Räuchern zu Weihnachten
Übergang Rund um Weihnachten und das neue Jahr gibt es uralte Rituale. Was es damit auf sich hat und welche Vorstellungen sich womöglich überholt haben. Silvia Fischer aus Possenried hat sich intensiv damit beschäftigt
Was es mit den Raunächten und dem Räuchern zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige auf sich hat, darüber erzählt Silvia Fischer aus Possenried.
Possenried Eine Räucherschale, daneben eine brennende Kerze. Mit gekonnten Handgriffen legt Silvia Fischer etwas Räucherwerk auf die glühende Kohle, nimmt eine Feder und beginnt den aufsteigenden Rauch mit einer Feder zu verteilen – entlang ihres Körpers und in den Winkeln des Raumes. Die 59-Jährige schätzt das Räuchern wegen seiner Unmittelbarkeit. Weder denken noch reden sind in dem Moment angesagt. Auf der glühenden Kohle zerfällt die getrocknete Pflanze. „Jetzt wird das Wesen der Pflanze frei und entfaltet sich zur blühendenden Kraft“, sagt Silvia Fischer. Diese Kraft unterstütze uns in Zeiten wie den Raunächten. Einer „Zeit außerhalb der Zeit“, die je nach Tradition bereits mit der Wintersonnwende am Wochenende begonnen hat oder an Weihnachten beginnen wird. Was es damit auf sich hat, vermittelt Silvia Fischer alljährlich den Teilnehmern ihrer Wertinger Volkshochschulkurse.
„Die Raunächte sind dazu da, dass wir zu uns kommen“, sagt Silvia Fischer. Was war in diesem Jahr? Was will ich abschließen? Was zurücklassen, weil es beendet ist? Und wo bin ich noch dran, was will ich mitnehmen ins neue Jahr? Was ist mir wichtig, woran will ich weiter arbeiten? Alles Fragen, die wir uns in der Zeit um den Jahreswechsel stellen sollten. Los geht die Zeit der inneren Auseinandersetzung mit der Wintersonnenwende, dem kürzesten Tag und der längsten Nacht, vom 21. auf den 22. Dezember. „Sie erinnert uns an das Urdunkel des Universums, aus dem alles Licht entsteht.“Licht, das wir mit der Geburt Jesu auch an Weihnachten feiern.
Die zwölf „heiligen Nächte“zwischen Weihnachten und dem 6. Januar ergeben sich aus der Differenz zwischen dem Mondkalender, in dem das Jahr 354 Tage zählt, und dem heute gängigen gregorianischen Sonnenkalender mit 365 Tagen. „Eine Zeit, in der die Welten sich ineinander verweben“, sagt die 59-Jährige nachdenklich, während sie aus dem Fenster ihres Hauses im Wertinger Stadtteil Possenried auf freie Felder und Bäume blickt. „Zwischen unserer Welt und der anderen unsichtbaren Welt tun sich in dieser Zeit Tore auf.“
Viele, die zu ihren Kursen kommen, erzählen von ihren Groß- und Urgroßmüttern, die ab Weihnachten keine Wäsche wuschen und aufhängten, abends nicht mehr rausgingen und bereits vorher alles putzten, aufräumten und sauber machten. Verbote und Gebote, die die Menschen teils noch heute befolgen, ohne zu wissen warum. Die Bräuche stammen laut Fischer aus vorchristlicher Zeit. „Damals hieß es, die wilde Jagd zieht durchs Land.“Die Götter sammelten die Seelen Gestorbener ein und die Menschen hatten Angst, dass jemand frühzeitig mitgenommen würde, wenn er nachts rausgeht. In der aufgehängten Wäsche könnten sich zudem Geister verfangen und Unheil über Haus und Hof bringen. Ritual hat sich laut Fischer bis heute gehalten. Dabei geht es aber eigentlich darum: „Innezuhalten und sich vom äußeren Leben zurückzuziehen – nichts tun müssen, sondern einfach sein.“
Etwas, was den Menschen heute oftmals fehlt, weiß Silvia Fischer. In einer Zeit, in der immer schnellere Veränderungen und Anforderungen im Beruf und Familienleben uns kaum noch zur Ruhe kommen lassen. „Der Mensch ist so im Funktionieren und getaktet durch die Maschinen, dass es immer mehr Menschen mit Depressionen, Erschöpfungssyndrom, Burnout und anderen Erkrankungen gibt“, sagt die 59-Jährige. „Die Menschenseele sehnt sich danach, wieder mehr im Einklang mit Natur und Kosmos zu leben.“An oberster Stelle steht für Fischer daher das Loslassen und Erkennen: „So wie ich bin, bin ich gut, ist alles da.“Hier könne das Räuchern unterstützen. „Sofort, ohne etwas zu tun, kommt oftmals jemand zur Ruhe.“An unsere Wurzeln vorchristlicher Zeit könnten wir mit Hilfe des Räucherns wieder andocken, ebenso wie an die Kraftlinien der eigenen Ahnenlinie.
Zurück zu den Wurzeln ihrer Kindheit, Jugend und Heimat fand Silvia Fischer auch persönlich. Als medizinisch-technische Assistentin (MTA), mit einem Master in medizinischer Mikrobiologie war sie über viele Jahre hinweg weltweit unterwegs. Ausgehend vom missionsärztManches lichen Institut Würzburg unterstützte sie die Menschen nach dem Tsunami in Sri Lanka und nach einem schweren Erdbeben in Pakistan, leistete Entwicklungshilfe in Ghana, Tansania und Äthiopien. Sie plante Labore, baute sie auf und checkte sie im Einsatz vor Ort. Und sie bereitete viele Menschen für ihre Hilfseinsätze in afrikanischen und asiatischen Ländern vor. Immer wieder kam sie so in Kontakt mit anderen Kulturen und Religionen. Dabei machte sie die Erfahrung: „Intuitives Wissen hilft oftmals neben beruflichem Fachwissen.“
Ganz privat interessierte sie sich parallel dazu seit langem für die Religionsströme und Kulturen der Sumerer, der alten Ägypter, Inder, Christen und Kelten. Indem Silvia Fischer die anderen Kulturen achtete und respektierte, gewann sie auch einen großen Zugang zur eigenen Herkunft: „Es ist wichtig, dass wir unsere Kultur und Werte leben, so dass der andere was erblühen sieht.“
In den Raunächten lebt für die 59-Jährige noch ein Teil unserer Vergangenheit und ursprünglichen
„Die Raunächte sind dazu da, dass wir zu uns kommen.“Silvia Fischer, Possenried
„Die Menschenseele sehnt sich danach, wieder mehr im Einklang mit Natur und Kosmos zu leben.“Silvia Fischer, Vhs-Kursleiterin
Kultur. „Und sie sind ja nicht nur Vergangenheit, die Zeit zwischen den Zeiten besteht ja tatsächlich.“
Bei einem Heimaturlaub im Jahr 2010 traf die gebürtige Wortelstettenerin auch ihren heutigen Ehemann Peter wieder, einen ehemaligen Klassenkameraden. Ein Jahr später zog sie bewusst zurück in die Heimat. Die Liebe zu den Kulturen, Traditionen und Ritualen der Menschen lebt sie heutzutage in ihren Kursen aus. „Ich zeige, was es gibt und braucht, lasse die Menschen erleben und erfahren, was es mit einem macht und verändert“, erzählt Silvia Fischer. Sie motiviert jede(n) einzelnen, auf sein Inneres, auf sich selbst zu hören, was es braucht.
So gibt sie auch für die Raunächte und das Räuchern lediglich Tipps. Beispielsweise das eigene Zuhause mit einem Räucherritual von energetischen und emotionalen Altlasten zu reinigen, danach eine Schutzund Segensräucherung durchzuführen. Mit Hilfe sogenannter Orakelräucherungen seien dann auch die Schwingungen des neuen Jahres besser wahrzunehmen: „So können sich Menschen kosmischen Impulsen öffnen, Träumen und Visionen Raum geben und den Mut fassen, um neue Wege und Ziele anzugehen.“