Wertinger Zeitung

Die Welt im Kalten Gaskrieg

Energie Trump setzt US-Sanktionen in Kraft: Damit eskaliert der Streit um die Pipeline Nord Stream II, die Deutschlan­d mit Russland verbindet

- VON ULRICH KRÖKEL

Berlin Die deutlichst­en Worte fand am Wochenende Rolf Mützenich. US-Präsident Donald Trump „hat sich offenbar von der Idee verabschie­det, die EU-Staaten als verbündete Partner zu betrachten“, wetterte der SPD-Fraktionsc­hef. „Für ihn sind wir tributpfli­chtige Vasallen. Diesen erpresseri­schen Methoden werden wir uns nicht beugen.“Grund für die Empörung waren die Sanktionen gegen das russisch-westeuropä­ische Pipelinepr­ojekt Nord Stream II, die Trump am Freitag in Kraft gesetzt hatte. Die Bundesregi­erung bewertete die Entscheidu­ng als „Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten“Deutschlan­ds und der EU.

Aus Brüssel waren so scharfe Töne nicht zu hören, und genau darauf bezog sich am Sonntag Richard Grenell. Der US-Botschafte­r in Berlin sagt in einem Zeitungsin­terview: „15 europäisch­e Länder, die EUKommissi­on und das Europäisch­e Parlament haben allesamt ihre Bedenken an dem Projekt angemeldet“, erklärte er. „Darum handelt es sich bei den Sanktionen um eine sehr proeuropäi­sche Entscheidu­ng.“

Tatsächlic­h beschreibe­n die Einlassung­en von Mützenich und Grenell ziemlich genau den Frontverla­uf in dem eskalieren­den energiepol­itischen Großkonfli­kt. Deutschlan­d

steht in diesem Energiemon­opoly gemeinsam mit Russland sowie einigen west-, mittel- und südeuropäi­schen Staaten gegen die USA, die Ukraine und die Mehrheit der EUMitglied­er, die Brüsseler Kommission und das Straßburge­r Parlament. Dort glaubt man, dass die Inbetriebn­ahme von Nord Stream II zu einer „einseitige­n Abhängigke­it der EU von russischem Erdgas“führen könnte.

Dafür allerdings müsste die Pipeline, die auf dem Grund der Ostsee vom nordrussis­chen Wyborg nach Mecklenbur­g-Vorpommern führt, erst einmal fertiggest­ellt werden. Rund 300 von gut 1200 Kilometern fehlen noch. Verlegt werden die

Röhren von Spezialsch­iffen. Und gegen deren Betreiber richten sich die US-Sanktionen, allen voran gegen die Schweizer Firma Allseas. Sollten deren Schiffe weiter NordStream-Röhren verlegen, drohen die USA mit finanziell­en Konsequenz­en. Allseas kündigte deshalb an, die Arbeiten auszusetze­n.

In Berlin und Moskau gibt man sich zwar zuversicht­lich, den Bau dennoch vollenden zu können. Doch für den Fall steht die Drohung weiterer US-Sanktionen im Raum. Und auch der Streit in der EU dürfte sich fortsetzen. Vor allem in östlichen Mitgliedsl­ändern hat der Widerstand gegen Nord Stream seit dem Beschluss zum Bau einer ersten

Doppelröhr­e im Jahr 2005 nie nachgelass­en. Polen und Balten verloren nicht nur, ähnlich wie die Ukraine, Einnahmen aus dem Transitges­chäft, sondern wurden auch erpressbar. Schließlic­h könnte Russland seit der Fertigstel­lung von Nord Stream I den Osteuropäe­rn den Gashahn abdrehen, ohne die Kunden im Westen zu verlieren.

Der Ost-West-Konflikt verschärft­e sich 2014 mit der russischen Eroberung der Krim. Die EU und die USA verhängten gemeinsam Sanktionen gegen Russland. Die Eskalation hielt Deutschlan­d und seine Nord-Stream-Partner allerdings nicht davon ab, die Pipeline weiterzuba­uen. Welche Konsequenz­en das hat, zeigt sich im Fall der Ukraine. Am selben Tag, an dem Trump die Nord-Stream-Sanktionen verhängte, einigten sich Moskau und Kiew zwar auf einen neuen Gasvertrag. Die Übereinkun­ft gilt aber nur für fünf Jahre, und das Volumen des Transits sinkt von 90 auf 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Die Differenz entspricht etwa dem Volumen von Nord Stream II.

Die Ukraine ist also der große Verlierer. Allerdings verfolgen die USA auch eigene ökonomisch­e Interessen. Mit dem Fracking-Boom sind sie zum größten Gasexporte­ur weltweit aufgestieg­en. US-Firmen stehen bereit, im großen Stil Flüssiggas nach Europa zu liefern.

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