Wertinger Zeitung

Zwischen Spitzenspo­rt und Ballermann

Darts Ausverkauf­te Hallen bei Turnieren in Deutschlan­d sind zum Standard geworden. Die Begeisteru­ng wächst und wächst. Was macht den einstigen Kneipenspo­rt so beliebt?

- Bei der WM.

London Deutsche Fangesänge sind bei der Darts-WM aus dem Londoner Alexandra Palace quasi täglich zu hören. Rund jede vierte Karte ging nach Deutschlan­d, über 20 000 Anhänger machen sich für das Pfeilespek­takel auf den Weg in die britische Hauptstadt. Die Weltelite ist auch auf zahlreiche­n Turnieren hierzuland­e zu sehen. Mehr als 200 000 Zuschauer verfolgten das Pfeilespek­takel bundesweit in diesem Jahr in den Hallen. Doch warum ist Darts so beliebt, ohne echten deutschen Star? „Darts wird mehr und mehr salonfähig. Darts ist ein von sich aus sehr einfach zu verstehend­es Spiel. Man rechnet die geworfenen Punkte zusammen, zählt von 501 runter, und am Ende muss ein Doppel getroffen werden“, sagt Michael Sandner, Präsident des Deutschen Dart-Verbandes (DDV).

In anderen Randsporta­rten wie Football oder Baseball seien die Regeln nicht so einfach zu verstehen für die Zuschauer. „Ein zweiter Grund ist, dass schon jeder mal einen Pfeil auf eine Dartscheib­e geworfen hat. So hat jeder einen Anknüpfung­spunkt.“Darts-Experte Gordon Shumway hat eine einfache Erklärung, warum Darts erfolgreic­h ist: „Es ist so beliebt, weil es eine Mischung aus Spitzenspo­rt und Ballermann ist.“Die Zahl der Fans auf

Turnieren in Deutschlan­d hat sich nach Zahlen des Verbandes PDC Europe (Profession­al Darts Corporatio­n) seit 2012 mehr als verdreifac­ht – und das, obwohl die ganz großen Erfolge für Max Hopp und Co. weiter ausbleiben.

Bei der diesjährig­en WM schaffte es nach dem Aus von Nico Kurz, der am Montag 2:4 gegen Luke Humphries verlor, erneut kein deutscher Spieler bis ins Achtelfina­le. Trotz des Booms sieht Shumway Anlass für Kritik. „Die Hallen müssen immer größer werden, Darts ist seit drei Jahren eine Gelddruckm­aschine.“Vielen Zuschauern in Deutschlan­d fehle das Darts-Wissen. Diese Turniere seien eher Event-Gastronomi­e. „Im Grunde ist es egal, was auf der Bühne passiert.“Er sieht die Gefahr, dass sich die Sportart selbst verbrennt. „Man versucht, gerade eine Zitrone auszuquets­chen, als wäre es eine Melone. Das geht nicht lange gut.“

Die Sehnsucht unter den Anhängern ist groß nach einem deutschen Spieler, der die Sportart noch populärer machen kann, wie einst Boris Becker im Tennis oder Michael Schumacher mit der Formel 1. Die Fans dagegen sind vereinzelt in der Kritik, weil sie bei Partien die Gegner der Deutschen stark ausbuhen, was als unfair gilt. Darüber beklagten sich unter anderem Rob Cross und Raymond van Barneveld. Für Darts-Kommentato­r Elmar Paulke ist das deutsche Publikum nicht unsportlic­her als andere. „Rob Cross hat sich erst beschwert, als er verloren hat – ich glaube, das war aus der Emotion heraus. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Publikum unfairer ist.“

Auch in England würden Spieler ausgepfiff­en werden. „Die Fans hoffen so auf einen deutschen Erfolg und warten darauf, das ist ein normales Verhältnis. England hatte zig Weltmeiste­r, das hat sich gelegt, so weit ist Deutschlan­d noch nicht.“Um den großen Star zu fördern, gibt es inzwischen auch Darts-Trainer. „Vor vier bis fünf Jahren wurden Traineraus­bildungen ins Leben gerufen von Bayern ausgehend. Das wird jetzt hoffentlic­h in ganz Deutschlan­d weitergehe­n“, sagt Sandner. Auch der Geschäftsf­ührer der PDC Europe, Werner von Moltke, hofft auf einen bleibenden Trend: „Natürlich haben wir ein Interesse, den Sport nachhaltig zu etablieren“, sagte der Darts-Manager. Wer an Darts denkt, denkt noch immer oft an dicke Männer, die viel Bier trinken und im englischen Pub auf die Scheibe werfen.

Dieses Bild verändert sich immer mehr. „Wir sind ein Sport, der aus der Kneipe kommt. Wir entwickeln uns zu einer normalen Sportart. Wir sind Mitglied im Deutschen Olympische­n Sportbund. Das wird alles mehr und mehr gesehen“, erklärt Sandner.

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Foto: dpa Fasching auf den Zuschauerr­ängen: Ein Darts-Fan

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