So klappt Jobsharing in der Praxis
Die 40-Stunden-Woche passt immer weniger in die Lebenskonzepte der Menschen. Das Teilen einer Stelle ist ein Modell, um das aufzufangen. Drei Tandems erzählen, worauf es bei Planung und Umsetzung ankommt
München „Lydecca“, unter diesem Namen sind sie inzwischen bekannt. Lydia Leipert und Rebecca Zöller teilen sich eine Stelle: Sie koordinieren den Bereich „Film Digital“beim Bayerischen Rundfunk. Jobsharing heißt das Modell, das die beiden praktizieren. Eine Position – und zwei Personen, die sie ausfüllen. Leipert und Zöller sind beide Mütter von je zwei kleinen Kindern. Die Frauen kennen sich schon lange und hatten beim Bayerischen Rundfunk unter der gleichen Chefin gearbeitet. Als Lydia Leipert nach ihrer Elternzeit zurückkehrte, bot ihr Rebecca Zöller die Hälfte einer Vollzeitstelle im digitalen Bereich an.
Wichtig sei, dem Arbeitgeber klarzumachen, dass zwei Personen auf einer Position zwar finanziell mehr als eine Stelle bedeuten. „Der Arbeitgeber bekommt aber auch mehr als 100 Prozent“, so Leipert. Ein weiteres Verkaufsargument: Es ist immer jemand da. Mit Urlaub und Abwesenheiten wechseln sich die Koordinatorinnen ab. Das ist nicht der einzige Vorteil.
Carola Garbe bildet zusammen mit Catherine-Marie Koffnit ein Führungsduo bei der DB Netz AG.
hat ein weiteres Argument, mit dem sich der Vorstand überzeugen lässt: „Wenn man zu zweit arbeitet, ist man sich gegenseitig auch Coach.“Es braucht ihrer Erfahrung nach auf jeden Fall einen „Schlachtplan“für die ersten Schritte. Mit wem sprechen wir wann? Wie können wir nach den ersten Gesprächen weitermachen?
Leipert und Zöller haben sich die Arbeitswoche untereinander aufgeteilt. Im Schnitt arbeiten sie jeweils etwa zwölf Tage im Monat. „Bis 14 Uhr ist immer einer von uns beiden im Büro und es gibt einen Tag in der Woche, an dem wir zusammen da sind und Übergabe machen“, erklärt Leipert. Nachmittags hat jeweils eine der beiden Rufbereitschaft. Meetings nach 16 Uhr gibt es in der Regel nicht, denn beide müssen ihre Kinder abholen.
Ähnlich halten es Bianca Ebermayer und Eva Elsner. Bei Amazon hat das Führungsduo insgesamt sechs Teams unter sich. Beide arbeiten 30 Stunden pro Woche, haben also jeweils eine 75-Prozent-Stelle. Beide sind fünfmal die Woche am Arbeitsplatz, haben mal kurze und mal lange Tage. Mit Homeofficewechseln sie sich ab. Etwa 60 Prozent der Zeit überschneiden sie sich, schätzen die beiden.
Während es für Eltern wichtig ist, Kita-Abholzeiten und Meetings unter einen Hut zu bekommen, hatte Carola Garbe von der DB Netz Agentur andere Gründe, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Sie wollte schlicht nicht mehr rund um die Uhr arbeiten, für Verabredungen nicht mehr drei Monate Vorlauf brauchen. Einen Karriereschritt zurückzugehen war aber auch keine OptiSie on. Deswegen hat sich die 56-Jährige eine Partnerin gesucht. Das Modell von ihr und Catherine-Marie Koffnit sieht so aus: Montags sind beide im Büro. Donnerstag und Freitag sind die Partner abwechselnd da – jede zweite Woche hat eine der beiden also vier Tage frei.
Wenn plötzlich zwei an der Spitze stehen und sich die Verantwortung teilen, macht das auch etwas mit dem Team. Wer glaubt, dass er bei einer Partnerin mit einem Anliegen nicht weiterkommt, geht zur andeTagen ren. Oder versucht etwas Druck aufzubauen nach dem Motto „Aber Mama hat gesagt...“. Damit es da nicht zu Konflikten kommt, müssen sich die Tandems den Rücken freihalten. Vertrauen ist entscheidend. „Wir haben entschieden: Wir können einander vertreten und stehen dann auch hinter der Entscheidung der anderen“, erzählt Ebermayer.
Um auf Vertrauensbasis zu arbeiten, braucht es aber den richtigen Partner. Grundsätzlich gilt: „Jobsharing ist überall möglich“, wie Carola Garbe sagt. Aber es brauche Menschen, die loslassen können. „Und das geht manchmal persönlich nicht.“Für Elsner von Amazon entsteht ein gutes Jobsharing-Duo dann, wenn beide Parts eine ähnliche Mentalität mitbringen. „Man muss nicht befreundet sein, aber ähnlich ticken.“Beruflich sollte man gleiche Prinzipien verfolgen. Elsner und Ebermayer arbeiten beide „hands-on“, wie sie sagen. Daneben sei Verständnis für die jeweilige private Situation des anderen wichtig – ganz egal, ob der Partner sich in seiner Freizeit Kindern, Hobbys oder pflegebedürftigen Eltern widmet.