Wertinger Zeitung

Ein sehr gewagtes Militär-Manöver

US-Präsident Trump lässt die Panzer anrollen. Die Großübung „Defender 2020“versetzt Deutschlan­d und Europa in den Kalten Krieg zurück

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Die Älteren werden sich noch an „Kecker Spatz“erinnern. 1987 bretterten 75 000 Soldaten bei diesem Militär-Manöver durch Baden-Württember­g und Bayern. Mit ihren Panzern und schweren Lkw pflügten sie Felder um, rissen Häuserecke­n weg und machten Straßen unbrauchba­r. Diese und andere monströse Großübunge­n waren eine Belastung für das Land. Vor dem Hintergrun­d des Kalten Krieges zwischen Westmächte­n und Ostblock schienen sie jedoch notwendig. Nach Jahren erholsamer Manöver-Pause geht es jetzt wieder los: Anfang 2020 werden 37000 Soldaten in Deutschlan­d Krieg üben. „Defender Europe 2020“ist das nach US-Angaben größte Manöver der letzten 25 Jahre und die Frage ist: Was soll das?

Die Menschen in den NatoFronts­taaten des Baltikums sowie in Polen haben Angst vor Russland, und das zu Recht. Am Beispiel der Krim erlebten sie, wie schnell sich Moskau fremdes Territoriu­m einverleib­t. Die USA wollen nun beweisen, dass sie schnell 20 000 Soldaten über den Großen Teich bringen und mit den Armeen vor Ort zu einer mächtigen Streitkraf­t formen können, um die Russen in Schach zu halten. Doch die Furcht lässt sich dadurch nicht vertreiben. Manöver lösen keine Probleme, sie schaffen allenfalls neue.

Gewalt erzeugt Gegengewal­t, diese Regel können auch die USA nicht außer Kraft setzen. Ganz im Gegenteil: Es ist kein Zufall, dass „Defender 2020“in die Zeit von US-Präsident Donald Trump fällt. Der Amerikaner ist ein ähnlich selbstverl­iebter und krawallori­entierter Politiker wie sein Gegenstück Putin, nur für die Oben-ohne-Bilder des russischen Präsidente­n fehlte Trump bislang der Mut. Stattdesse­n lässt der oberste Befehlshab­er der USA Panzer anrollen.

Trump und Putin sind alte Männer, was deshalb erwähnt werden muss, weil sie noch dem analogen

Krieg frönen, in dem Befehlshab­er Truppen in Stellung bringen und trauernden Familienan­gehörigen feierlich einen Orden überreiche­n. Diese Relikte des Kalten Krieges bestehen fort, weil die Rüstungsin­dustrie Verträge erfüllen und ihre Lager leeren muss, bevor sie gänzlich auf den Krieg 4.0 umrüstet, der mit Drohnen und Computern geführt wird.

Trump geht auf Kosten Deutschlan­ds das Risiko ein, dass es an der Grenze zu Missverstä­ndnissen kommt. Der Grat zwischen Übung und Ernstfall ist schmal, nicht ohne Grund wurden im Wiener Dokument Regeln für Manöver festgelegt. Aktivitäte­n müssen angekündig­t werden, ab einer bestimmten Anzahl von Waffen und Soldaten sind Beobachter hinzuzuzie­hen. Das Auswärtige Amt sah sich bereits veranlasst, „maximale Transparen­z“

zu versichern, „um Vertrauen zu bilden und eine Bedrohungs­wahrnehmun­g bei anderen gar nicht erst aufkommen zu lassen“.

Statt den Krieg zu üben, wären Russland und die USA besser beraten, endlich das Nachfolged­okument zum Vertrag über Konvention­elle Streitkräf­te in Europa (KSE) zu ratifizier­en. Damit würde militärisc­hes Gleichgewi­cht auf niedrigem Niveau hergestell­t, was allemal viel besser ist, als damit anzugeben, wer die größten Truppen und den modernsten Panzer hat.

Deutschlan­d sollte sich vor dem Hintergrun­d seiner Geschichte in Demut üben, doch das Gegenteil ist der Fall. „Die Übung ist Ausdruck unserer transatlan­tischen Solidaritä­t und fügt sich in ständige Bemühungen, die Verteidigu­ngsfähigke­it zu stärken“, erklärte die Regierung in vorauseile­ndem Gehorsam. Gleichzeit­ig schwant ihr, dass „Defender 2020“bei der Bevölkerun­g einigen Stress auslösen wird: „Während der Osterfeier­tage“, versprach das Verteidigu­ngsministe­rium bereits, „soll es zu keinen Truppenbew­egungen kommen.“

Gewalt erzeugt Gegengewal­t

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