Das Ende des Ankerzentrums Donauwörth
Soziales Schwabens größte Flüchtlingseinrichtung in Donauwörth wird endgültig geschlossen. Wie die Menschen vor Ort darauf reagieren, und wo Asylbewerber künftig untergebracht werden
Donauwörth Die alte Panzerstraße ist wie leer gefegt an diesem frostigen Dezembertag in der Kaserne – hoch droben auf dem Donauwörther Schellenberg, wo der Wind immer ein wenig eisiger pfeift als unten in der malerischen Innenstadt. Die Alfred-Delp-Kaserne gehörte seit dem Baubeginn 1957 stets fest dazu zum städtischen Inventar, es gab Bälle, Paraden, kommunale Partnerschaften. Die nach dem Truppenabzug auf dem Gelände eröffnete Großeinrichtung für Asylbewerber hingegen wirkte auf viele wie ein Fremdkörper. Abgeschottet, eher toleriert denn akzeptiert.
Zu Höchstzeiten lebten rund 850 Menschen in Schwabens zentraler Anker-Einrichtung – „Anker“steht für Ankunft, Entscheidung, Rückführung. Sie wurden in den vergangenen Wochen und Monaten sukzessive in die Außenstellen der zentralen Ankerbehörde verlegt, die inzwischen ihren Sitz in Augsburg hat. Vergangene Woche verließen die letzten 15 Bewohner die kastenförmigen Kasernenbauten. Das Ankerzentrum in Donauwörth ist damit Geschichte.
Eine Familie – Vater, Mutter und die eineinhalbjährigen Zwillinge, beide dick eingepackt im Kinderwagen – spaziert unweit des 30 Hektar großen Kasernengeländes neben den mehrstöckigen Wohnblöcken in der Parkstadt. So wird das Siedlungsviertel auf dem Schellenberg seit jeher genannt. Angesprochen „die Kaserne“, antworten die jungen Eltern spontan, sie hätten im Quartier nur wenig mitbekommen von dem, was im Ankerzentrum passierte in den vergangenen Jahren. Das meiste wisse man aus der Presse. Nur die wartenden Familien aus Afrika oder aus diversen arabischen Ländern an der Bushaltestelle, die hätten sie natürlich bemerkt. Weil die eben oft in größeren Gruppen unterwegs waren. Sonst hätte man aber kaum Berührungen mit den Menschen aus dem Ankerzentrum gehabt, auch die Nachbarn nicht.
Anderes berichtet der Mitarbeiter des Lebensmittelmarktes in dem Wohngebiet, der sich nur gut zweihundert Meter vom Kasernenzaun entfernt befindet. Diebstähle, Aggressionen, Herumgeschreie im Laden, „das volle Programm“habe er erlebt. Zuletzt habe der Markt einen Sicherheitsdienst beauftragen müssen: „Das sagt alles.“Vor allem mit Schwarzafrikanern aus dem Ankerzentrum habe es des Öfteren Probleme gegeben, mit Syrern und Türken hingegen kaum. Er sei froh, dass nun Schluss sei, sagt der Mitarbeiter. In den vergangenen Wochen habe sich die Situation gewandelt: „Es ist ruhiger geworden.“Eine Taxifahrerin berichtet wiederum, sie habe „keine negativen Erfahrungen“gemacht mit den Bewohnern der Einrichtung.
Freilich, da gab es mal Rücksichtslose, die einem zum Beispiel den Weg nicht frei machten, aber ebenso die „ganz Normalen“.
Recht offen und differenziert bilanzieren Frank Kurtenbach und Alexandra Reinhardt in einem leer geräumten Büro über jenes Asylzentrum, wobei beide die Einrichtung letztlich als Erfolg bezeichnen: Die Anker-Idee – alle Behörden für das Asylverfahren sind an einem Ort gebündelt – habe die Abläufe merklich verkürzt, sagt Kurtenbach. Die Verfahrensdauer liege jetzt „deutlich unter drei Monaten“.
Das positive Fazit freilich liegt in der Natur der Sache, denn Kurtenbach und Reinhardt sind als Mitarbeiter der Regierung von Schwaben mit der Leitung des Ankerzentrums betraut. Kurtenbach als Einrichtungsleiter, Reinhardt als Betriebsleiterin. Neben den leeren Panzerstraßen und brach liegenden Zweckgebäuden auf dem Gelände verweisen die beiden auf die Container und Transporter als sichtbare Zeichen, dass jetzt wirklich Schluss sei in Donauwörth. Bis Ende Februar seien sogar alle Möbel weg, sagt Reinhardt.
Bis zuletzt herrschte Zweifel unter den Bürgern, ob die Staatsregierung Wort halten würde. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) war öfter in Nordschwaben zu Gast wegen des Pochens der Stadt auf das Fristende zum Jahreswechsel. Herrmann musste Brief und Siegel geben. Denn in der Tat, die Großeinrichtung war nicht immer unprobleauf matisch. Im Sommer 2018 etwa häuften sich Trinkgelage an zentralen Stellen im Stadtgebiet, es gab Belästigungen durch einige Asylbewerber, später auch größere Polizeieinsätze bei Tumulten gegen geplante Abschiebungen oder befürchtete Verlegungen.
Kurtenbach will das nicht verschweigen. Ja, all das habe stattgefunden, man habe daraus gelernt. Ein „engmaschiges Netz“sei entstanden aus Stadt, Regierung von Schwaben und anderen Behörden wie der Polizei. Aber auch die enge Kooperation mit den Ehrenamtlichen habe sich als erfolgreich erwiesen. Asylbewerber nur mit Essen und einem Schlafplatz zu versorgen, das reiche nicht. Es brauche die Betreuung, eine Beziehung. Die Erkenntnisse aus Donauwörth wolle man auf die neuen Standorte übertragen, erklärt Kurtenbach.
Im schwäbischen Anker-Bereich verfüge man über 600 Plätze für Asylbewerber, im Behördenzentrum in Augsburg stehen zusätzlich 176 Betten für Neuankömmlinge bereit. Weitere 600 Plätze sind derzeit in der Mache. Es gibt inzwischen drei Anker-Dependancen in Augsburg sowie eine in Mering (Kreis Aichach-Friedberg). Eine Unterkunft mit 250 Plätzen in NeuUlm soll bis 1. April, zwei weitere in Kempten im dritten Quartal kommenden Jahres eröffnen. Die große Zahl der Flüchtlinge, die zuletzt vor allem die Stadt Donauwörth zu schultern hatte, wird fortan auf mehrere Kommunen verteilt.
Es ist ruhiger geworden in den vergangenen Wochen