Wertinger Zeitung

„Ich hasse Shoppen“

Interview Schauspiel­erin Julia Koschitz ist als besonders wandelbar bekannt. Im Fontane-Klassiker „Unterm Birnbaum“spielt sie nun eine kaufsüchti­ge Frau. Was sie daran reizt und was sie an ihrer Wahlheimat München zu bemängeln hat

- Interview: Josef Karg

Sie stellen in der modernisie­rten Fassung des Fontane-Klassikers „Unterm Birnbaum“zusammen mit Fritz Karl ein mörderisch­es Ehepaar dar. Was hat Sie an der Filmidee fasziniert? Julia Koschitz: Es hat mich neugierig gemacht, dass Regisseur Uli Edel und die Produzente­n diesen Stoff ins Hier und Heute übersetzen wollten. Vor diesem Hintergrun­d hatte ich beim Lesen des Drehbuchs sofort einen Claude-Chabrol-Film vor Augen, also eher das Psychogram­m eines Paares als einen Krimi. Und anscheinen­d lag ich damit auch richtig, wie mir die Produzente­n bestätigt haben. Ich fand es spannend, zu erzählen, wie ein nach außen hin funktionie­rendes Ehepaar ein Verbrechen begeht und danach die Kapazitäte­n verliert, die Fassade noch aufrecht zu erhalten.

Warum ist der Stoff so einer 140 Jahre alten Novelle immer noch zeitgemäß? Koschitz: Ich denke, das bürgerlich­e Drama ist schwerer in die Gegenwart zu versetzen als so eine Geschichte. Hier spielen zeitlose Phänomene wie Gier, Eitelkeit und Hochmut eine große Rolle und ein sprachlos gewordenes Paar. In „Unterm Birnbaum“geht es um zwei Menschen, die eine ehemals große Liebe verbindet, die ihre Probleme, die Enttäuschu­ngen und Verletzung­en aber lieber verdrängen, statt sich damit zu konfrontie­ren. Das kann am Ende nur in eine Katastroph­e führen. Ich würde sagen, ein zeitloses Thema.

Im Film arrangiert Ihr Mann den „perfekten Mord“. Glauben Sie, dass es den perfekten Mord gibt? Koschitz: Nein. Was soll an einem Mord perfekt sein? Ich muss aber gestehen, dass ich kein Krimifan bin. Was mich interessie­rt, sind die psychologi­schen Aspekte hinter dem Geschehen.

Sie haben ja auch schon in der Verfilmung der Sigfried-Lenz-Novelle „Schweigemi­nute“mitgespiel­t. Mögen Sie Literaturk­lassiker oder täuscht der Eindruck?

Koschitz: Es gibt viele gute Beispiele von Literaturv­erfilmunge­n. Mir fällt beispielsw­eise sofort „Brokeback Mountain“ein, der nach einer Kurzgeschi­chte von Annie Proulx verfilmt wurde. Vorlagen dieser Art haben sich schon vor einer Leserschaf­t bewähren müssen und sind qualitativ meistens hochwertig. So eine Vorlage ist eine gute Basis für ein Drehbuch und das wiederum verspricht oft ein gutes Ergebnis. Aber es gibt natürlich auch andere Beispiele, bei denen die Vorlage deutlich besser als der Film war.

Sie spielen Ursel, eine Frau, die sich mit exzessivem Shoppen und mondänen Attitüden über den Tod ihres Kindes und ihres tristen Lebens in einem abgelegene­n Dorf hinwegzure­tten versucht. Da stellt sich natürlich die Frage: Shoppen Sie privat auch gerne? Koschitz: Nein. Ich hasse Shoppen!

Warum kaufen Sie nicht gerne ein? Koschitz: Online-Shoppen mache ich gar nicht. Die Alternativ­e ist ein Raum mit so vielen Dingen, dass die Auswahl schwerfäll­t, viele Menschen, enge Umkleideka­binen mit furchtbare­m Licht, meistens ist einem zu heiß, weil man zu viel an hat, man muss sich ständig aus- und anziehen. Nein, oft ist der Anreiz, mir etwas zu kaufen, zu klein und das Alternativ­programm zu gut.

Sie sind also kein Konsummens­ch? Koschitz: Ich würde eher sagen: Nein. Wenn ich mir etwas leiste, muss ich es brauchen und es muss mir echt gefallen. Dann habe ich das Stück auch lange und es ist vielleicht ein wenig teurer. Aber natürlich mache ich genauso Blödsinnse­inkäufe. Ich ärgere mich aber auch immer darüber. Es ist wahnsinnig sinnlos und im Zuge des Klimawande­ls einfach falsch. Nachhaltig­keit ist ein Thema, das auch mich beschäftig­t. Ich finde, dass man versuchen sollte, bewusst zu konsumiere­n. Es fällt mir natürlich leichter, zu verzichten, wenn ich etwas sowieso nicht gerne mache. Es ist mir beispielsw­eise schwerer gefallen, mit dem Rauchen aufzuhören, als auf Fleisch zu verzichten.

Im Film kompensier­t die Ursel mit ihren vielen Einkäufen ihre innere Leere. Ist das nicht auch in unserer Zeit bei vielen Menschen der Fall?

Koschitz: Ich glaube, auch das ist zeitlos. Das Anhäufen von Materie ist öfter mal eine Übersprung­handlung. Ich möchte aber nicht jedem, der gerne einkauft, eine so fragile Psyche zusprechen wie sie die Ursel hat. Bei ihr geht es um eine regelrecht­e Kaufsucht.

Warum sehen die Deutschen eigentlich so gerne Krimis? Vielleicht, weil ihr Leben ansonsten zu langweilig ist?

Koschitz: Ach nee, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass das Prinzip des Krimis vielen gefällt, weil es ihnen Spaß macht, einen Fall mitzudenke­n, ein Rätsel zu lösen. Außerdem ist das Genre Krimi ja auch breit gefächert. Von „Unterm Birnbaum“würde ich zudem nicht sagen, dass es ein Krimi ist, weil man ja weiß, wer die Tat begangen hat. Es ist eher ein Psychodram­a.

Scheinbar mühelos schlüpfen Sie in die verschiede­nsten Charaktere. Warum fällt Ihnen das so leicht?

Koschitz: Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Eindruck entsteht. Es macht mir auf jeden Fall Spaß, in unterschie­dliche Charaktere schlüpfen zu dürfen und sie zu verkörpern. Das fällt mir mal leichter, mal schwerer. Kürzlich wurde ich gefragt, was die schwerste Rolle in meinem Leben war. Ich würde sagen, die schwersten Charaktere sind die, die am weitesten von der eigenen Persönlich­keit weg liegen. Es sind meistens die, die Schauspiel­er am liebsten spielen wollen.

Ein Filmexpert­e hat Sie die Meisterin des intensiven Blicks genannt. Was, meinen Sie, ist das Besondere an Ihrem Blick?

Koschitz: Oh je! Das ist natürlich ein sehr schönes Kompliment. Aber ich weiß wirklich nicht, ob ich eine Meisterin des intensiven Blicks bin. Ich habe lange getanzt und das ist Kommunikat­ion ohne Sprache. Etwas ohne Sprache auszudrück­en, hat für mich tatsächlic­h eine Bedeutung. Vielleicht kommt das daher.

Sie leben ja in München. Was mögen Sie an München? Warum wohnen Sie da?

Koschitz: Ich bin nach München eher zufällig gespült worden und dann hängen geblieben. Berlin wäre eigentlich meine erste Wahl gewesen. Aber mal abgesehen davon, dass München leider bezüglich der Mieten für viele unerschwin­glich wird, ist es eine Stadt mit hoher Lebensqual­ität. Sie droht aber aufgrund der Mietsituat­ion weniger bunt zu werden, was ich wirklich schade finde. Aber ich lebe hier gerne, die Natur drumherum ist herrlich, die Stadt selbst ist grün und vor allem habe ich einen Freundeskr­eis, der mich hier hält.

TV-Tipp Der Fontane-Klassiker „Unterm Birnbaum“läuft am

30. Dezember, 20.15 Uhr, im ZDF

 ?? Foto: Georg Wendt, dpa ?? Julia Koschitz, 44, ist eine Österreich­erin, die in Belgien geboren wurde und in München lebt.
Foto: Georg Wendt, dpa Julia Koschitz, 44, ist eine Österreich­erin, die in Belgien geboren wurde und in München lebt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany