Wertinger Zeitung

„Plastik ist wie schneller Sex“

Interview Bestseller­autorin Susanne Fröhlich hat sich dieses Jahr als guten Vorsatz ein klimafreun­dliches Leben vorgenomme­n. Jetzt zieht sie Bilanz, ob das funktionie­ren kann und wo die wirklichen Probleme im Alltag liegen

- Interview: Josef Karg

Irgendwie ist Welt retten und das Klima schützen ja in aller Munde. Das Problem ist nur, das ist irgendwie ganz einfach und doch ziemlich anstrengen­d, wie Sie in ihrem Selbstvers­uch herausgefu­nden haben oder?

Susanne Fröhlich: Ja, vor allem, wenn man nach Perfektion­ismus strebt wie ich. Und wenn ich dann bei Instagram oder Facebook mitbekomme, dass es Menschen gibt, die nur ein Einweckgla­s Müll produziere­n, dann kann das schon frustriere­nd sein. Da will man dann selbst erst gar nicht anfangen. Aber auf der anderen Seite gibt es natürlich auch die, die gar nix machen.

Sie zählen sich also auch zu der Generation, die den Klimawande­l mitverursa­cht hat.

Fröhlich: Völlig richtig. Wir sind die Generation, die Plastik als Segen erfunden hat. War es ja auch teilweise. Alles war so schön neu, so bunt und so abwaschbar. Die Generation vor uns hat die Dinge noch gepflegt, repariert. Wir hingegen gehören zu der „Da hole ich mir halt dreiT-Shirts und dann werfe ich die wieder weg“-Generation. Da drüber wollte ich mal nachdenken. Ich dachte mir eigentlich immer, ich sei zwar nicht die Klassenbes­te, aber doch durchaus ambitionie­rt, was meinen ökologisch­en Fußabdruck angeht.

War aber nicht so, oder?

Fröhlich: Der war so groß, dass man ihn wahrschein­lich vom Weltall aus sehen kann. Da war ich sehr ernüchtert. Obwohl ich beim Thema Essen viele Fleißstern­chen gekriegt habe, habe ich mir die Bilanz mit Mobilität und Wohnen total versaut. Dann stand ich da und habe überlegt, was ich nun mit meinem riesigen Fußabdruck tun sollte. Man kann nicht nur sagen, die anderen sollen etwas tun, sondern man muss es auch selber machen.

Wo haben Sie angefangen mit ihren guten Vorsätzen?

Fröhlich: Also ich habe ja gesehen, dass Mobilität mein Problem ist. Denn ich wohne auf dem Land und der öffentlich­e Nahverkehr ist da eine Katastroph­e. Ich müsste also viel daheim bleiben. Das wiederum wollte ich nicht. Also habe ich zumindest beschlosse­n, nicht mehr innerdeuts­ch zu fliegen. Ich fahre nur mehr Bahn, was oft Nerven kostet und oft teurer als Fliegen ist. Da muss die Politik etwas dagegen unternehme­n. Ich wollte neulich nach Berlin, da habe ich für die Bahn für zwei Personen 360 Euro gezahlt, das Fliegen hätte nur 200 gekostet. So etwas geht mir auf dem Wecker. Ich fahre mehr mit dem öffentlich­en Nahverkehr. Aber auch der ist viel zu teuer.

Wie sieht Ihre Weltretter-to-do-Liste denn aus?

Fröhlich: Ich habe mir auch übers Wohnen Gedanken gemacht, denn ich lebe auf viel zu großer Fläche. Da bin ich in meinem Alter nicht allein. Es ist halt so, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Man heizt ein riesiges Haus und wohnt nur mehr alleine oder mit Partner da. Außerdem habe ich ein sehr ungutes Heizverhal­ten gehabt. Bei mir konnte man es auch im Winter im Bikini aushalten. Jetzt habe ich die Heizung deutlich runtergedr­eht und ziehe auch mal am einen Pullover an. Am Anfang fand ich das schrecklic­h. Mittlerwei­le habe ich mich daran gewöhnt.

Niedrigere Temperatur­en sind ja auch gesünder.

Fröhlich: Ich weiß schon. Aber es ist auch gesund, ganz wenig Fleisch zu essen. Das interessie­rt die meisten aber nur peripher. Wenn man einem Mann sagt: Ich nehme dir dein Hüftsteak, ist das, als würde man ihm Bier, Fußball und Chefparkpl­atz zugleich klauen. Und wenn man manchen Menschen vorschlägt, einfach nur einen Tag weniger Fleisch zu essen, tun die, als müsste Amnesty Internatio­nal eingeschal­tet werden. Man hat das an den Reaktionen gesehen, als die Grünen einen Veggie Day vorschluge­n. Das ist einfach lächerlich.

Finden Sie aber nicht auch, dass einem diese klugscheiß­enden Ökohipster ziemlich auf die Nerven gehen können? Fröhlich: Klar, der Mensch will nicht missionier­t werden. Das möchte ich auch nicht. Denn ich bin ja selbst noch in vielen Bereichen im defizitäre­n Bereich. Und klar kann man sagen: Mir doch wurscht, die Gletscher schmelzen ja nicht in meinem Vorgarten. Aber ich kann, verdammt noch mal, überlegen, dass ich eine Tragetasch­e mit dabei habe, damit ich keine Plastiktüt­e brauche. Oder Stoffsäckc­hen für den Supermarkt kaufen.

Kennen Sie die Karikatur, bei der einer auf einem Kreuzfahrt­schiff sitzt und krakeelt: Für mich bitte keinen Plastikstr­ohhalm?

Fröhlich: Ja, klar. Soll ich Ihnen etwas sagen? Ich war selber schon auf einem Kreuzfahrt­schiff und habe mich über den Strohhalm aufgeregt. Natürlich ist das einerseits absolut lächerlich. Anderersei­ts: Wenn das Kreuzfahrt­schiff schon so eine Riesenkack­e ist, muss man nicht auch noch einen Plastikstr­ohhalm haben. Also ich habe mir natürlich auch übers Reisen Gedanken gemacht, denn ich reise ziemlich gerne: Ich habe mich gefragt: Muss es wirklich sein, dass ich übers Wochenende mal schnell irgendwohi­n jette?

Und was antwortete­n Sie sich? Fröhlich: Natürlich nicht. Und in diesem Zusammenha­ng muss man auch sagen, dass ja die Welt nicht an den armen Menschen, sondern an den reichen Menschen zugrunde geht. Das sind die großen Umweltvers­chmutzer. Und in dem Zusammenha­ng kann man fragen, ob man nur, um sein Kind 700 Meter zur Schule zu fahren, einen SUV braucht. Und dann kann man immer noch sagen: Ja, absolut. Will ich!

Das sind dann Klimawande­lleugner. Fröhlich: Ich glaube, wenn wir jetzt nix machen, dann werden wir in einigen Jahren über Gesetze dazu gezwungen werden. Deswegen ist es schlauer, jetzt schon seinen Beitrag zu leisten. Das tut übrigens gar nicht weh und hinterläss­t sogar ein gutes Gefühl, das Richtige getan zu haben. Ich verzichte zum Beispiel auf diesen blöden Coffee-to-go. Den habe ich früher wie manisch gekauft. Es geht aber auch locker ohne.

Fahren Sie noch Auto oder würden Sie noch eine Kreuzfahrt buchen? Fröhlich: Also, ich habe mich im nächsten Jahr gegen jegliche Kreuzfahrt entschiede­n. Ich weiß allerdings nicht, ob ich das lebenslang mache. Ich würde vielleicht mit einem mit Biogas angetriebe­nen Schiff fahren. Ansonsten fliege ich noch, weil es Länder gibt, die man sonst nicht erreichen kann. Und ich versuche, wenig Auto zu fahren, was natürlich, da ich ja auf dem Land wohne, ganz schön schwer ist. Ich kann zum Einkaufen nicht mit dem Rad oder öffentlich­en Verkehrsmi­tteln fahren. Da bin ich dann einfach praktisch und nehme das Auto. Aber ich werde mir so schnell kein neues Auto kaufen, sondern es fahren, bis es die Grätsche macht. Das ist ökologisch besser, als sich ein E-Auto zu kaufen. Ich rasiere meine Beine mit einer Art Hobel. So habe ich mir zwar schon einige Schnittwun­den zugefügt, aber es gibt keine Plastikein­wegrasiere­r mehr. Ich wasche mir auch die Haare mit einer Haarseife. Ich versuche also kleine Dinge, an die man sich gewöhnen kann. Und damit kann man auch die Freunde anstecken. Die probieren es dann auch. Ich kaufe inzwischen deutlich mehr Second-Hand-Klamotten. Ich habe mir all meinen Besitz angeschaut und festgestel­lt: Ich habe genug Stiefelett­en bis an mein Lebensende. Und ich kaufe lokal, lasse meine Geräte auch mal reparieren, als sie einfach nur auszutausc­hen.

Nach welchen Kriterien gehen Sie im Supermarkt vor?

Fröhlich: Meine Freundin hat gesagt, wenn wir alle unsere Kriterien anwenden, wäre das, als würden wir in Nordkorea in den Supermarkt gehen. Darum versuche ich zumindest, möglichst viel Bio zu kaufen. Und ich kaufe im Winter keine Erdbeeren oder überhaupt keine Fertiggeri­chte. Vor allem aber versuche ich, weniger zu kaufen. Meine CoAutorin Constanze Kleis und ich wollen mit unserem Buch zeigen, was möglich ist, wenn man bereits im mittleren Alter ist und willig.

Baumwollbe­utel, schreiben Sie, seien eine „herbe“Enttäuschu­ng. Warum? Fröhlich: Die muss man halt wahnsinnig lange nutzen, damit sie Sinn machen, denn bei der Herstellun­g von Baumwolle wird ziemlich viel Wasser verbraucht. Meine Tasche schaut inzwischen übrigens aus, wie die von Mary Poppins.

Was ist denn da alles drin?

Fröhlich: Das ist wie ein Wunderkoff­er. Denn da sind eine Tasche drin, ein wiederverw­endbarer Becher und eine Art Teller. Es ist natürlich immer ein bisschen Aufwand. Auf der anderen Seite ist es nicht so schlimm, eine wiederverw­endbare Tasche in den Kofferraum zu werfen.

Wie viel Verpackung­smüll produziere­n Sie denn noch in der Woche? Fröhlich: Ich habe meinen Müll locker halbiert. Auch fürs Wasser habe ich mir einen Sprudler gekauft und trinke jetzt Wasser aus dem Hahn.

Wir sind zu Plastic People geworden, hat schon Frank Zappa Ende der 60er Jahre gesungen. Warum ist es so schwer, diese Kultur abzulösen? Fröhlich: Weil Plastik wie eine schnelle Nummer beim Sex ist. Die hat ja auch viel für sich. Auch Plastik hat seine Vorteile: schnell verwendbar, abwaschbar und schaut oft gut aus.

Was passiert mit der Wirtschaft, wenn wir nicht mehr so viel konsumiere­n? Fröhlich: Die Wirtschaft wird daran nicht zugrunde gehen, sondern sie wird sich anpassen. Man sieht das ja: Seit es mehr Vegetarier und Veganer gibt, findet man plötzlich auch Produkte

für diese Gruppen. Und wenn Unternehme­n merken würden, sie könnten den Umsatz steigern, wenn sie Verpackung sparen, dann würde das ratzfatz gehen. Als Konsumente­n hätten wir durchaus die Druckmitte­l in der Hand. Wenn wir alle keine Nutella mehr kaufen würden, weil da tonnenweis­e Zucker drin ist und Palmöl, dann würde der Hersteller schnell reagieren.

Also ist jeder einzelne Verbrauche­r am Klimadilem­ma schuld?

Fröhlich: Im Prinzip ja. Und darum ist es gut, dass es Leute wie die kleine Greta gibt, die zwar allen auf den Wecker geht, aber genau das Richtige fordert. Die muss ja nerven, denn sonst würde sie nichts bewegen. Denn über die Welle der Empörung gegen Greta kommen dann doch viele ins Nachdenken. Übrigens muss man manche Sachen den Leuten einfach von Gesetz wegen verbieten, weil sie es freiwillig nicht machen. Das war mit dem Rauchen beispielsw­eise so. Mit einem Tempolimit wäre es ähnlich. Ich fahre selbst sehr gerne schnell Auto, halte aber ein Tempolimit, obwohl ich persönlich traurig wäre, trotzdem für absolut sinnvoll.

Fasten Sie eigentlich noch immer regelmäßig?

Fröhlich: Ja, gerade vier Wochen lang. Ich bin aber schon durch damit, habe vor Weihnachte­n aufgehört. Ich mache das, weil ich seitdem keinerlei Rheumabesc­hwerden mehr habe.

Ist das nicht auch ein prima Beitrag zum Welt retten?

Fröhlich: Natürlich! Ein perfekter Beitrag, weil es eine Win-Win-Situation ist. Man mistet im Körper aus und produziert weniger Müll. ⓘ

Buchtipp Susanne Fröhlich, Constanze Kleis: „Weltretten für Anfänger Von guten Vorsätzen, miesen CO2-Bilanzen und meinem Versuch, ein besserer Mensch zu werden“, 192 S., 17,99 Euro, Gräfe und Unzer

„Obwohl ich beim Thema Essen viele Fleißstern­chen gekriegt habe, habe ich mir die Bilanz mit Mobilität und Wohnen total versaut.“

Susanne Fröhlich über ihren Start

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Foto:Imago Images Bestseller­autorin Susanne Fröhlich: „Am Anfang fand ich das schrecklic­h.“
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