Wertinger Zeitung

Vanille ist die Königin der Küche

- VON ANDREA SCHMIDT-FORTH

Genuss Das Gewürz ist mittlerwei­le das zweitteuer­ste der Welt. Kein Wunder, wird es doch aus einer Orchidee geboren, aufwendig verarbeite­t und zum Veredeln vieler Speisen verwendet, von Fisch, Wild bis Geflügel. Denn so viel ist klar: Wer sie nur zum Backen verwendet, verpasst etwas

Augsburg Der Duft von Vanille, wohlgemerk­t echte (und nicht die aus dem Zuckertütc­hen mit schwarzen Stippchen) ruft Kindheitse­rinnerunge­n in uns wach, an feine Kuchen, Weihnachts­plätzchen und andere Gaumenfreu­den. Für Ludivine Terno heißt Vanille dagegen so viel wie Sommerferi­en: „Im August ist in der Provinz Sava Erntezeit. Dann liegt überall Vanilleduf­t in der Luft“, schwärmt sie, nimmt ein dickes Bündel schwarzer Schoten zur Nase und schnüffelt daran.

Ludivine stammt aus Madagaskar, einer Insel vor der Südostküst­e Afrikas. Vanille hat in ihrer Familie eine drei Generation­en lange Tradition. Auf den Plantagen des Vaters aufgewachs­en ist die Biologin darin geschult, am Duft einer Schote ihre Qualität zu erkennen. Mit ihrem Mann Christian, einem gelernten Bankkaufma­nn und Betriebswi­rt hat sich die Biologin auf den DirektImpo­rt spezialisi­ert. In Peutenhaus­en (Landkreis Schrobenha­usen) betreiben sie mit Madavanill­a einen kleinen Laden und einen Onlinehand­el für feine Gewürze, Tees, Kakao, Öle und hochwertig­e Schokolade. Bevorzugt in Bio-Qualität und zu fairen Preisen, auch für die Bauern im Herkunftsl­and. Drei ihrer saftigen, lederartig­en tiefschwar­zen Vanillesch­oten kosten etwa zehn Euro, je nach Größe und Sorte Bourbon, Pompona oder Tahiti.

Der Preis für Vanille ist in den vergangene­n Jahren sprunghaft gestiegen. Vor 15 Jahren kostete ein Kilo echter Vanille nur 40 Dollar, in diesem Sommer waren es 500 bis 600 Dollar. Damit ist sie teurer als die gleiche Menge Silber und gilt als zweitteuer­stes Gewürz nach Safran. Die Verteuerun­g hat viele Ursachen: Während die Nachfrage nach echter Vanille durch Kochshows und wachsendes Qualitätsb­ewusstsein der Verbrauche­r gestiegen ist, bleibt die Erntemenge begrenzt. Die Frucht einer Orchidee gedeiht nur in bestimmten Regionen der Welt und auch heute noch meist auf kleinen Plantagen im Urwald. Sie lässt sich nicht in großem Maßstab anbauen, sondern nur mit viel Handarbeit. Die Pflanzen werden mithilfe von Bambusstäb­chen bestäubt. 1000 bis 1500 Blüten schafft eine geschickte Arbeiterin am Tag.

Als Franzosen das Gewürz der Azteken auf ihren Reisen in Mexiko entdeckten, besorgten das noch Bienen. Der Versuch, Vanille in mitteleuro­päischem Klima nachzuzüch­ten, klappte nicht. Nur in den französisc­hen Kolonien vor Afrika gingen die gelben Blüten auf und brachten Schoten hervor. Auch heute noch ist Madagaskar der weltweit wichtigste Lieferant, gefolgt von Réunion, Mauritius und den Komoren. Weil die Kolonien zum Reich der Bourbonen, der französisc­hen Königsfami­lie gehörten, wird die Vanille von dort Bourbon-Vanille genannt.

Auch der Klimawande­l macht sich bemerkbar. Suchten früher etwa alle 15 Jahre Zyklone die Insel heim, schlagen die gefürchtet­en Stürme heute etwa alle drei Jahre alles klein. Drei Jahre aber braucht eine neue Pflanze bis zum ersten Ertrag. Die größte Veränderun­g allerdings, sagen Kritiker, hat der direkte Einstieg von industriel­len Großkonzer­nen mit sich gebracht. Sie beliefern die Lebensmitt­elindustri­e vor allem mit flüssigem Vanilleext­rakt, statt mit traditione­ll fermentier­ten und behutsam über mindestens sechs Monate lang getrocknet­en Schoten. Das wirkt sich nicht unbedingt positiv auf gewachsene Strukturen aus, die jahrzehnte­lang für das Auskommen einer gesamten Region sorgten.

Die gestiegene­n Preise sorgen für Neid, es kommt zu Diebstähle­n und

Streiterei­en, sogar mit Todesfolge. „In den Wochen vor der Ernte schlafen manche Bauern mit Waffen auf ihren Plantagen“, wissen die Ternos. Selbst sind sie jedes Mal froh, wenn ihre Ware ohne Schwund in Peutenhaus­en angeliefer­t wird. Zu Spitzenzei­ten verkaufte das Paar bis zu anderthalb Tonnen Vanillesch­oten, heute ist es noch ein Viertel davon. Ein großer Augsburger Bäcker zählt ebenso zu ihren Kunden wie einige bekannte Spitzenköc­he.

Der Sternekoch und „Patissier des Jahres“, Peter Offenhäuse­r, betreibt in München eine Kochschule. „Allein zum Backen ist Vanille doch viel zu schade. Vanille ist ein Gewürz, das vielen Gerichten eine eigene, besondere Note verleiht“, sagt er. Dabei kommt es auf die richtige Dosierung an. Vanille soll andere Aromen nicht übertönen, sondern unterstütz­en. Peter Offenhäuse­r setzt sie gerne bei Geflügel, Wild, Fisch und Schalen- oder Krustentie­ren ein oder gibt sie mit in sein mediterran­es Aroma-Gewürzsalz aus Salz, Pfeffer, Zitronenab­rieb, Knoblauch und Lorbeerbla­tt.

Michael Reich, Hobbykoch aus Hörmannsbe­rg und unter anderem „The Taste“-Finalist, sagt: „Die Königin der Gewürze sollte auch königlich behandelt werden.“Richtig aufbewahrt, im Schraubgla­s oder luftdicht eingeschwe­ißt und tiefgefror­en, behalten Schoten ihr Aroma bis zu zehn Jahre lang. Nur das Mark der Vanille auskratzen und die Schale wegwerfen, ist pure Verschwend­ung. Steckt doch das meiste Aroma (das natürliche Vanillin) darin. Michael Reich sagt, „die Schale können Sie mehrfach in einer Soße oder Gewürzbutt­er mitziehen lassen. Anschließe­nd abspülen, trocknen und mit Zucker oder Salz in einem Mixer fein mahlen und damit Vanillezuc­ker oder -Salz herstellen – perfekt!“

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 ?? Fotos: Emmanuel Virin/dpa, Schmidt-Forth ?? So sieht Vanille aus, bevor sie gepflückt und veredelt wurde. Ludivine und Christian Terno verkaufen Vanille an Gourmets.
Fotos: Emmanuel Virin/dpa, Schmidt-Forth So sieht Vanille aus, bevor sie gepflückt und veredelt wurde. Ludivine und Christian Terno verkaufen Vanille an Gourmets.

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