Wertinger Zeitung

Gebäude wie aus einem Guss

Innovation Bau-Experiment­e im 3D-Druckverfa­hren

- Pm

Bau der eigenen vier Wände benötigt vor allem zwei Dinge: Zeit und Geld. Vom ersten Spatenstic­h bis zum Einzug vergehen Monate – und die zahlreiche­n notwendige­n Gewerke kosten Geld. Daher arbeiten Universitä­ten und Baufirmen in Europa am Haus aus dem 3D-Drucker, der „additiven Fertigung“, wie der automatisi­erte Druck dreidimens­ionaler Objekte offiziell genannt wird. Ein Werkstattb­ericht von Annkathrin Bernritter von Schwäbisch Hall zu verschiede­nen Beispielen..

● Russisches YouTube-Video wird zum Hit:

Nur 24 Stunden benötigte ein 3D-Drucker in der Nähe von Moskau, um ein Tiny House mit Wohnzimmer, Flur, Küche und Bad zu errichten. Der Clip zeigt, wie der mobile Drucker Schicht für Schicht aus der Betonmisch­ung die Gebäudehül­le errichtet. Laut der Firma Apis Cor, die den 3D-Drucker hergestell­t hat, belaufen sich die gesamten Baukosten für Rohbau plus Endfertigu­ng auf 9500 Euro – das entspricht 250 Euro pro Quadratmet­er. Zum Vergleich: In Deutschlan­d müssen private Bauherren laut Statistisc­hem Bundesamt mit reinen Baukosten von rund 1600 Euro je Quadratmet­er rechnen.

● Hinkelstei­ne wie bei Obelix: das Projekt Milestone

Im niederländ­ischen Eindhoven kooperiere­n die beiden Bauunterne­hmen Saint-Gobain Weber Beamix und BAM beim 3D-Druck. Sie entwerfen und stellen Gebäude wie Häuser und Brücken in 3D-Drucktechn­ologie her. Im Januar 2019 wurde das Eindhovene­r Werk eröffnet und in Betrieb genommen. „Wir haben die erste gedruckte Brücke der Welt gebaut“, sagt Marco Vonk, Marketing-Manager bei Saint-Gobain Weber Beamix. Der Fußgängers­teg in der Gemeinde Gement nahe Eindhoven wird bereits von der Öffentlich­keit genutzt und bewährt sich im täglichen Gebrauch. Kein Wunder, wie Vonk sagt: „Die Brücke würde sogar der dreifachen Konstrukti­onslast standhalte­n, wie unsere Tests gezeigt haben.“Der gesamte Herstellun­gsprozess befindet sich noch immer in der Experiment­ierphase: „Wir entwickeln und testen jeden Tag“, so Vonk.

Ab dem Frühjahr 2020 soll das Projekt Milestone, für das sich die Stadt Eindhoven, die Industrie und die Wissenscha­ft zusammenge­schlossen haben, konkretes Anschauung­smaterial bieten. Dazu sind fünf Ausstellun­gshäuser in PlaDer nung, die von außen an Menhire erinnern, also an Hinkelstei­ne wie die von Obelix. Der Innenraum aber wird rechtwinkl­ig ausgelegt sein.

● Hausbau auf Knopfdruck

Da der Gestaltung von Formen, Farben und Oberfläche­n beim 3D-Druckverfa­hren kaum Grenzen gesetzt sind, ist die Technologi­e für Architekte­n und künftige Bauherren von großem Interesse. Ist ein Grundmodel­l einmal errechnet, werden durch das Verändern der Parameter unendlich viele Varianten der Zementspri­tzbauten möglich. Und zwar aus einem Guss: Das Hintereina­nder der Materialie­n einer Wand, also Mineralput­z, Wärmedämms­ystem, Mauerstein­e und Beton, fällt weg. Wobei die „Druckertin­te“nicht unbedingt Beton sein muss: In Amsterdam experiment­iert man mit dem Druck von Bio-Kunststoff in Wabentechn­ik.

An der ETH Zürich drucken Forscher nicht den Beton an sich aus, sondern ein dichtes dreidimens­ionales Metallgewe­be, in das später der flüssige Beton verfüllt wird.

Auch alle notwendige­n Nischen und Winkel können mit der 3D-Technologi­e angelegt werden, erklärt Theo Salet, Professor für Hochbau und Dekan des Instituts für Bauplanung an der Technische­n Universitä­t Eindhoven:

„Eine solche Wand kann mit allen Funktional­itäten gedruckt werden.“Dazu gehören Aussparung­en für Rohre, Kabel und Steckdosen sowie schmutzabw­eisende Strukturen für die Außenfassa­de oder dämmende Verstärkun­gen für den Innenraum.

● 3D-Druck in Deutschlan­d?

Die Vorteile von Häusern aus dem Drucker sind offensicht­lich: Der 3D-Drucker erhöht die Baugeschwi­ndigkeit deutlich und senkt dadurch die Kosten spürbar. Zudem werden der Materialau­sschuss und das Unfallrisi­ko minimiert. Dennoch rechnet Klaudius Henke, der am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstru­ktion der TU München selbst intensiv auf dem Gebiet forscht, zumindest in den nächsten zehn Jahren nicht mit einem Boom in Deutschlan­d. Es sei noch völlig offen, „ob es am Ende tatsächlic­h der 3D-Druck des Eigenheims ist, der sich durchsetze­n wird, oder eher eine Mischbauwe­ise aus additiv gefertigte­n Elementen in Kombinatio­n mit konvention­ell hergestell­ten“, so Henke. „3D-Druck macht nicht in jedem Fall Sinn, sondern vor allem dort, wo geometrisc­h komplexe Bauteile in kleinen Stückzahle­n zu realisiere­n sind.“

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Foto: TU München 3D-Drucker bei der Arbeit: Diese Technologi­e könnte das Bauen revolution­ieren.

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