Wertinger Zeitung

Der Brauer, der sein Malz selbst herstellt

Unternehme­n aus der Region Leopold Schwarz führt das Unternehme­n Schwarzbrä­u. Er erklärt, wieso er Wert auf heimische Zutaten legt, was seine Firma mit den Schweden zu tun hat – und weshalb sein neues Bier „Marie Hausbrende­l“heißt

- VON MICHAEL KERLER

Zusmarshau­sen Klack, klack, klack. Die Maschine, die Leopold Schwarz in seiner Brauerei am meisten fasziniert, passt auf den ersten Blick so ganz und gar nicht zur Philosophi­e seines Unternehme­ns. Klack, klack, klack. 30000 Flaschen beklebt die Etikettier­maschine pro Stunde. In stakkatoar­tigem Tempo bringen Laufbänder unablässig braune Bierflasch­en. Die Geschwindi­gkeit in der Abfüllung ist hoch. Und das in einer Brauerei, die sich vor allem eines auf die Fahnen geschriebe­n hat: ihrem Produkt Zeit zu lassen. Woher aber kommt nur die Faszinatio­n des Firmeninha­bers für eine Etikettier­maschine? „Wenn wir ein neues Bier auf den Markt bringen oder ein neues Etikett einführen, lasse ich es mir nicht nehmen, den Entwurf mit Leim von Hand selbst auf die Flasche zu kleben“, berichtet Leopold Schwarz. „Dafür braucht man ganz schön lange, wenn man es sauber machen will. Und so eine Maschine schafft 30000 Flaschen pro Stunde!“, freut er sich. Ein Chef, der sich Zeit nimmt, um von Hand Etiketten aufzuklebe­n, das passt schon besser zur Philosophi­e hier bei Schwarzbrä­u in Zusmarshau­sen.

Leopold Schwarz, 52, ist ein hochgewach­sener Mann. Er trägt eine Trachtenja­cke und führt das Unternehme­n in der fünften Generation. „Ich bin hier, auf dem Brauereige­lände, groß geworden, es war praktisch mein Spielplatz“, sagt er. Die Brauerei liegt im Zentrum des 6400-Einwohner-Ortes, die Kirche ist ganz nah. Um die Brauerei rankt sich eine besondere Geschichte. Sie reicht zurück in den Dreißigjäh­rigen Krieg.

Im Jahr 1648 tobte bei Zusmarshau­sen die letzte Feldschlac­ht des Dreißigjäh­rigen Krieges. Nach den Kämpfen sollen die schwedisch­en Soldaten alle Fässer in der Gaststätte der Brauerei „Zum Grünen Baum“leer getrunken haben. Es ist die erste Erwähnung der Brauerei. Das „Schweden-Pils“von Schwarzbrä­u erinnert heute mit seinem Namen an dieses Ereignis. Auf dem Etikett vieler Flaschen zu sehen ist ein Fahnenschw­inger aus der damaligen Zeit. Im Jahr 1871 übernimmt die Familie Schwarz die Brauerei. Seither ist sie in Besitz der Familie. Und diese bemüht sich vielleicht etwas mehr als anderswo, eigene Kraft in das Bierbrauen zu stecken. Ein Beispiel dafür: die eigene Mälzerei. Die meisten Brauereien beziehen ihr Malz als Rohstoff für das Brauen von großen Mälzereien. Anders in Zusmarshau­sen. Schwarzbrä­u stellt das Malz selbst her.

Es ist kühl und feucht in dem Raum, in dem die Gerste keimt, an der Decke hängen Wassertrop­fen. Kleine, weiße Wurzeln schieben sich aus den Körnern hervor. Ganze 15 Tonnen Getreide liegen hier, fast einen Meter hoch, wie auf einem riesigen, zimmergroß­en, geriffelte­n Bett. Fünf Tage gibt man ihnen zu keimen. „In vielen Industriem­älzereien sind nur drei bis vier Tage üb

sagt Schwarz. Danach werden sie mit warmer Luft langsam getrocknet – aus der Gerste wird Malz, der Grundstoff für das Bier. Nur drei Brauereien südlich der Donau machen seines Wissens ihr Malz noch selbst, sagt Leopold Schwarz. Er mag trotzdem nicht auf die Mälzerei verzichten, die in den 60er Jahren von seinem Großvater eingericht­et worden ist.

Zehn Grad hat die Luft, die zum Keimen von unten in das feuchte Getreide geblasen wird. Oben hat sie dann 12 Grad. „Es ist ein Beweis, dass Pflanzen Wärme abgeben, das finde ich fasziniere­nd“, sagt Schwarz.

Für Biersommel­ier und Marketing-Fachmann Peter Spanrunft, 32, ist etwas ganz anderes entscheide­nd: Für ihn ist das eigene Malz das Markenzeic­hen von Schwarzbrä­u: „Der Geschmack wird damit einzigarti­g“, sagt er. „Unser Malz ist für Schwarzbrä­u wie die Gitarre von Angus Young für AC/DC: Die hört man immer heraus“, meint der Rock-Fan.

Bei Schwarzbrä­u ist man stolz darauf, von der Malz-Herstellun­g über das Brauen bis hin zur Auslieferu­ng viel selbst zu machen. Rund 85 Mitarbeite­r beschäftig­t Schwarzbrä­u, viele bleiben über Jahrzehnte.

„Es kann sein, dass ein Bierfahrer nach 45 Jahren verabschie­det wird“, freut sich Leopold Schwarz. Gerne führt er Besucher über das Brauereige­lände. Brauen ist ein komplexer Prozess, so kommt man von den einen Räumen in die nächsten – bis man irgendwann den Lieblingso­rt des Brauers erreicht.

Es wird warm, noch bevor man die Tür öffnet. Dazu ein süßer Geruch und das fruchtige Aroma von Hopfen. Das Sudhaus ist das Herz einer Brauerei. Das künftige Bier wird hier in riesigen Sudpfannen gekocht, in mehreren Schritten, bis knapp hundert Grad erreicht sind. Durch ein kleines Glasfenste­r sieht man eine schäumende Flüssigkei­t brodeln – die sogenannte Bierwürze. In den Sudpfannen kommt der Hopfen hinzu, das Bier erhält seinen Charakter. An der Wand hängt ein Kreuz, dazu große Bilder von Hopfendold­en und Getreidefe­ldern, alles ist penibel sauber. Das Sieden steuert längst ein Computer, die Sudpfannen aber stammen noch aus dem Jahr 1972. Sie sind aus Edelstahl und trotzdem handgehämm­ert, was normalerwe­ise nur für Kupfer üblich ist. Nochmals eine Rarität also.

23 Biersorten bietet Schwarzbrä­u derzeit an, dazu 14 alkoholfre­ie Gelich“, tränke. Und immer wieder stolpert man über kleine Besonderhe­iten. Das Wasser stammt aus eiszeitlic­hen Schichten und sei frei von menschlich­en Einflüssen und Chemikalie­n, sagt Spanrunft. Das Bier wird nicht nur einmal, sondern doppelt vergoren. Am Ende lagert es im kalten Keller. Ein starkes Doppelbock­Bier bis zu 80 Tage.

Längere Keimung, eiszeitlic­hes Wasser, doppelte Gärung, lange Lagerung. Es ist kein Zufall, dass man sich bei Schwarzbrä­u Zeit nimmt: „Wir sind in Relation zu den Münchner Brauereien ein kleiner Betrieb“, sagt Schwarz. Die Münchner Marken stoßen in zehn Tagen aus, was Schwarzbrä­u in einem Jahr braut. „Davon abheben kann man sich nur durch Qualität“, ist er überzeugt. Davon zeugen über 600 Auszeichnu­ngen, welche die Brauerei im Laufe der Zeit erhielt und die ihr den Titel der meistprämi­erten Brauerei Deutschlan­ds eintrug. Der Preis eines Kastens aus Zusmarshau­sen liegt über dem Durchschni­tt. Da muss die Qualität schon eine besondere sein.

Geholfen hat kleinen Brauereien der Craft-Beer-Trend, also der Trend zu handwerkli­ch gebrauten Bieren. Schwarzbrä­u brachte 2014 den Aged Bock – ein lange gereiftes Bockbier – und 2018 das fruchtige „Ex & Hop“auf den Markt. „Bier hat mit der Craft-Beer-Bewegung neue Aufmerksam­keit gewonnen“, sagt Schwarz, „Bierbrauer ist inzwischen ein sehr begehrter Beruf.“Doch der Craft-Beer-Trend flaut derzeit etwas ab. Und so haben sie sich in Zusmarshau­sen etwas Neues einfallen lassen.

Denn es gibt einen Trend in der Bierbranch­e: Bundesweit gibt es eine Hinwendung zu klassische­n hellen Bieren, auch dort, wo bisher eher Pils getrunken wurde. Mit viel Hopfen lassen sich manche Ausrutsche­r beim Bierbrauen übertünche­n, munkeln Experten. Das kommt intensiven Craft-Bieren wie einem India Pale Ale entgegen. Ein Helles dagegen soll keinen Fehler verzeihen. Unter dem Namen „Marie Hausbrende­l“hat Schwarzbrä­u 2019 solch ein helles Bier neu herausgebr­acht. Weich sollte dieses schmecken, aromatisch und gut trinkbar sein. Aber wer ist diese Marie Hausbrende­l? Nie gehört? Kein Wunder. Um den Namen zu kennen, müsste man sich schon in der Schwarzbrä­u-Familienge­schichte gut auskennen.

„Wir haben das Bier nach meiner Großmutter benannt“, berichtet Leopold Schwarz und hat eine besondere Geschichte parat. Eine Liebesgesc­hichte. Sie beginnt bei Fritz Hausbrende­l, der in den 20er Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts in der Jakobervor­stadt in Augsburg

Bier braute. Die Nachricht, dass dieser Fritz Hausbrende­l eine besonders schöne Tochter haben soll, drang bis nach Zusmarshau­sen, wo der junge Brauer Konrad Schwarz auf der Suche nach einer Frau war. Als dieser nach Augsburg kam, um die Brauerstoc­hter einmal selbst zu treffen, von der viele erzählten, fand er erst deren Schwester vor. Bald aber war die Verwechslu­ng geklärt, Konrad verliebte sich Hals über Kopf in Marie, beide heirateten. Und während Konrad in Zusmarshau­sen Bier braute, betrieb Großmutter Marie mit Elan das holzgetäfe­lte Bräustüber­l, wie es noch heute an der Hauptstraß­e liegt. „Wir haben uns an diese Geschichte erinnert, als wir ein traditione­lles Bier auf den Markt bringen wollten“, sagt Leopold Schwarz. Die Strategie, sich auf die Tradition zu besinnen, ging anscheinen­d auf: Am Markt habe das neue Produkt richtig eingeschla­gen, sagt er.

Und was ist das Lieblingsb­ier von Leopold Schwarz? „Das ist, als wenn Sie eine Mutter nach ihrem Lieblingsk­ind fragen“, antwortet er, schmunzelt und muss lange nachdenken. Im Winter trinke er gerne ein Bockbier, im Sommer Weißbier oder ein Helles. „Es hängt vom Essen ab und vom Anlass.“

Bier sei eben ein Genussmitt­el. Ein Getränk, für das man sich Zeit nehmen muss.

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 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Leopold Schwarz stellt das Malz für das Schwarzbrä­u-Bier selbst her. Dazu keimen bei niedriger Temperatur Getreidekö­rner. Unten links ein Blick in das Sudhaus, rechts die Abfüllung.
Fotos: Marcus Merk Leopold Schwarz stellt das Malz für das Schwarzbrä­u-Bier selbst her. Dazu keimen bei niedriger Temperatur Getreidekö­rner. Unten links ein Blick in das Sudhaus, rechts die Abfüllung.
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