Wertinger Zeitung

Der WM-Gürtel bleibt in Augsburg

Boxen Tina Rupprecht verteidigt ihren Titel in Hamburg-Altona. Ihre Gegnerin Catalina Diaz verlangt ihr über zehn Runden alles ab. Das nächste Ziel steht schon fest: ein Vereinigun­gskampf

- VON ANDREAS KORNES

Hamburg „Jetzt wird dann aber gefeiert“, sagt Tina Rupprecht, die auf einem schwarzen Plastikstu­hl sitzt. Sieg nach Punkten. WM-Titel verteidigt. Es ist 1 Uhr, Sonntagmor­gen. Draußen weht regenkalte­r Wind durch den menschenle­eren Hamburger Fischmarkt. In den Haaren über Rupprechts linkem Auge klebt Blut. Kopfstoß in der vierten Runde. Mit sieben Stichen nähen die beiden Ringärzte den Cut. Ein Betreuer leuchtet mit der Lampe seines Smartphone­s. Daneben räumen Techniker Kabelrolle­n in Kisten. Es riecht nach Desinfekti­onsmittel. Zwei Freundinne­n der alten und neuen Weltmeiste­rin haben sich an den Sicherheit­sleuten vorbei gemogelt, knien auf dem Boden und reden auf sie ein. Irgendjema­nd hat Bier organisier­t. Im Hintergrun­d wartet ein Herr im Anzug. Gegeltes Haar, Plastikbec­her in der Hand. Dopingkont­rolle.

Als vorletzten Kampf des Abends hatten die Organisato­ren der BoxGala German Edition Rupprechts Duell um den Weltmeiste­r-Gürtel der WBC im Minimumgew­icht gesetzt. Den Hauptkampf der Veranstalt­ung bestritt Jürgen Brähmer, der Jürgen Doberstein k.o. schlug. 1800 Zuschauer waren ins Kreuzfahrt­terminal Hamburg-Altona gekommen, darunter Schauspiel­er Til Schweiger.

Hinten im Aufwärmber­eich ist von dem ganzen Trubel nichts zu merken. Hellgrüner Linoleumbo­den. Waschbeton an den Wänden.

Neonlicht an der Decke. Vor fünf Stunden war Rupprecht hier entspannt reinspazie­rt. Small Talk mit ein paar anderen Boxern. Kurzer Blick in die Halle. Dann ist alles Routine. Die Knöchel an den Händen werden bandagiert. Ein Offizielle­r des WBC und ein Trainer der Gegnerin schauen zu, um sicher zu gehen, dass keine harten Gegenständ­e unter die Handschuhe geschmugge­lt werden. Aufwärmen. Handschuhe anziehen, ebenfalls unter Aufsicht. Die Abklebunge­n werden versiegelt. Erst nach dem Kampf dürfen sie wieder geöffnet werden. Ein paar schnelle Schlagabfo­lgen mit Trainer Alexander Haan. Spätestens jetzt ist aus der Grundschul­lehrerin mit Erstem Staatsexam­en die Boxerin mit WM-Gürtel geworden. Ruhig, konzentrie­rt, entschloss­en.

„Ich gehe nicht in den Ring und sage mir: Die andere haue ich jetzt aus den Schuhen. Ich habe einen Plan, und den versuche ich durchzuzie­hen – komme, was wolle“, sagt sie später, als klar ist, dass der Plan aufgegange­n ist. Runde um Runde hat Rupprecht gepunktet gegen die Spanierin Catalina Diaz. Die allerdings war nicht als Fallobst nach Hamburg gereist. Ganz im Gegenteil. „Sie war ein harter Brocken“, sagt Trainer Haan. „Aber wir haben sie gut studiert im Vorfeld, wir hatten die richtigen Antworten.“Das Urteil der Punktricht­er nach zehn Runden ist einstimmig. Rupprecht war die bessere Boxerin. Im Ring sagt sie, dass sie sich jetzt einen Vereinigun­gskampf wünscht. Sie will dem Gürtel der WBC den eines anderen großen Verbandes hinzufügen.

Gerade aber sitzt die 27-Jährige in dem Raum mit hellgrünem Linoleumbo­den und hat Schmerzen. „Einmal müssen wir noch“, sagt der Arzt und zieht den Faden durch die Kopfhaut. Während des Kampfs hatte Cutman Thilo Kudler alle Hände voll damit zu tun, die Blutung in den Pausen immer wieder zu stoppen. Sein Rezept: „Eine Mischung aus Adrenalin, Vaseline, Kälte und Druck. Das ist ordentlich aufgeplatz­t.“

Endlich ist die Tortur beendet. In der Ecke steht die XXL-Champagner­flasche, die es für den Sieg gab. 400 Euro soll sie wert sein. Erst einmal gibt es Wasser und Bier. Der Dopingkont­rolleur wartet. Alle anderen warten mit. Haan ist auf einem der Stühle in sich zusammenge­sunken und gähnt. Bis 4 Uhr morgens habe er schon mal gewartet, erzählt er.

Ein Freund zeigt ein Selfie mit sich und Til Schweiger herum, Schweiger schaut sehr ernst. Dann ist auch der Becher gefüllt. 1.30 Uhr. Nur duschen darf die Weltmeiste­rin mit der frisch genähten Platzwunde noch nicht, sagt der Arzt. „Egal, ich lasse den Trainingsa­nzug an. Ich will jetzt was trinken. Schlafen kann ich heute Nacht eh nicht, viel zu viel Adrenalin.“Unter Rupprechts linkem Auge blüht ein Veilchen auf, „das war eine Linke in der siebten Runde“. In der großen Halle zerlegen Monteure gerade den Ring, andere räumen die Stühle zusammen. Draußen rollt ein Laster mit frischem Fisch vorbei. Sonntags ist Markt.

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Fotos: Tay Duc Lam, Witters Die neue und alte Weltmeiste­rin: Die Augsburger­in Tina Rupprecht gewann ihren WM-Kampf in Hamburg nach Punkten. Zur Belohnung gab es eine XXL-Champagner­flasche und den Gürtel des Verbands WBC.
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„Alles andere als Fallobst“war nach Einschätzu­ng von Rupprechts Coach Alexander Haan die Spanierin Catalina Diaz (links).

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