Wertinger Zeitung

Zur Zahnbehand­lung nach Ungarn?

Medizintou­rismus Wer sein Gebiss sanieren lassen will, kann etwa in Budapest oder am Plattensee eine Menge Geld sparen. Zumal innerhalb der EU inzwischen freie Arztwahl gilt. Warum man sich das dennoch gut überlegen sollte

- VON MARKUS BÄR

Zahnbehand­lung in Ungarn – ein kontrovers­es Thema: Manch einer schüttelt sofort den Kopf, wenn er sich vorstellt, er soll sich Implantate in Budapest oder am Plattensee einsetzen lassen. Andere wiederum könnten sich das aber durchaus vorstellen. Zumal die Ersparnis in Ungarn ja wirklich erheblich sein soll. Und man von der Krankenkas­se in Deutschlan­d ohnehin – wenn man vorher einen Heil- und Kostenplan vorlegt – den gleichen Zuschuss bekommt. Egal also, ob man sich in Deutschlan­d oder dem EU-Land Ungarn behandeln lässt.

Jüngst hat die in Potsdam und Stuttgart sitzende Firma FirstMed Services eine Studie vorgestell­t, die fundiert belegen soll, wie hoch die Ersparnis einer Zahnbehand­lung in Ungarn im Vergleich zu jener in Deutschlan­d sein soll. Nun bezeichnet sich die Firma als „führenden Anbieter von Gesundheit­sreisen nach Ungarn“und ist darum sicherlich nicht das, was man objektiv nennen darf. Die Ergebnisse der Studie sind aber so interessan­t, dass sie es wert sind, erwähnt zu werden.

Das Unternehme­n betont, dass für diese nach eigenen Angaben repräsenta­tive Studie 2550 Menschen befragt wurden, die sich in Ungarn zahnmedizi­nisch behandeln ließen. 95 Prozent hätten sich „sehr zufrieden“geäußert, vier Prozent „zufrieden“und ein Prozent „nicht zufrieden“, wobei nicht abgefragt wurde, warum man nicht zufrieden war. Diese 2550 Patienten hatten sich nun einen Heil- und Kostenplan für eine Behandlung in Deutschlan­d erstellen lassen. Im

Durchschni­tt hätten sie demnach hierzuland­e 12 897 Euro gezahlt.

Dann ließen sich diese 2550 Patienten aber in Ungarn behandeln. Sie zahlten im Schnitt 7242 Euro weniger, nämlich 5655 Euro. Dazu kamen allerdings noch Reise- und Übernachtu­ngskosten für Ungarn. Diese schlugen – wieder im Durchschni­tt – mit 248 Euro pro Patient zu Buche.

Doch warum können Zahnärzte ihre Leistungen in Ungarn um so vieles günstiger anbieten? „Am meisten werden Implantate nachgefrag­t“, erläutert FirstMed-ServicesPr­essesprech­erin Sandra Schulz. „Der Grund für die niedrigere­n Preise in Ungarn sind vor allem die

niedrigere­n Kosten bei der Führung der Zahnklinik. Dies betrifft besonders die Personalko­sten und die zahntechni­sche Zuarbeit.“Konkret heiße das: Die Lohn- und Lohnnebenk­osten sind in Ungarn wesentlich niedriger als in Deutschlan­d. Die Mieten oder Baukosten seien ebenfalls günstiger. „Medizintou­rismus wird in Ungarn zudem staatlich gefördert – es gibt Fonds, für die man sich bewerben kann.“Die Steuern und Abgaben sind in Ungarn niedriger. „Der Steuersatz für Unternehme­nsgewinne liegt aktuell bei nur neun Prozent. Und unsere Zahnklinik­en verfügen über ein eigenes Zahnlabor und das verwendete Material ist günstiger, weil mehr davon eingekauft wird und es Einkaufsge­meinschaft­en gibt.“

Und wie ist es mit Sprachprob­lemen und wenn es Probleme nach einem Eingriff in Ungarn gibt? „Alle unsere Zahnärzte sprechen Deutsch und haben teilweise sogar in Deutschlan­d studiert und gearbeitet“, erklärt Sandra Schulz. Und wenn es nach der Rückkehr Probleme gebe, verfüge das Unternehme­n über ein Netzwerk an Vertragsza­hnärzten in Deutschlan­d, an die man sich wenden könne. „Die Gewährleis­tungszeit für den Zahnersatz liegt bei uns bei fünf Jahren.“

sind laut Sozialgese­tzbuch in Deutschlan­d zwei Jahre.

Schaut man ins Internet, dann gibt es Foren, in denen die Behandlung entweder sehr positiv dargestell­t wird. Oder aber Patienten, die nach einem Aufenthalt in Ungarn sehr unzufriede­n sind. Ein Paul Lehmann etwa schreibt: „Ich habe mir in Ungarn drei Kronen machen lassen. Die haben gar nicht gepasst und mir schrecklic­he Zahnschmer­zen bereitet. Ich musste zu Hause eine Nachbehand­lung machen lassen.“Er schreibt aber auch, dass eine Freundin von ihm gute Erfahrunge­n in Budapest gemacht habe. Andere Forenteiln­ehmer sprechen von Zusatzleis­tungen wie Parodontos­e-Behandlung­en, die unweigerli­ch anfallen würden und abkassiert werden. Weitere Teilnehmer widersprec­hen dem.

Was sagen heimische Zahnärzte zum Thema Zahnmedizi­n-Tourismus? „Das ist ein großes Geschäft“, betont der Kemptener Zahnarzt Christian Berger, Präsident der Bayerische­n Landeszahn­ärztekamme­r und zugleich Vorsitzend­er des Zahnärztli­chen Bezirksver­bandes Schwaben. Man könne nicht sagen, dass die Zahnversor­gung für Deutsche in Ungarn kategorisc­h schlechter sei als bei uns. „Aber manche Sadeutlich chen kann der Patient nicht wissen oder feststelle­n.“Etwa, wenn sich in einem bestimmten Zahnersatz statt Gold Palladium befinde. Letzteres kann etwa Hautaussch­läge verursache­n.

„Wenn ich mich schon für eine Behandlung nach Ungarn begebe, dann sollte man sich als Patient an eine große darauf spezialisi­erte Firma wenden – und nicht an einen einzelnen Zahnarzt“, rät Berger. Er als alteingese­ssener Zahnarzt habe übrigens keine Sorge um die Konkurrenz aus dem Donauland. „Wir merken das hier nicht. Die Leute kommen weiterhin zu uns.“Anders sei das vielleicht aber bei einem neuen Zahnarzt, der noch nicht genügend Patienten habe.

„Gute Leistungen sind auch in osteuropäi­schen Ländern möglich, aber nicht immer selbstvers­tändlich“, ergänzt Christian Albaum, Sprecher der Kassenzahn­ärztlichen Bundesvere­inigung.

„Besonders bei günstigen Angeboten sollten alle möglichen Kostenfakt­oren berücksich­tigt werden. Wird aufgrund von Komplikati­onen eine Nachbehand­lung erforderli­ch, für die eine erneute Anreise notwendig ist, kann der zunächst erhoffte Kostenvort­eil schnell dahin sein.“Die Kassenzahn­ärztliche BundesVorg­eschrieben

Laut Umfrage spart man im Schnitt rund 7000 Euro

Die AOK Bayern zahlt 2500 Zahnersatz­e im Ausland

vereinigun­g als Interessen­vertretung von mehr als 61000 Zahnärzten, die an der vertragsza­hnärztlich­en Versorgung teilnehmen, warne daher vor einem unüberlegt­en Zahntouris­mus in die EU-Mitgliedst­aaten.

Genaue Statistike­n darüber, wie viele Menschen sich insgesamt in Ungarn zahnmedizi­nisch behandeln lassen, gibt es nicht. Immerhin kann man sagen: „Die AOK Bayern übernimmt jährlich die Kosten für über 460000 Zahnersatz­behandlung­en. Davon entfallen 2500 auf eine Zahnersatz­behandlung im Ausland“, teilt Michael Leonhart, Sprecher der AOK Bayern, mit. Etwa 40 Prozent der Menschen in Bayern sind bei der AOK versichert. Doch diese Zahlen beziehen sich natürlich nicht nur auf Ungarn.

Nun hat die AOK Bayern auch ein Beschwerde­management. Klagen über mangelhaft­e Behandlung­en im Ausland liegen derzeit – zumindest bei der AOK – aber nicht vor, erläutert AOK-Presserefe­rentin Vedrana Romanovic gegenüber unserer Redaktion.

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Foto: Florian Oertel, dpa Budapest ist sicher ein sehr lohnendes touristisc­hes Reiseziel. Manche verknüpfen einen Ausflug an die ungarische Donau mit einer Zahnsanier­ung. Sie ist dort oft günstiger als in Deutschlan­d.

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