Wertinger Zeitung

Der Schwaben-Stratege tritt ab

Porträt Peter Saalfrank setzte sich als Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer 19 Jahre dafür ein, dass die Region wettbewerb­sfähiger wird. Vieles wurde erreicht. Was bleibt, ist ein großer Wunsch und eine Sorge

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Strategen haben es nicht leicht. Sie denken weit voraus und wollen in der Gegenwart Dinge verändern, damit die Zukunft besser wird. Damit verlangen solche Unruhegeis­ter anderen, zumal Politikern, die oft nur an den kurzfristi­gen Erfolg denken, viel ab. Doch es braucht Strategen, um Krisen zu überwinden. Strategen können, ja müssen lästig sein. So ein hartnäckig­er Weichenste­ller ist Peter Saalfrank. Der Hauptgesch­äftsführer der schwäbisch­en Industrie- und Handelskam­mer tritt zum Jahresende ab. Mit 63 hört er dann – wie schon länger geplant – auf.

Nicht geplant war jedoch, dass der IHK-Mann in diesem Jahr vom Schicksal noch einmal massiv auf die Probe gestellt wird. Eine schon überwunden geglaubte Tumorerkra­nkung meldete sich zurück, derart stark, dass Saalfrank schon seit Frühjahr sein Amt nicht mehr ausüben kann. Doch es geht ihm wieder besser. Ja, er sagt sogar im Gespräch mit unserer Redaktion in seinem Augsburger Haus: „Es geht mir gut.“Seine Frau schaut auch kurz vorbei. Dr. Renate Linné ist Ärztin und stellvertr­etende kaufmännis­che Direktorin des Universitä­tsklinikum­s Augsburg. In einer solch schwierige­n Probe für jede Familie war die Medizineri­n natürlich ein Segen für den langjährig­en Kämpfer für die Belange der heimischen Unternehme­r.

Sein eigener Kampf um die Gesundheit geht weiter. Saalfrank will aber nicht so sehr über sich selbst sprechen, sondern über Schwaben. Dabei ist es eigentlich amüsant, dass ausgerechn­et er sich vehement für die Belange der Region einsetzt. Denn der IHK-Mann ist ein echter Münchner, was sprachlich auch nach vielen Jahren im Exil unverkennb­ar bleibt. Er lächelt und sagt, wie es dem Humor seiner Heimatstad­t entspricht: „I bin auf der Wiesn geboren, sozusagen im Bierzelt.“Saalfrank flunkert. Wahr ist, dass er rund 100 Meter entfernt von der Theresienw­iese aufgewachs­en ist. Nach Schwaben hat es ihn nach einer Banklehre des Jura-Studiums willen verschlage­n. So entdeckte Saalfrank seine Liebe zu Augsburg, fügt aber dann doch einen für Liebhaber seiner Heimatstad­t typischen Satz an: „Ich war natürlich nie wirklich weg von München.“Nach dem Studium zog es ihn im Dienste der IHK-Organisati­on ins Ausland, erst nach Lissabon, dann nach Brüssel.

Saalfrank lernte gerade auf EU-Ebene, wie das Geschäft des Netzwerken­s funktionie­rt, also das argumentat­ive Bearbeiten von Politikern. Kenntnisse der Disziplin des strategisc­hen Lobbyings sollten ihm in seiner Augsburger IHK-Zeit von Nutzen sein. Dabei fand sich ein interessan­tes Gespann zusammen: Die kämpferisc­he und selbstbewu­sste einstige IHK-Chefin Hannelore Leimer und ihr, was solche Ambitionen betrifft, nicht unähnliche­r Kompagnon Saalfrank.

Die Schwäbin und der Münchner kämpften Seit’ an Seit’ für eine Aufwertung der Region, sowohl was die

Verkehrsan­bindung als auch die Ausstattun­g mit wissenscha­ftlichen Instituten betrifft. Sie forderten keck in München ein, dass die Staatsregi­erung nicht immer nur an Oberbayern oder benachteil­igte Grenzgebie­te im Freistaat denkt.

Das IHK-Duo wurde also Oberbayern wie dem damaligen Ministerpr­äsidenten Edmund Stoiber lästig. Dessen Finanzmini­ster Kurt Faltlhause­r, ein Münchner Ironiker wie Saalfrank, legte einst einen denkwürdig­en Auftritt im Jahre 2006 hin, als er Leimer und ihren Hauptgesch­äftsführer beim WMFußballs­piel Deutschlan­d gegen

Schweden in München traf. Der CSU-Mann soll das Schwaben-Duo mit dem Satz begrüßt haben: „Da kommt ja Augsburg an der Jammer.“Ein wenig geschert, so kann Münchner Humor sein. Der Ausspruch machte die Runde.

Leimer und Saalfrank stritten nur umso entschloss­ener für die Interessen Schwabens. Manches sollte gelingen, einiges nicht. So wurde ihr Traum eines Verkehrsfl­ughafens in Lagerlechf­eld bei Augsburg nicht wahr. Das Allgäu setzte sich mit Memmingerb­erg durch. Doch Erfolge wie der sechsspuri­ge Ausbau der Autobahn A8 von München nach Ulm machten solche Rückschläg­e wett.

Die deutliche Verbesseru­ng der Verkehrsan­bindung erwies sich als Vitaminspr­itze für die Region. Hinzu kam die Ansiedlung wissenscha­ftlicher außerunive­rsitärer Institute im Augsburg Innovation­spark. Hier hat Saalfrank im Hintergrun­d mit die Strippen gegenüber der Politik gezogen. Rückschaue­nd sagte er: „Mit Ministerpr­äsident Beckstein ging es bergauf für Schwaben. Dessen Nachfolger Seehofer brachte dann mit der Zusage für das Unikliniku­m einen gewaltigen Schub für die Region.“Letzterer sei ein vortreffli­cher Ministerpr­äsident für Schwaben gewesen. Und: „Söder tritt hier klar in Seehofers Fußstapfen.“Den Namen „Stoiber“erwähnt Saalfrank in seiner Aufzählung von Regierungs­chefs, die segensreic­h für den heimischen Wirtschaft­sstandort wirkten, nicht. Darauf angesproch­en lächelt er nur und sagt nichts weiter.

Und welche strategisc­hen Weichenste­llungen wünscht sich Saalfrank nun von IHK-Präsident Andreas Kopton und Marc Lucassen, seinem Nachfolger als Hauptgesch­äftsführer? „Beide sollten“, so sein Wunsch, „einen Blick auf den Industries­tandort Augsburg haben, der mir Sorgen macht“. Denn die Stadt habe wirtschaft­lich trotz aller Erfolge immer wieder Narben verkraften müssen. So folgten den Manroland- und Böwe-Systec-Insolvenze­n das Aus des einstigen Osram-Standortes und die Schließung des Fujitsu-Computerwe­rkes. Saalfrank hofft auch, dass die überregion­ale Zusammenar­beit entlang der Technologi­eachse Süd von Karlsruhe über Augsburg und München hinein ins ostbayeris­che Chemiedrei­eck wieder intensivie­rt wird, beispielsw­eise für Batterieze­llenforsch­ung

„Mit Ministerpr­äsident Beckstein ging es bergauf in Schwaben.“

Peter Saalfrank, Industrie- und Handelskam­mer

und verkehrspo­litische Großprojek­te: „Das wäre eine große Chance für die Region.“

Der IHK-Mann glaubt auch an ein Comeback der Idee von „Greater Munich“, also an ein näheres Zusammenrü­cken der Landeshaup­tstadt mit der Schwaben-Metropole.

Daneben fällt sein Blick auf die Augsburger Wissenscha­ftsinstitu­te. Hier wünscht sich Saalfrank einen engeren Technologi­etransfer zwischen regionalen Mittelstän­dlern und den Forschern: „So könnten wir den Wirtschaft­sstandort auch in den heutigen Umbruch- und Krisenzeit­en stärken.“Denn der Mittelstan­d im starken ländlichen Raum sei die Stütze Schwabens und gerade in der Region um Augsburg mit weltweit tätigen Firmen bestens vertreten. Das alles trägt Saalfrank strukturie­rt und mit Nachdruck wie immer vor. Insofern ist er trotz der Krankheit ganz der Alte.

Das Gehen fällt ihm noch schwer, dafür das Denken umso einfacher.

 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? Peter Saalfrank hat lange die Geschicke der schwäbisch­en Wirtschaft als IHK-Hauptgesch­äftsführer mitbestimm­t. Zum Jahresende tritt er ab. Sein Nachfolger steht mit Marc Lucassen schon fest.
Archivfoto: Ulrich Wagner Peter Saalfrank hat lange die Geschicke der schwäbisch­en Wirtschaft als IHK-Hauptgesch­äftsführer mitbestimm­t. Zum Jahresende tritt er ab. Sein Nachfolger steht mit Marc Lucassen schon fest.

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