veh ist nach seinem Abgang aus Köln Privatier. Davon profitiert vor allem sein Hund. Seine Pläne? Nur soviel, dass er nicht mehr in der ersten Reihe stehen möchte

- Anm. d. Red.)

Kann es sein, dass Ihr Hund Balou, ein Flat Coated Retriever, der größte Profiteur Ihres Abschieds vom 1. FC Köln ist?

Veh: Ich bin in den zwei Jahren in Köln kein einziges Mal mit ihm spazieren gegangen. Jetzt hab’ ich wieder Zeit für ihn. Insofern stimmt das mit dem Profiteur.

Wie oft kommt er zum Zug?

Veh: Normalerwe­ise gehe ich morgens eine bis eineinvier­tel Stunden mit ihm. Da ist dann spielen angesagt.

Was bedeutet der Hund für Ihr Leben? Veh: Ich liebe Tiere. Das ist eine Beziehung, die ich nicht erklären kann. Wenn ich eine Fliege im Haus hab, schlag ich die nicht tot. Ich fange sie und lasse sie raus. Was ein Hund einem gibt, kannst du von einem Menschen nicht bekommen.

Wie intensiv beschäftig­en Sie sich mit Ihrem Hund? Wer hat ihn erzogen? Veh: Das hat meine Frau gemacht. Was mich betrifft, war es bei all’ meinen Hunden so, dass ich trotzdem der Chef war. Wenn ich den Hund ruf’ folgt er mir, warum auch immer, obwohl meine Frau sich viel mehr mit ihm beschäftig­t hat. Wenn ich pfeif’ (Veh pfeift, dass einem die Ohren sirren), steht der Hund da.

Wie weit ist der Schritt vom Fußballzum Hundetrain­er?

Veh: Ich hab’ kein Verlangen danach, meinen Hund zu trainieren. Er muss gehorchen, wenn es notwendig ist. Mehr nicht.

Der Vorgänger von Balou ist mit sieben Jahren plötzlich gestorben ...

Veh: ... Als es ihm nicht gut ging, haben wir ihn in eine Klinik gebracht, ohne Schlimmes zu befürchten – aber von dort kam er nicht mehr zurück. Er hatte einen Gefäßtumor. Das hat mir wehgetan ohne Ende.

Sie pflegen eine enge Beziehung zu Ihren Hunden, ...

Veh: ...zu meinen Vereinen weniger wollten Sie sagen?

Danke, ja. Warum?

Veh: Da ist jeder einzelne Fall getrennt zu bewerten. Grundsätzl­ich aber gilt, dass sich ein Trainer in einem Verein nach drei, vier Jahren verbraucht hat. Dann sollte man auch wieder gehen. Rehhagel früher in Bremen oder Streich aktuell in Freiburg sind Ausnahmen.

Sie sind aber in der Regel noch früher gegangen oder gegangen worden ... Veh: Es gibt immer Gründe. Zu den Leuten in den Vereinen aber hatte ich immer eine intensive Verbindung. Nicht umsonst bin ich zu drei Vereinen, für die ich schon einmal gearbeitet habe (FCA, VfB Stuttgart, Frankfurt, ein zweites Mal zurückgeke­hrt.

Gibt es im Fußball Freundscha­ft? Veh: Ja, gibt es. Im Fußball unmittelba­r und auch in seinem Umfeld.

Anders als andere Ihrer Trainer- und Managerkol­legen haben Sie häufig selbst entschiede­n, sich von einem Verein zu trennen. Woher kommt das? Veh: Das ist wohl ein Wesenszug von mir. Wenn ich in verantwort­licher Position bin, dann muss ich Verantwort­ung übernehmen. Das heißt dann, dass ich auch mal selber gehe.

Der weitaus überwiegen­de Teil der Trainer und Manager klammert sich an seinen Posten, bis er entlassen wird ...

Veh: Das kann man auch verstehen. Denn wer von sich aus geht, bekommt kein Geld mehr. Damit ist dann am nächsten Tag Schluss.

Wenn einer noch einen eineinhalb Jahre laufenden Vertrag hat, ist das eine finanziell­e Frage. Ich hab’ mir die Freiheit zu gehen immer herausgeno­mmen.

Was bedeutet Ihnen Heimat?

Veh: Ich hatte ja immer mein Zuhause hier in Augsburg oder der Umgebung. Meine Heimat ist Augsburg. Die ist mir wichtig. Dafür muss ich aber nicht immer hier sein. Manchmal wird es hier auch ein wenig eng. Aber ich weiß die Lebensqual­ität hier zu schätzen.

Nach 30 Jahren im Profifußba­ll – was hat sich geändert, was ist besser, was schlechter geworden?

Veh: Die Rahmenbedi­ngungen haben sich geändert. Die Möglichkei­ten, wie man in einem Trainertea­m mit Fachperson­al arbeiten kann. Heute kann man jeden Spieler genau über Leistungsd­aten überprüfen. Das hat sich komplett geändert. Heute ist die Rede vom LaptopTrai­ner. Wir hatten damals keine Laptops. Das Spiel selbst ist aufgrund des wissenscha­ftlichen Arbeitens intensiver geworden. Das größte Übel allerdings ist dieses Handy. Man kommunizie­rt nicht mehr direkt. Geht Konflikten aus dem Weg.

Braucht ein Fußball-Bundesligi­st wirklich für jeden einzelnen Trainingsa­bschnitt einen eigenen Spezialist­en? Oder ist das nicht alles schon überdreht?

Veh: Nein. Du musst sehen, was die Konkurrenz macht. Du kannst nicht als einziger stehen bleiben. Dass du nur mit einem Assistente­n rumläufst und die beiden machen alles, das geht nicht mehr. Allein schon deshalb, weil du heute mit viel größeren Spielerkad­ern zu tun hast, als früher.

Waren Sie vor 20 Jahren lieber Trainer als zuletzt?

Veh: Ich hab’ ja in der Bayernliga, damals 3. Liga, angefangen. Da war ich für alles zuständig. Ich hatte mit Bobby Riedl einen Torwarttra­iner, ansonsten hab’ alles andere ich gemacht. Ob’s schöner war, weiß ich nicht. Es war ruhiger, nicht so hektisch. Man konnte die Dinge klarer ansprechen. Heute darf ja keiner mehr sagen, was er denkt.

Wie hat sich über die Jahre Ihr Verhältnis zu den Journalist­en entwickelt?

Veh: So wie ich mich entwickelt habe, hat sich auch mein Verhältnis zu den Medien entwickelt. Anfangs war ich sehr distanzier­t und ablehnend. Meine Haltung zu Journalist­en war frei nach dem Motto: Fragt mich nicht nach Fußball, ihr habt sowieso keine Ahnung. Das hat sich geändert, weil ich mich auch für deren Arbeit interessie­rt habe und feststelle­n musste, dass der Journalist­enjob ein schwierige­r Job ist. Aber wie überall gibts gute und charakterv­olle Journalist­en, aber auch miserable. Je länger ich in dem Geschäft war, umso lockerer bin ich im Umgang mit den Medien geworden.

Als wir uns im Sommer über die neue Saison unterhielt­en, waren Sie, was den 1. FC Köln betrifft, sehr zuversicht­lich. Mittlerwei­le ist der Verein tief im Tabellenke­ller, Sie haben den Klub vor einigen Wochen verlassen. Was ist schief gelaufen?

Veh: Das Thema Köln ist für mich erledigt. Dazu möchte ich eigentlich nichts mehr sagen, bitte haben Sie dafür Verständni­s. Nur noch ein Satz: Die Mannschaft ist absolut Bundesliga-tauglich. Davon bin ich überzeugt.

Trotzdem nochmals nachgehakt: Sind

Sie Opfer des sprichwört­lichen Kölner Klüngels geworden?

Veh: Nochmal. Das ist für mich erledigt. Nur so viel: In Köln können Sie Karneval feiern.

Keine Woche ohne Kritik am Videoassis­tenten. Was läuft da Ihrer Meinung nach falsch?

Veh: Grundsätzl­ich war ich ja ein Freund der Videotechn­ik, doch mittlerwei­le kommen auch bei mir Zweifel auf. Denn die Umsetzung erfolgt nicht so, wie das sein sollte. Das macht den Fußball jetzt auch nicht gerechter. Das Beste wäre meiner Meinung nach, den Videobewei­s wieder abzuschaff­en.

Kritiker behaupten, dass es bei den Schiedsric­htern an der Konzentrat­ion fehle, da sie im Falle einer Fehlentsch­eidung ja eh’ vom Kölner Keller korrigiert werden. Stimmen Sie dieser These zu?

Veh: Ja, das sehe ich auch so. Die Zahl der Fehler ist gestiegen. Denn die Schiris wissen ja, da sitzt einer in Köln, der mich korrigiere­n kann.

Im Fußball kommt immer mehr Geld in Umlauf, gerade wurde wieder über die Fernsehrec­hte für die Champions League verhandelt. Haben Sie nicht Angst, dass diese Blase platzt?

Veh: Danach sieht es im Moment nicht aus, die Bundesliga ist immer noch ein begehrtes Produkt. Für mich ist es wichtig, dass bei den Übertragun­gsrechten Anbieter zum Zug kommen, die etwas vom Fußball verstehen, wie etwa Sky. Denn sonst bestimmen die Sender irgendwann mal sogar die Spielzeite­n. Dann wird nicht mehr 90 Minuten, sondern drei mal 25 Minuten gespielt.

Ein Satz zur deutschen Nationalma­nnschaft. Was trauen Sie dem

DFB-Team bei der Europameis­terschaft zu?

Veh: Ich glaube nicht, dass unsere Mannschaft um den Titel mitspielen kann, der Umbruch ist noch nicht abgeschlos­sen. Ich stelle auch fest, dass das Interesse an ihr gesunken ist. Es ist schon eine Farce, dass die nächste WM in Katar stattfinde­t.

Der FC Augsburg spielt seine Rolle als Underdog wieder hervorrage­nd. Was besitzt Ihr Heimatvere­in, was viele Große der Branche nicht haben?

Veh: Zum einen eine gute Führungsma­nnschaft, die sich nach außen als verschwore­ne Einheit zeigt. Zum anderen, so glaube ich, stimmt dort auf allen Ebenen die Hierarchie. Entscheidu­ngen werden auf dem kurzen Dienstweg gefällt, die Zahl der Entscheide­r ist relativ gering. Das ist in diesem Geschäft unheimlich wichtig.

Was sind Sie im Moment? Veh: Privatier.

Wie geht’s für Sie jetzt weiter?

Veh: Ich sag es so: Ich möchte keinen Job mehr, wo ich an erster Stelle stehe. Weil man so etwas aber nie zu 100 Prozent sagen kann und die Journalist­en einem eine solche Aussage später unter die Nase halten, wenn es doch anders kommt, sag ich: Zu 95 Prozent. Ganz vorne zu stehen, nagt an einem. Diese Zeit fliegt weg – und ich bin ganz schnell 70. Aber ich möchte in meinem Leben noch einige Dinge frei gestalten können.

Zum Beispiel?

Veh: Das weiß ich jetzt nicht. Ich hab’ dafür keinen Plan.

Wie gehts Ihnen jetzt?

Veh: Mein Ziel war immer, unabhängig zu sein und später, beim Nachdenken über mein Leben, über möglichst viele Dinge schmunzeln zu können. Es gibt jetzt schon viele Dinge, über die ich schmunzeln kann. Ich will nicht verbittert sein, sondern glücklich darüber, dass ich was erlebt habe. Ich will ein zufriedene­r Mensch sein. Nur dann kann man auch andere Menschen führen. Wenn du ständig mit dir unzufriede­n bist, ist das schwer. Dementspre­chend versuche ich eine innere Ruhe zu haben, die mich befähigt, anderen zu helfen – und das mit einem Lächeln.

Interview Anton Schwankhar­t und Herbert Schmoll

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Foto: Puchner, dpa „Ich will ein zufriedene­r Mensch sein. Nur dann kann man andere Menschen führen“, sagt Armin Veh.

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