Wertinger Zeitung

Impeachmen­t-Pause unter Palmen

USA Präsident Donald Trump verlegt zum Jahresende das Weiße Haus nach Florida. Auf seinem luxuriösen neuen Erstwohnsi­tz Mar-a-Lago verquickt er auf einträglic­he Weise Amt und Geschäft

- VON KARL DOEMENS

Palm Beach Die Fahrt entlang des Ocean Boulevards gehört zur regelmäßig­en Tourenstre­cke von Rentner Bill. Von seinem Haus in West Palm Beach nimmt er auf seinem mintgrünen Rennrad zunächst die Brücke über die Worth Lagune. Hinter dem eingezäunt­en Grundstück mit dem markanten Türmchen auf der vorgelager­ten Insel biegt er links ab und saust am türkisblau­en Meer entlang – wenn die Straße nicht gesperrt ist. In jüngster Zeit kommt das häufiger vor: immer dann, wenn Donald Trump auf seinem Luxus-Anwesen weilt.

Auch zu Weihnachte­n muss Bill eine andere Route radeln. Fast zwei Wochen lang lässt es sich der amerikanis­che Präsident mit Frau Melania und Sohn Barron über Weihnachte­n und Neujahr bei sonnigen 25 Grad in Mar-a-Lago gut gehen. Nur zwei Flugstunde­n und doch Lichtjahre vom Washington­er Epizentrum des Impeachmen­ts entfernt. Ob ihn das stört? „Ach wissen Sie“, setzt der Freizeit-Sportler an. Dann zieht er wortlos die Achseln hoch. Was soll er dazu auch sagen? Die Einwohner der Millionärs­gemeinde Palm Beach in Florida haben sich mit dem prominente­n Nachbarn arrangiert.

Das 1927 im spanischen Stil errichtete Mar-a-Lago mit seinen 118 Zimmern war schon immer der Lieblingsr­ückzugsort von Trump. Vor 35 Jahren hatte er es zum Schleuderp­reis von fünf Millionen Dollar erworben – unter Umständen, die viel über den Immobilien­mogul aussagen. Trump kaufte nämlich zunächst über Strohmänne­r die Strandgrun­dstücke vor dem Anwesen auf und drohte, den Meerblick zu verbauen. Das drückte den Preis deutlich. Später eröffnete er auf dem Gelände einen exquisiten Golfclub für 500 Mitglieder, dessen Aufnahmege­bühr er nach der Präsidente­nwahl auf 200000 Dollar verdoppelt­e.

Seit dem Amtsantrit­t nutzt Trump im Winter jede Gelegenhei­t, der kalten Hauptstadt in Richtung Mar-a-Lago zu entfliehen. Mehr als 100 Tage seiner Regierungs­zeit hat er hier schon verbracht. Aus der Distanz lässt sich noch besser über „die total verrückten und korrupten Demokraten“wettern, die ihn des Amtes entheben wollen, wie er es schon bei der großen „HeimkehrKu­ndgebung“Ende November in der Nähe von Miami tat. „In zwei Wochen werde ich im Southern White House sein“, twitterte er wenig später freudig mit einem Foto seines Anwesens.

Wer an den weihnachtl­ich geschmückt­en Villen mit ihren manikürten Gärten und herrlichem Meerblick in Trumps Nachbarsch­aft vorbeifähr­t, der bekommt eine Vorstellun­g davon, dass das Leben hier recht angenehm sein kann. Palm Beach ist eine der reichsten Gemeinden der USA. Handtasche­n und Goldschmuc­k in den Schaufenst­ern der Nobel-Boutiquen auf der von Palmen und Bougainvil­leen gesäumten Worth Avenue haben keine Preise. Das Budget der meisten Touristen ist ohnehin schon erschöpft, wenn sie die Parkgebühr­en bezahlt haben.

Praktische­rweise sind zumindest die Steuern in Florida niedrig. Es gibt keine bundesstaa­tliche Einkommens­und Erbschafts­teuer, wovon neuerdings auch Trump profitiert. Im September nämlich hat er seinen Erstwohnsi­tz offiziell von New York nach Mar-a-Lago verlegt. Doch die Abgaben dürften nicht der einzige Grund für die Ummeldung sein: Florida ist traditione­ll ein Swing-State, der mal für die Demokraten und mal für die Republikan­er stimmt. In Palm Beach und Miami siegte 2016 Hillary Clinton haushoch. Doch Trump gelang es, den Bundesstaa­t insgesamt knapp für sich zu sichern. Eine Wiederwahl im nächsten Jahr ohne die Stimmen aus Florida ist kaum vorstellba­r. Offenbar will Trump mit seiner demonstrat­iven Präsenz Eindruck bei den Wählern machen.

Vor allem aber ist Mar-a-Lago der Ort, wo Trump sein Amt am besten mit privaten Geschäftsi­nteressen verquicken kann. Während der Feiertage gibt es dort Galadiners und Wohltätigk­eitsverans­taltungen. Wer politisch Einfluss auf den Präsidente­n nehmen will, der sichert sich rechtzeiti­g eine Runde auf dem Golfplatz oder einen Platz an einem VIP-Tisch. Umgekehrt nutzt Trump seine Präsidents­chaft, um seine Geschäfte oder seine Kampagne zu befördern. Die VIP-Tickets zur „Heimkehr-Kundgebung“kosteten schlappe 15000 Dollar. Und an den Ankündigun­gs-Tweet für seinen Weihnachts­urlaub hing er ungeniert eine Anzeige seines Golfclubs an, der seine Räumlichke­iten auch für Hochzeiten und private Galas vermietet.

Beim Besuch des japanische­n Premiermin­isters Shinzo Abe vor gut zwei Jahren trieb Trump die Vermischun­g von offizielle­r Politik und persönlich­er Geldschnei­derei auf die Spitze. Mit den Worten „Come on, Shinzo!“, drängte er den Staatsgast in das Gruppenfot­o einer privaten Hochzeitsg­esellschaf­t, die im Ballsaal seines Clubs feierte.

Das Leben kann so angenehm sein

15000 Dollar für ein Ticket zur Kundgebung

Für Rentner Jean ist das alles weit weg, obwohl er Mar-a-Lago stets vor Augen hat. Der Afroamerik­aner stammt aus West Palm Beach, hat in Vietnam gekämpft und gehört nicht zu Trumps goldener Glitzerwel­t. Auf einem Rollator sitzt er am gegenüberl­iegenden Ufer der Lagune und befestigt eine halbe Garnele am Haken seiner Angel. In dem natürliche­n Kanal schwimmen Makrelen und Meerforell­en. Doch wenn Trump auf der anderen Seite weilt, pflügen Patrouille­nboote durch das Wasser. Dann beißen die Fische schlecht. Aber Jean will sich nicht beklagen. Mit einem Schwung wirft er den Köder aus und wartet geduldig auf einen Fang. Vor seinen Augen springen zwei Delfine in die Luft. „Das ist es doch, was das Leben ausmacht“, sagt er.

 ?? Foto: Greg Lovett/Palm Beach Post/ZUMA Wire/dpa ?? Donald Trumps Lieblings-Anwesen Mar-o-Lago, 1927 im spanischen Stil errichtet, liegt in Palm Beach in Florida. Kürzlich hat er sogar seinen Erstwohnsi­tz von New York dorthin verlegt. Dadurch kann er Steuern sparen und noch besser seinen privaten Geschäftsi­nteressen nachgehen.
Foto: Greg Lovett/Palm Beach Post/ZUMA Wire/dpa Donald Trumps Lieblings-Anwesen Mar-o-Lago, 1927 im spanischen Stil errichtet, liegt in Palm Beach in Florida. Kürzlich hat er sogar seinen Erstwohnsi­tz von New York dorthin verlegt. Dadurch kann er Steuern sparen und noch besser seinen privaten Geschäftsi­nteressen nachgehen.
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Foto: dpa Trump, Ehefrau Melania und Sohn Barron treffen in Palm Beach ein.

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