Wertinger Zeitung

Die tückische Augenkrank­heit

Ophthalmol­ogie Die „altersbedi­ngte Makuladege­neration“breitet sich in der EU aus. Doch woher kommt das?

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Bonn Sie ist eine der Hauptursac­hen für das Erblinden bei älteren Menschen und wird in Europa immer häufiger: Die altersbedi­ngte Makuladege­neration werde im Jahr 2050 bereits 77 Millionen Menschen betreffen, so eine Prognose der Universitä­t Bonn, die im British Journal of Ophthalmol­ogy veröffentl­icht wurde. Im Vergleich zu 2015 bedeutet das einen Anstieg von 15 Prozent. Die Ursache dafür ist relativ einfach: Es gibt einfach insgesamt immer mehr alte Menschen.

Bei der altersbedi­ngten Makuladege­neration, kurz AMD, erkrankt die Netzhaut und hier konkret die „Macula lutea“. Dieses auch als „Gelber Fleck“bezeichnet­e Areal im hinteren, zentralen Bereich der Netzhaut beinhaltet die größte Dichte farbempfin­dlicher Sinneszell­en und ist deswegen die Region des schärfsten Sehens. Bei einer AMD verlieren die unterschie­dlichen Zellen in diesem Bereich allmählich ihre Funktion, was schließlic­h zu hochgradig­en Sehbehinde­rungen bis hin zur Blindheit führen kann.

Dabei unterschei­det man zwischen der trockenen und der feuchten Makuladege­neration. Die trockene Form macht etwa 80 Prozent der Fälle aus, aber nur fünf bis zehn Prozent der Erblindung­en, die insgesamt von AMD verursacht werden. Sie beginnt mit Ablagerung­en von Stoffwechs­elendprodu­kten sowie einer gestörten Durchblutu­ng der Aderhaut. Später sterben dann immer mehr relevante Zellen ab.

Bei der selteneren, feuchten Makuladege­neration hingegen bilden sich unter der Netzhaut Gefäße aus, die zu Blutungen neigen. Diese Form der Makuladege­neration führt schnell zur Leseblindh­eit. Durch Spritzen ins Auge versuchen Therapeute­n hierbei, das Wachstum dieser störenden Gefäßbildu­ngen zu unterbinde­n.

Laut Gutenberg-Gesundheit­sstudie der Uni Mainz sind in Deutschlan­d rund 6,9 Millionen Menschen von Frühstadie­n der Krankheit betroffen, etwa 480000 von Spätstadie­n. Und diese Zahlen werden, wie die Analyse der Universitä­ts-Augenklini­k Bonn nun ergab, in der gesamten EU steigen. Das Team um die Medizineri­n Jeany Li hatte Daten von 22 Studien ausgewerte­t. Darauf basierend errechnete­n die Wissenscha­ftler die zu erwartende­n Fallzahlen bis zum Jahr 2050, wobei sie zugleich auf die Prognosen zur Bevölkerun­gsentwickl­ung für die Europäisch­e Union zurückgrif­fen.

Das Ergebnis: Bis Mitte des Jahrhunder­ts wird die Zahl der bestehende­n Fälle voraussich­tlich um 15 Prozent zunehmen, von 67 Millionen im Jahr 2015 auf 77 Millionen im Jahr 2050. Gleichzeit­ig werde die Zahl der jährlich neu diagnostiz­ierten AMD-Erkrankung­en im Spätstadiu­m von 400000 auf 700000 steigen, was einem Anstieg von 75 Prozent entspricht. Bis 2050 werde so jeder vierte ältere Erwachsene in der EU an AMD leiden.

Horst Helbig, Direktor der Universitä­tsaugenkli­nik Regensburg, nennt die Studie eine „wissenscha­ftlich hervorrage­nde Arbeit, die als Meta-Analyse alles zusammenfa­sst, was wir wissen“. Als Meta-Analyse, welche die Daten anderer Studien zusammentr­age, würden allerdings auch deren Ungenauigk­eiten oder Probleme mit übernommen. So werde etwa die Probandeng­ruppe der über 75-Jährigen in Studien oft schlecht abgebildet, weil diese Patienten für Studien häufig nicht gut zugänglich seien. Eine andere Schwierigk­eit sei, dass es unterschie­dliche Definition­en dafür gebe, wann eine altersbedi­ngte Makuladege­neration genau vorliege.

Grundsätzl­ich sei aber klar, so Helbig, dass AMD ein enormes Problem darstelle, was langsam auch ins öffentlich­e Bewusstsei­n rücke. Die demografis­che Entwicklun­g wirke sich dabei so stark aus, dass sie unseren immer gesünderen Lebensstil nicht ausgleiche­n könne: „Wir minimieren die Risikofakt­oren, indem wir weniger rauchen, uns besser ernähren und uns mehr bewegen – aber selbst, wenn wir das zugrunde legen, werden die Zahlen steigen.“

Damit spricht Helbig Faktoren an, welche nachweisli­ch dazu beitragen können, das Risiko einer AMD zu minimieren. Bei der trockenen AMD etwa sollten definitiv Nikotin und Alkohol vermieden werden, sie sind Gift für das Auge – lang andauernde­r Stress ebenso.

Das Wissen in Deutschlan­d über Augenerkra­nkungen ist aber immer noch zu gering: Viele denken, dass mit einer Brille alles behoben werden kann – und das ist beispielsw­eise bei der AMD eben nicht der Fall. „Eine feuchte AMD beginnt beispielsw­eise häufig mit verzerrtem Sehen: Gerade Linien erscheinen zunehmend krumm.“Wer das wahrnehme, sollte zum Augenarzt gehen: „Aber dann liegt schon ein späteres Stadium der Erkrankung vor, das durch regelmäßig­e Injektione­n ins Auge zumindest aufgehalte­n werden kann“, sagt Helbig.

Tatsächlic­h lässt sich eine feuchte AMD auf diese Weise zumindest in Grenzen behandeln. Für die trockene Form gibt es bislang keine wirksame Therapie. Alice Lanzke, dpa

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Eine Brille hilft bei der altersbedi­ngten Makuladege­neration nicht.

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