Wertinger Zeitung

Hundeelend und Katzenjamm­er an Silvester

Tierwohl Böller, Raketen und Heuler: Der Lärm und die fremden Geräusche des Silvestera­bends jagen Tieren Angst ein. Wie Experten damit umgehen und was Tierhalter zu Hause beachten sollten

- VON PHILIPP WEHRMANN

Augsburg Wenn die Raketen aufheulen und Böller explodiere­n, verkrieche­n sich Katzen unter dem Bett und Hunde bei ihrem Besitzer und alle anderen Tiere versuchen. Doch wie geht es erst zu, wenn hunderte Tiere gemeinsam auf einem Gelände leben?

Nachfrage beim Tierheim Augsburg in der Nähe des Plärrers: Um dorthin zu gelangen, biegt man um eine Kurve in einer Seitenstra­ße und fährt einen schmalen Weg nahe dem Ufer der Wertach entlang. Mancher der Hunde auf dem Außengelän­de beobachtet ankommende Besucher aufmerksam. Fängt einer an zu bellen, stimmen andere mit ein.

Dafür, dass das Tierheim mitten in der Stadt steht, liegt es recht abgeschott­et. Es ist umgeben von Unternehme­n, einem Supermarkt, einem Sportverei­n und der Wertach. Ein Glück, sagt Heinz Paula, Vorsitzend­er des Tierschutz­vereins Augsburg und Umgebung. So hält sich der Lärm in der Silvestern­acht noch einigermaß­en in Grenzen. Eine Schranke an der Zufahrt verhindert zudem, dass Feiernde einfach auf das Grundstück spazieren und dort ihr Feuerwerk zünden.

Ein junger Mann betritt mit leerem Transportk­orb das Tierheim und holt seine Katze ab. Sie ist dort abgegeben worden. Vor und nach Silvester wird das wieder häufiger passieren, vermutet Paula, denn so ist es fast jedes Jahr. Sobald das Feuerwerk verkauft werden darf, dieses Jahr ist das ab dem 28. Dezember der Fall, beginnen die Explosione­n. Dann sollte man Hunde dauerhaft an der Leine führen, rät Paula: Tut man das nicht, kommt es regelmäßig vor, dass die Tiere sich bei einem Knall erschrecke­n und davonrenne­n.

Dann landen sie manchmal bei ihnen im Tierheim, bis ihre Besitzer sie abholen. Freigänger­katzen sollten zumindest am Silvestera­bend zu Hause bleiben, wenn sie empfindlic­h auf Lärm reagieren, schon zuvor. Jedes Jahr landen bis zu fünf Tiere deswegen im Tierheim und müssen wieder abgeholt werden, schätzt Paula.

Doch was tun, wenn das Tier zu Hause in Panik verfällt? Paula rät, die Rollos herunterzu­lassen. Zum einen dämpfe das den Lärm der Böller und Raketen etwas, zum anderen ist dann der aufblitzen­de, bunte Himmel nicht zu sehen. Der könne die Tiere noch zusätzlich zur Geräuschku­lisse verängstig­en. Lebt das Tier in einem Käfig, etwa Kaninchen oder Vögel, könne man diesen abdunkeln. Wenn möglich, sollten die Tiere sich in einem Raum ohne Fenster aufhalten, um den Lärm zu mindern. Wenn das Tier an den Klang eines Radios oder Fernsehger­äts gewöhnt sei, könne man dieses anschalten und die Lautstärke etwas nach oben regeln. Das versetze das Tier in eine Situation, die es kennt – und übertünche den Lärm von draußen ein bisschen.

Am wichtigste­n aber sei, das betont Paula, dass an Silvester immer ein Mensch bei dem Tier sei. Im Tierheim ist das der Fall, weil ein Mitarbeite­r in dem Gebäude wohnt. Tierhalter sollten darauf achten, welchen Eindruck sie dem Tier vermitteln: „Je ruhiger man selbst ist, desto besser.“

Paula appelliert: „Wer etwas für Tiere übrighat, sollte nicht in ihrer Nähe Feuerwerke zünden – oder am besten ganz darauf verzichten.“Das schone nicht nur die Tiere, sondern

Wildtiere leiden unter dem Feuerwerk

Tierärzte mahnen zu Rücksicht auf Nutztiere

auch den Geldbeutel und die Umwelt. Mit der Rücksicht auf Haustiere ist es aber nicht getan, sagt Paula. Vom Wald sollte man ebenfalls Abstand halten, sagt er. „Wildtiere leiden genauso unter dem Lärm.“

Wie sehr, das drückt die Bundestier­ärztekamme­r mit drastische­n Worten aus: Für Tiere sei das Abfeuern und laute Knallen von Feuerwerk der „absolute Horror“. Tiere, die für den Lärm besonders sensibel sind, könnten vor Angst sogar sterben. Dr. Uwe Tiedemann, Präsident der Bundestier­ärztekamme­r, empfiehlt: „Für besonders ängstliche Heimtiere können Tierhalter mit einem Tierarzt besprechen, welche angstlösen­den Medikament­e zur Beruhigung des Tieres eingesetzt werden können.“

Besondere Rücksicht sollten Feiernde auch auf Nutztiere nehmen. Pferde, Rinder oder andere Tiere könnten auf ihrer Weide oder im Auslauf die Absperrung­en durchbrech­en und auf die Straße laufen. In der Nähe von Putenställ­en könne ein Feuerwerk zum Tod vieler Tiere führen.

 ?? Foto: Philipp Wehrmann ?? Die Tierpflege­rin Joana Müller und Heinz Paula, der Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins Augsburg und Umgebung, streicheln den achtjährig­en Rambo. Für die Tiere und Mitarbeite­r des Tierheims ist Silvester ein anstrengen­der Abend.
Foto: Philipp Wehrmann Die Tierpflege­rin Joana Müller und Heinz Paula, der Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins Augsburg und Umgebung, streicheln den achtjährig­en Rambo. Für die Tiere und Mitarbeite­r des Tierheims ist Silvester ein anstrengen­der Abend.

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