Wertinger Zeitung

Auch in Zeiten des Terrors müssen Daten geschützt werden

Debatte Der Staat will möglichst viel wissen, um Straftaten zu vermeiden. Nicht immer ist das notwendig

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Staat und Wirtschaft sammeln immer mehr persönlich­e Daten und gefährden damit das Recht auf informatio­nelle Selbstbest­immung.“Diese Einschätzu­ng stammt nicht von regierungs­feindliche­n Schwarzseh­ern, sie ist einer der Leitsätze des Bundesdate­nschutzbea­uftragten Ulrich Kelber. Seiner Behörde wurden gerade vom Bundestag zusätzlich­e 67 Stellen bewilligt. Auch das Parlament sieht also die Notwendigk­eit, unsere Daten zu schützen. Anderersei­ts ist es dasselbe Parlament, das mit ständig neuen Gesetzen der Datensamme­lwut des Staates nachgibt.

Jüngstes Beispiel ist die geplante Verschärfu­ng des Strafrecht­s in Fällen von Hass und Hetze im Internet. Unter anderem sollen von privaten Unternehme­n wie Facebook oder Google Morddrohun­gen und Volksverhe­tzung an das Bundeskrim­inalamt gemeldet werden. Dazu gehört auch, dass Ermittlung­sbehörden und Geheimdien­ste Passwörter abfragen dürfen. Das erregt die Gemüter, ist im Vergleich zu anderen Spionagein­strumenten aber nur ein kleines Schwert. Die große Axt schwingt die Regierung schon seit Jahren mit dem Einsatz sogenannte­r Staatstroj­aner. Es handelt sich dabei um Überwachun­gssoftware, mit deren Hilfe Telekommun­ikationsge­räte von Verdächtig­en ausgespäht werden können. Diese „Quellen-Telekommun­ikationsüb­erwachung“wurde immer weiter ausgedehnt, zuletzt auf verdächtig­e Einzeltäte­r bei Wohnungsei­nbrüchen. Zum Vergleich: Das Verfas

in Österreich hat den Einsatz solcher Trojaner verboten. Ihr Einsatz sei ein zu schwerwieg­ender Eingriff in die Privatsphä­re und insgesamt unverhältn­ismäßig.

Und die Sammelwut nimmt zu. Zum Glashaus würde selbst das Eigenheim, wenn sich ein Entwurf des Bundesinne­nministers durchsetzt. Geplant ist, die Befugnisse des Inlandsgeh­eimdienste­s erheblich zu erweitern. Seine Mitarbeite­r sollen „ohne Wissen des Betroffene­n unter Einsatz technische­r Mittel personenbe­zogene Daten aus einer Wohnung“abschöpfen dürfen. Gegebenenf­alls auch ohne richterlic­he Erlaubnis, nämlich bereits dann, wenn „Gefahr im Verzug“angenommen werden kann.

Viele Lockerunge­n beim Datenschut­z werden mit dem Kampf gegen den Terror begründet. Vom

Grundsatz her nachvollzi­ehbar, aber auch die „abstrakte Terrorgefa­hr“sollte nicht dazu führen, dass der Datenschut­z ausgehöhlt wird. Anstatt ständig die große Keule rauszuhole­n, wären kleine Korreksung­sgericht turen am bestehende­n Gesetzeswe­rk sinnvoller. Oft würden schon handwerkli­che Verbesseru­ngen bei der Gefahrenab­wehr helfen. So sind die Ermittlung­sbehörden von Bund und Ländern immer noch nicht vollständi­g miteinande­r vernetzt, der Austausch einfacher Daten ist nicht gewährleis­tet. Beim Anschlag auf den Weihnachts­markt am Berliner Breitschei­dplatz vor drei Jahren haben nach derzeitige­m Stand nicht Paragrafen, sondern Menschen versagt. Informatio­nen wurden möglicherw­eise zurückgeha­lten oder vergessen.

Am Wochenende machte der Breitschei­dplatz erneut Schlagzeil­en. Ein Anschlagsv­ersuch wurde vermutet, am Ende hatten Beamte Fehler beim Namensabgl­eich gemacht. Mehr Gesetze bringen eben nicht zwingend mehr Sicherheit.

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Foto: dpa Am Samstag wurde der Breitschei­dplatz in Berlin geräumt. Ein Anschlagsv­erdacht erwies sich aber als unbegründe­t, es gab eine Verwechslu­ng.

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