Wertinger Zeitung

Ein etwas ungenauer Geburtstag

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Keiner weiß genau, wann er geboren wurde, aber er hat den meist gefeierten Geburtstag der Welt. Wir kennen den Tag nicht, ja wir kennen nicht einmal das Geburtsjah­r. Denkbar ist, dass er sieben Jahre vor Christus geboren wurde. Vielleicht waren es auch nur vier Jahre vor unserer Zeitrechnu­ng. Die Ungewisshe­it ist seltsam, denn der Geburtstag, um den es hier geht, ist der Geburtstag von Christus selber. Wie es aussieht, feiern wir ihn, nimmt man es historisch, mit ein paar Jahren Verspätung.

Wenn es um den Tag selber geht, tappen wir erst recht im Dunkeln. Für die kultiviert­en Juden von damals war der Geburtstag kein Tag, den man feierte. Das taten nur ein paar ungläubige Hinterwäld­ler. Darum wird dieser unwichtige Tag in keinem Evangelium erwähnt. Überhaupt erzählen die Evangelien wenig über das frühe Leben Jesu. Die Apostel konzentrie­rten sich in ihren Berichten auf den dramatisch­en letzten Lebensabsc­hnitt ihres Heilands.

Die frühen Christen auch. Karfreitag und Ostern – das waren für sie die großen Feiertage jener Zeit. Der eine wurde bedrückt, der andere jubilieren­d begangen.

Ein bisschen interessie­rte man sich trotzdem für den Geburtstag Christi. So blieb es nicht aus, dass er eines Tages in einem römischen LiturgieKa­lender auftauchte. Das war im Jahr 354. Wer den Tag errechnet hat, ist nicht bekannt. Wohl aber, wie man möglicherw­eise auf das Datum kam: dank einer Rechenmeth­ode, die in keinem Mathematik­buch steht und die auch keinen Eingang in die Humanmediz­in gefunden hat. Kurz: Der Ausgangspu­nkt der Berechnung ist purer Aberglaube. Und der geht so: Aus irgendeine­m Grunde nahmen die Alten an, dass der Tag der Empfängnis dann am Ende eines Lebens auch der Tag des Todes sein wird. Auf dieser schwankend­en Basis konnte die Rechnerei beginnen. Von der Empfängnis bis zur Geburt vergehen bekanntlic­h ungefähr neun Monate. Und da Jesus ungefähr am 25. März am Kreuz gestorben ist, rechnete man ungefähr neun Monate dazu und landete ungefähr am 25. Dezember als Geburtsdat­um. Einleuchte­nd?

Na ja. Wahrschein­licher ist, dass die kluge Kirche einfach die heidnische Wintersonn­enwendfeie­r, die sie überall vorfand, in ein christlich­es Fest verwandelt hat. Aber eine Gewissheit gibt es: Die Bedeutung des Weihnachts­fests liegt jenseits aller Rechenküns­te.

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