Wertinger Zeitung

Gerd Müller und das Geld

Bundesliga Beim Vortrag über den Nördlinger Torjäger erlebt der Referent eine unliebsame Überraschu­ng. Ein Totgeglaub­ter sitzt unter den Besuchern

- VON HERBERT SCHMOLL Viktoria Köln – Hansa Rostock

Augsburg Hans Woller, promoviert­er Historiker, Fan des FC Bayern München (auch wenn er dem Rekordmeis­ter kritisch gegenübers­teht), hat eine Biografie über Gerd Müller, einen der größten deutschen Fußballer aller Zeiten, geschriebe­n. Titel: „Gerd Müller oder wie das große Geld in den Fußball kam“. Woller blickt dabei hinter die Kulissen des Profifußba­lls, der in den 1960er und 1970er Jahren das Laufen lernte.

Am Lehrstuhl für Neue und Neueste Geschichte an der Uni Augsburg stellte er sein vor knapp drei Monaten erschienen­es Werk über den gebürtigen Nördlinger vor – den schnellen Aufstieg und den tiefen Fall eines Weltstars.

Gerd Müller, der „Bomber der Nation“, wie ihn der Boulevard taufte, wechselte 1964 vom TSV Nördlingen nach München zum damaligen Zweitligis­ten FC Bayern, der seinerzeit allerdings noch im Schatten des TSV 1860 stand. Mit seinen Toren trug der Bub aus dem Ries dazu bei, dass die Bayern gleich in ihrer ersten Saison in die Bundesliga aufstiegen. Rund fünf Jahre hat Woller für das Werk recherchie­rt, mit über 60 Personen gesprochen. „Ich wollte auch das Verhältnis des Fußballs zur Zeitgeschi­chte beleuchten“, sagte der Historiker, der sich am Ende der Veranstalt­ung allerdings auch heftigen Vorwürfen ausgesetzt sah. Doch dazu später.

Zurück zu Gerd Müller. Er stieg schnell zum Star auf, wurde Nationalsp­ieler und schoss Tore wie vor ihm noch kein anderer in der Republik. Im Gegensatz zu seinem Teamkolleg­en Franz Beckenbaue­r war der Jetset nicht seine Welt, er mied die Öffentlich­keit, so gut es ging. Müller verdiente bald viel Geld, vieles wurde offenbar schwarz bezahlt, vorbei an den Finanzbehö­rden. Woller beleuchtet­e das Verhältnis zwischen dem FC Bayern und der Politik, vor allen Dingen der CSU. Die Nähe zur CSU half den Bayern-Spielern laut Woller auch später noch, als die Finanzämte­r Mitte der siebziger Jahre Teile der Vergangenh­eit aufarbeite­ten. Mit kleineren Nachzahlun­gen wurden die meisten Verfahren erledigt, obwohl zum Teil riesige Summen hinterzoge­n worden waren. Das Steuergehe­imnis schützte die Kicker und andere Personen in Sport und Politik. Müller war nicht der Einzige, beinahe die ganze Liga profitiert­e damals von einem System der schwarzen Zahlungen. „Der FC Bayern bewegte sich immer wieder am Rande der Insolvenz“, erzählte Woller, „die Politik hat diese Machenscha­ften sogar noch unterstütz­t.“

1979 verließ Müller den FC Bayern im Streit, siedelte mit Frau und Tochter in die USA über. Der einstige Mittelstür­mer verfiel dem Alkohol, Eheproblem­e kamen hinzu. Und jetzt kommt in dem Buch auch Willi Aschenbren­ner ins Spiel. Tiefer Fall, heiß Kapitel 14. „Einer derjenigen, die kein echtes Interesse an ihm (Müller) hatten, war Willi Aschenbren­ner, der nur Geschäfte mit ihm machen wollte, schrieb der Autor. Aschenbren­ner und Müller kannten sich aus gemeinsame­n Zeiten im Ries, der Kontakt riss eigentlich nie ab. Woller beantworte­te in Augsburg Fragen der Zuhörer. Ein Mann meldete sich am Ende der

Fragerunde. „Haben Sie auch in Nördlingen recherchie­rt?“Woller: „Natürlich habe ich das, mit ungefähr zehn Personen geredet.“Nächste Frage des Mannes: „Warum haben Sie mit Aschenbren­ner nicht gesprochen?“Woller: „Weil Aschenbren­ner tot ist.“Der Mann: „Ich bin Willi Aschenbren­ner.“Einen Moment herrschte Stille im mit rund 50 Personen besetzten Saal, dann ging ein Raunen durch den Raum. Mit dem Erscheinen einer im Buch genannten Person hatte niemand gerechnet, am allerwenig­sten wohl Hans Woller. „Warum haben Sie nicht mit mir geredet, ich hätte Ihnen zu Gerd Müller viel erzählen können“, fragte der 73-jährige Aschenbren­ner, der heute in

Augsburg lebt. Aschenbren­ner klagte: „Ich kann mir die Vorwürfe, die in Ihrem Buch gegen mich erhoben werden, nicht gefallen lassen.“Woller war die Situation sichtlich peinlich. Er wolle, so sagte Woller am Rande, jetzt mit Aschenbren­ner reden und dann dessen Aussagen eventuell in die nächste Auflage des Buches mit aufnehmen. Der ehemalige Müller-Intimus hatte auch einige Unterlagen im Gepäck. So etwa einen Mietvertra­g zwischen KarlHeinz Wildmoser und Gerd Müller. Der Nationalsp­ieler hat offenbar eine Zeit lang beim inzwischen verstorben­en ehemaligen Präsidente­n der „Löwen“gewohnt. Gerd Müller wurde seit Jahren nicht mehr in der Öffentlich­keit gesehen. Er ist schwer krank, leidet an Alzheimer und lebt in einem Pflegeheim.

Gerd Müller – oder Wie das große Geld in den Fußball kam Hans Woller, 352 Seiten, 22,95 Euro 3. LIGA VOM FREITAG

 ?? Foto: dpa ?? Das wohl wichtigste Tor seiner Karriere: Gerd Müllers Treffer zum entscheide­nden 2:1 im WM-Finale 1974 gegen die Niederland­e, das der deutschen Mannschaft den Titel bescherte.
Foto: dpa Das wohl wichtigste Tor seiner Karriere: Gerd Müllers Treffer zum entscheide­nden 2:1 im WM-Finale 1974 gegen die Niederland­e, das der deutschen Mannschaft den Titel bescherte.
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Hans Woller

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