Auch in Zeiten des Terrors müssen Daten geschützt werden
Debatte Der Staat will möglichst viel wissen, um Straftaten zu vermeiden. Nicht immer ist das notwendig
Staat und Wirtschaft sammeln immer mehr persönliche Daten und gefährden damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.“Diese Einschätzung stammt nicht von regierungsfeindlichen Schwarzsehern, sie ist einer der Leitsätze des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber. Seiner Behörde wurden gerade vom Bundestag zusätzliche 67 Stellen bewilligt. Auch das Parlament sieht also die Notwendigkeit, unsere Daten zu schützen. Andererseits ist es dasselbe Parlament, das mit ständig neuen Gesetzen der Datensammelwut des Staates nachgibt.
Jüngstes Beispiel ist die geplante Verschärfung des Strafrechts in Fällen von Hass und Hetze im Internet. Unter anderem sollen von privaten Unternehmen wie Facebook oder Google Morddrohungen und Volksverhetzung an das Bundeskriminalamt gemeldet werden. Dazu gehört auch, dass Ermittlungsbehörden und Geheimdienste Passwörter abfragen dürfen. Das erregt die Gemüter, ist im Vergleich zu anderen Spionageinstrumenten aber nur ein kleines Schwert. Die große Axt schwingt die Regierung schon seit Jahren mit dem Einsatz sogenannter Staatstrojaner. Es handelt sich dabei um Überwachungssoftware, mit deren Hilfe Telekommunikationsgeräte von Verdächtigen ausgespäht werden können. Diese „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“wurde immer weiter ausgedehnt, zuletzt auf verdächtige Einzeltäter bei Wohnungseinbrüchen. Zum Vergleich: Das Verfas
in Österreich hat den Einsatz solcher Trojaner verboten. Ihr Einsatz sei ein zu schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre und insgesamt unverhältnismäßig.
Und die Sammelwut nimmt zu. Zum Glashaus würde selbst das Eigenheim, wenn sich ein Entwurf des Bundesinnenministers durchsetzt. Geplant ist, die Befugnisse des Inlandsgeheimdienstes erheblich zu erweitern. Seine Mitarbeiter sollen „ohne Wissen des Betroffenen unter Einsatz technischer Mittel personenbezogene Daten aus einer Wohnung“abschöpfen dürfen. Gegebenenfalls auch ohne richterliche Erlaubnis, nämlich bereits dann, wenn „Gefahr im Verzug“angenommen werden kann.
Viele Lockerungen beim Datenschutz werden mit dem Kampf gegen den Terror begründet. Vom
Grundsatz her nachvollziehbar, aber auch die „abstrakte Terrorgefahr“sollte nicht dazu führen, dass der Datenschutz ausgehöhlt wird. Anstatt ständig die große Keule rauszuholen, wären kleine Korreksungsgericht turen am bestehenden Gesetzeswerk sinnvoller. Oft würden schon handwerkliche Verbesserungen bei der Gefahrenabwehr helfen. So sind die Ermittlungsbehörden von Bund und Ländern immer noch nicht vollständig miteinander vernetzt, der Austausch einfacher Daten ist nicht gewährleistet. Beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz vor drei Jahren haben nach derzeitigem Stand nicht Paragrafen, sondern Menschen versagt. Informationen wurden möglicherweise zurückgehalten oder vergessen.
Am Wochenende machte der Breitscheidplatz erneut Schlagzeilen. Ein Anschlagsversuch wurde vermutet, am Ende hatten Beamte Fehler beim Namensabgleich gemacht. Mehr Gesetze bringen eben nicht zwingend mehr Sicherheit.