Wertinger Zeitung

Weihnachts­markt geräumt

Verdacht Drei Jahre nach dem Terroransc­hlag wird der Weihnachts­markt auf dem Berliner Breitschei­dplatz erneut geräumt. Bei den Ermittlung­en geht es wieder um die islamistis­che Szene

- Anett Indyka, dpa

Es ist der Weihnachts­markt, und es ist der Breitschei­dplatz an der Berliner Gedächtnis­kirche. Drei Jahre nach dem Terroransc­hlag wird der Platz erneut geräumt. Bei den Ermittlung­en geht es auch wieder um die islamistis­che Szene.

Berlin Es sind diese zwei Worte, die nicht nur in Berlin etwas auslösen: Weihnachts­markt und Breitschei­dplatz. Wo fast auf den Tag genau vor drei Jahren der islamistis­che Terrorist Anis Amri mit einem gekaperten Lastwagen eine Spur der Verwüstung hinterlass­en und zwölf Menschen getötet hatte, herrscht am Samstagabe­nd Alarmstimm­ung. Einer Polizeistr­eife fallen gegen 19 Uhr zwei verdächtig­e Männer auf, weil sie sich „schlagarti­g entfernt“und dabei auch Leute beiseite gedrängt hatten. Die Polizisten entschließ­en sich, die Männer zu kontrollie­ren. Wenig später wird der Platz geräumt.

Aufgrund des Verhaltens der beiden Männer kann die Polizei nicht ausschließ­en, dass sich ein verdächtig­er Gegenstand, möglicherw­eise Sprengstof­f, auf dem Weihnachts­markt-Gelände befindet. „Die Kombinatio­n hat bei den Einsatzkrä­ften ein ungutes Gefühl ausgelöst, das zur Räumung des Platzes führte“, sagt Polizeispr­echer Thilo Cablitz. Am Sonntag wird klar: Die Männer gehören der salafistis­chen Szene an. Ob sie damit auch als islamistis­che „Gefährder“eingestuft werden, denen ein Anschlag zugetraut wird, sagt der Sprecher nicht. Weitere Erkenntnis­se dazu gebe es nicht, heißt es. Festgenomm­en wird keiner der Männer, die Polizei stellt aber ihre Identitäte­n fest. Sie hätten in Berlin gelebt, so Cablitz.

Bei der Überprüfun­g am Samstag finden die Einsatzkrä­fte zunächst heraus, dass nach einer der Personen in einem islamistis­chen Kontext gefahndet werde – was sich allerdings später als nicht korrekt herausstel­lt. Die Polizei spricht von einer Namensverw­echslung. Außerdem offenbaren sich Differenze­n zwischen Pass und Aufenthalt­stitel eines der Männer, woraus sich Widersprüc­he zur tatsächlic­hen Identität ergeben.

250 Polizisten suchen daraufhin am Abend – unterstütz­t von Sprengstof­fspürhunde­n – den Platz und die Gedächtnis­kirche ab. Gefunden wird nichts. Die Männer werden vernommen. Um 22.49 Uhr werden sie freigelass­en. Laut Cablitz handelt es sich um zwei 21 und 24 Jahre alte syrischstä­mmige Männer. Kurz davor hebt die Polizei die Sperrungen um den Weihnachts­markt auf.

Seit dem Terroransc­hlag auf dem Berliner Breitschei­dplatz vor drei Jahren haben die deutschen Behörden nach Angaben des Bundeskrim­inalamtes (BKA) neun islamistis­ch motivierte Anschläge in Deutschlan­d verhindert. Diese Zahl teilte das BKA auf Anfrage der Welt am Sonntag mit. Allein in diesem November seien zwei Anschläge abgewendet worden. Konkretere Angaben zu den Hintergrün­den machte das BKA in dem Bericht nicht. Berlins Innensenat­or Andreas Geisel bezeichnet­e die Entscheidu­ng der Polizei, den Weihnachts­markt zu räumen, am Sonntag denn auch als richtig. Der Einsatz zeige, dass sich die Sicherheit­sbehörden „nicht im Routinemod­us befinden und weiter wachsam sind“, betonte der SPDPolitik­er. Und eines sei auch klar: „Ein Fehlalarm ist am Ende immer die bessere Nachricht“, sagte Geisel.

Es bleibt das Gefühl, dass der Terroransc­hlag auf den Berliner Weihnachts­markt das Leben in Deutschlan­d nachhaltig verändert hat. Berlins Regierungs­chef Michael Müller (SPD) sagte zum Gedenktag, Unsicherhe­it und Angst sollten nicht das Leben bestimmen. Eine Botschaft des 19. Dezember 2016 sei, die Freiheit nicht aufzugeben.

Der islamistis­che Attentäter Amri war am 19. Dezember 2016 mit einem gekaperten Lastwagen in den Weihnachts­markt gerast. Er hatte zuvor den Lastwagenf­ahrer erschossen und tötete dann mit dem Lkw elf Besucher des Marktes. Dutzende Menschen wurden verletzt. Amri wurde später auf der Flucht in Italien erschossen. Mehrere parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschü­sse versuchen seitdem, Fehler und Versäumnis­se von Behörden aufzuarbei­ten.

Die Polizei ließ den Berliner Breitschei­dplatz sicherheit­shalber räumen.

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Foto: Gregor Fischer, dpa

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