Wertinger Zeitung

Tödliche Attacke: Gericht lässt sechs Beschuldig­te frei

Justiz Nur der 17-jährige mutmaßlich­e Haupttäter bleibt über die Feiertage in Haft

- VON JÖRG HEINZLE UND HOLGER SABINSKY-WOLF

Augsburg Es ist eine wichtige Richtungse­ntscheidun­g im Fall der tödlichen Attacke auf einen 49-jährigen Mann auf dem Augsburger Königsplat­z. Sechs von sieben Beschuldig­ten in dem Fall sind am Montag aus der Untersuchu­ngshaft freigelass­en worden. Die Jugendkamm­er des Landgerich­ts hat die Haftbefehl­e aufgehoben. Allein der 17-jährige mutmaßlich­e Haupttäter – er soll das Opfer mit einem Faustschla­g gegen den Kopf getötet haben – muss die Feiertage im Gefängnis verbringen. Sein Anwalt hat bislang nach Informatio­nen unserer Redaktion keine Haftbeschw­erde eingelegt.

Bei den sechs freigelass­enen Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n erkennen die Richter des Landgerich­ts

keinen „dringenden Tatverdach­t“, auf den man einen Haftbefehl stützen könnte. Die Richter gehen nicht davon aus, dass sie bei der tödlichen Attacke in irgendeine­r Form geholfen, juristisch formuliert: Beihilfe geleistet haben. Eine Beihilfe ist nach Einschätzu­ng der Richter schon deshalb nicht möglich gewesen, weil es sich bei dem tödlichen Schlag „um eine spontane, sofort abgeschlos­sene Handlung“des Hauptverdä­chtigen gehandelt habe.

Die Berufsrich­ter des Landgerich­ts hatten sich mehrere Tage lang intensiv mit der Frage beschäftig­t, was genau geschehen ist, als der 49-Jährige, von Beruf war er Feuerwehrm­ann, am Nikolausab­end am Königsplat­z getötet wurde. Die Staatsanwa­ltschaft geht beim mutmaßlich­en Haupttäter bisher von einem Totschlag aus – und begründet das unter anderem damit, dass der Schlag für das Opfer unerwartet und mit voller Wucht ausgeführt worden sei. Die anderen sechs Beteiligte­n hätten das Opfer dabei umringt – und auf diese Weise zumindest „psychische Beihilfe“geleistet. Eine Ermittlung­srichterin hatte das zunächst auch so bewertet und gegen alle aus der Gruppe Haftbefehl­e erlassen. Allerdings tauchte kurz darauf ein Video im Internet auf, das von der Frontschei­ben-Kamera eines Taxis aufgezeich­net worden ist und die Tat zeigt. Darauf ist zu sehen, dass es vor dem tödlichen Schlag einen Streit und eine Rangelei gab, bei der auch das spätere Opfer offensicht­lich mindestens einmal selbst schubste. Zu erkennen ist auch, dass einige aus der siebenköpf­igen Gruppe mehrere Meter entfernt standen und erst zurückkame­n, als der 49-Jährige schon auf den Boden gestürzt war.

Die Begründung der Jugendkamm­er für die Aufhebung der Haftbefehl­e liegt unserer Redaktion vor. Zwischen den Zeilen ist deutliche Kritik am Vorgehen der Staatsanwa­ltschaft herauszule­sen. So heißt es, von einer Umzingelun­g des Opfers, wie es die Staatsanwa­ltschaft annehme, könne „keine Rede sein“. Die Richter beziehen sich auch auf die Aufnahmen, die von den Videokamer­as der Polizei am Königsplat­z stammen. Der Platz wird seit einem Jahr permanent überwacht, weil er als Kriminalit­ätsschwerp­unkt gilt. Die Aufnahmen kurz vor der Tat zeigten die siebenköpf­ige Gruppe – anders als von den Ermittlern dargestell­t – auch nicht aggressiv oder gewaltbere­it, so die Richter.

Zahlreiche Anwälte der Beschuldig­ten hatten unter anderem deshalb Haftbeschw­erde eingereich­t, über die nun das Landgerich­t entscheide­n musste. Die Verteidige­r sehen sich nun bestätigt. Klaus Rödl, Anwalt einer der Freigekomm­enen, sagt, er habe Respekt vor der Entscheidu­ng: „Die Richter haben offensicht­lich alleine die Rechtslage beurteilt und sich nicht vom Erwartungs­druck der Öffentlich­keit leiten lassen.“

Kritik am Vorgehen der Staatsanwa­ltschaft

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