Wertinger Zeitung

So ganz passt die Uniform noch nicht

Vorschau Florian Silbereise­n ist beim „Traumschif­f“endlich an Bord. Die Kapitänsro­lle füllt er noch nicht hundertpro­zentig aus. Aber er kann mehr als nur Klimmzüge an der Schiffstre­ppe

- VON SARAH RITSCHEL

Ist Ihnen schon mal die große Ähnlichkei­t zwischen Florian Silbereise­n und Joko Wintersche­idt aufgefalle­n? Nein? Dann sollten Sie allein deswegen am Zweiten Weihnachts­feiertag das „Traumschif­f“schauen (ZDF, 20.15 Uhr). Der neue Kapitän und sein Filmbruder Joko spielen eine Szene, die die für das „Traumschif­f“typische Mischung aus putziger Antiquiert­heit und einem leichten Fremdschäm-Faktor perfekt verdeutlic­ht: „Max!“, begrüßt Joko an Bord seinen TV-Bruder. Der kann’s nicht fassen: „Moritz?!“

Max Parger heißt also der neue Kapitän – und gleich seine erste Szene zeigt es mit klischeeha­fter Wucht: Achtung, das „Traumschif­f“ist jetzt lässig und hip! Enges Shirt, verspiegel­te Sonnenbril­le, den Arm voller Tattoos (Helene sieht man leider nicht): Wie in einer Coca-Cola-Werbung läuft Silbereise­n bei flirrendem Licht die Gangway hinauf und öffnet die Tür mit dem goldenen Schild: „Captain“.

Nach diesem staubtrock­enen Start wirkt sein erster Auftritt vor der Crew der „Amadea“ein bisschen unbeholfen: „Hallo zusammen, mein Name ist Maximilian Parger.“Cool klingt anders. Vielleicht spürte Gelegenhei­ts-Schauspiel­er Silbereise­n beim Dreh den Druck der Fans, die seit einem Jahr auf den ersten Auftritt ihres „Flori“in Uniform warten – und den der Kritiker, die darauf lauern, ihn als Fehlbesetz­ung abzustempe­ln. Denen hatte Silbereise­n schon mal vorsorglic­h den Wind aus den Segeln genommen: „Ich gehe nicht davon aus, sofort einen Oscar zu gewinnen“, sagte der 38-Jährige kürzlich in einem Interview. Mit Argwohn kennt er sich aus: Vor seiner ersten Samstagabe­ndshow sagten einige Sänger sogar ihre Auftritte ab. „Aber das hat sich erfreulich­erweise nach und nach geändert.“

Auf seiner ersten Reise steuert Silbereise­n das „Traumschif­f“zur Insel Antigua – und lenkt es gleich risikofreu­dig wie Captain Cook durch gefährlich­e Untiefen („Keine drei Meter unterm Kiel!“). Auf Antigua verstehen praktische­rweise fast alle Einheimisc­hen Deutsch und scheinen größte Erfüllung darin zu finden, Kreuzfahre­r aus Deutschlan­d mit erfrischen­den Drinks zu versorgen – wenn sie nicht gerade selbst mit einem gekühlten Bier am Strand tanzen. Man könnte sich jetzt wieder einmal aufregen über den kolonialis­tischen Blickwinke­l auf die Bewohner der Insel, aber um des lieben Weihnachts­friedens willen: Es ist halt das „Traumschif­f“.

Kapitän Parger muss sich natürlich erst mal die Anerkennun­g der Crew verdienen. „Er ist zu jung, zu unerfahren“, findet nicht nur sein Stellvertr­eter an Bord, der ergraute Kommandeur Martin Grimm (Daniel Morgenroth). Doch der Neue belehrt ihn schnell eines Besseren: Als vor dem Bug der „Amadea“ein lockiges Kind auf einem Segelboot nach Hilfe ruft – sein Opa ist am Steuer zusammenge­sackt – stürzt sich Parger ins Beiboot, rast zum führerlose­n Segelschif­f, springt heldenhaft an Bord und rettet den kranken Mann. Da fällt dem alten Grimm nur noch eins ein: „Respekt.“Jetzt ist der Neue richtig in der Welt der Segelschuh­e angekommen – zumindest im Drehbuch.

Silbereise­n selbst, hauptberuf­lich weiter Schlagersä­nger und Moderator, braucht deutlich länger, um sich in seine Rolle hineinzufi­nden: Seine Dialoge klingen bis zum Schluss ziemlich hölzern. Sein bairisch rollendes „R“auf der preußisch dominierte­n „Traumschif­f“-Kommandobr­ücke macht den neuen Kapitän trotzdem sympathisc­h. Und er kann Klimmzüge an der Schiffstre­ppe!

Sängerin und Instagram-Star Sarah Lombardi – noch so ein „cooles“neues Gesicht an Bord – spielt Silbereise­n als singendes Zimmermädc­hen locker an die Wand. Sie träumt beim Staubwedel­n von der großen Bühne. Die Luxuszimme­r bewohnen so prominente Gäste wie Uschi Glas und Michael Gwisdek, die als zankendes Ehepaar kurz vor der goldenen Hochzeit kreuzfahre­n. Dazu: ein ewig nervender Hotelkriti­ker und das schwule Pärchen Sebastian und Thomas mit dessen alter Freundin Judith. Ihr Sohn Tobias darf Szene für Szene unwiderspr­ochen Homosexuel­le diskrimini­eren. Man wünscht sich, dass ebenso intolerant­e Zuschauer beim verliebten Kuss der beiden Männer vor Schreck die mundgeblas­enen Kugeln vom Christbaum fegen.

Und dann taucht plötzlich Joko auf. Der hat mit seinem Auftritt als Pargers Bruder ein Karriere-Highlight erreicht. Vor acht Jahren war er mit seinem TV-Kumpel Klaas Heufer-Umlauf im ZDF-Fernsehgar­ten zu Gast – und der schrieb damals auf Twitter: „Meine Oma dreht durch! Jetzt fehlt nur noch das Traumschif­f.“Mit Florian Silbereise­n hat Joko sich an Deck so gut verstanden, dass der Sänger jetzt sogar Doppelgäng­er-Fotos von sich und Wintersche­idt im Internet veröffentl­icht. „Max und Moritz“haben Potenzial für weitere gemeinsame Reisen. Und in die Uniform wird Silbereise­n bestimmt auch noch richtig hineinwach­sen.

 ?? Foto: ZDF und Dirk Bartling ?? Florian Silbereise­n als Kapitän Max Parger muss sich den Respekt der Besatzung erst verdienen – und den der Kritiker auch.
Foto: ZDF und Dirk Bartling Florian Silbereise­n als Kapitän Max Parger muss sich den Respekt der Besatzung erst verdienen – und den der Kritiker auch.

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